Diese futuristische Brücke mit Wohnungen, Büros und einem Park wird wohl leider nicht in Düsseldorf gebaut

In Düsseldorf muss wohl bald eine Jahrzehnte alte Brücke ersetzt werden. Ein Architekturbüro hat eine radikale Idee: Es schlägt eine futuristische Ersatzbrücke vor, die nicht nur Fahrspuren für Autos, sondern auch Wohnungen, ein Hotel, Büros und einen großen Park bieten soll. Wir haben mit einem der Planer gesprochen.

Von Michael Förtsch

Es ist ein Anblick, wie er in einer utopischen Science-Fiction-Serie zu sehen sein könnte. Oder vielleicht auf dem Cover einer Solarpunk-Kurzgeschichtensammlung. Ein Fluss und eine breite Wiese mit einer Promenade ziehen sich dahin. Darüber spannt sich schlank und elegant eine weiße Brücke, die von dicken Stahlbetonstützen getragen wird. Aber es ist keine normale Brücke, sondern eine belebte Brücke. In ihrem Inneren beherbergt sie eine vierspurige Trasse für den Autoverkehr. Drumherum drapieren sich in geschwungenen Auf- und Ausbauten einzelne Wohnungen mit begrünten Balkonen, die den Bewohnern einen Blick direkt aufs Wasser erlauben. Und sogar ein Park mit einem Radwegschnellweg schmückt die fragil wirkende Struktur. Doch diese Brücke ist keine Science Fiction, sondern ein echter Entwurf, den Architekten gerne am Rhein in Düsseldorf verwirklichen würden.

Einen Anlass für den Bau gäbe es durchaus. Die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf, die den Osten mit dem Norden der Stadt verbindet, macht Probleme. Nach 65 Jahren ist die fast 1,3 Kilometer lange Schrägseilbrücke, wie bei Inspektionen festgestellt wurde, ziemlich marode. Außerdem war sie nie für die Verkehrslast ausgelegt, die sie derzeit tragen muss. Sie muss also in den kommenden Jahren entweder aufwendig saniert oder ersetzt werden. Das Team des Architekturbüros RKW Architektur+ sieht das als Chance und schlägt seine sogenannte Green Bridge Düsseldorf als radikale wie futuristische Alternative vor. Und zwar eine, die mehr als nur ein Verkehrsproblem lösen soll.

Leben über dem Wasser

Insgesamt sollen in der Bücke auf fünf Stockwerken 400 Appartements Platz finden. Dazu kommen ein Hotelkomplex mit 350 Zimmern und 14.000 Quadratmeter an Fläche für Büros. „Wir betrachten Gebäude aus der Sicht von Architekten, nicht von Ingenieuren. Das bedeutet für uns, eine breitere Sicht zu haben, über die reine Funktion hinaus“, sagt Dieter Schmoll , Architekt und Gesellschafter beim Architekturbüro RKW Architektur+, zu 1E9. „Konkret hieß das bei der Brücke, dass wir von Anfang an den Mehrwert für die Stadt im Kopf hatten. Wir müssen in den wachsenden Städten ja ohnehin nachverdichten und Wohnraum schaffen, wieso nicht auch über dem Wasser?“ Dabei sei es wichtig, meint Schmoll, dass die rund 65 Meter breite Brücke „kein exklusiver“ Ort wird, den sich nur Wohlhabende leisten können, sondern eine „gemischte Struktur auch in der Wohnnutzung“ garantiert wird.

Wir betrachten Gebäude aus der Sicht von Architekten, nicht von Ingenieuren.

Dieter Schmoll

Zusätzlich soll die Brücke möglichst ökologisch sein. Ganze 20.000 Quadratmeter Fläche soll der Park ausmachen, der die Oberseite der Brücke überspannt. Knapp 200 Bäume sollen dort gepflanzt werden. Es wäre auch denkbar, dass Flächen für kleine Gärten bereitgestellt werden, in denen die Bewohner beispielsweise Obst und Gemüse anbauen. Ebenso soll der Strom für die Wohnungen, das Hotel und die Büroflächen zumindest in Teilen aus lokal erzeugten erneuerbaren Energien kommen. Nämlich mittels Windturbinen und Photovoltaikanlagen, die direkt in die Brücke integriert sind. Wie viele Anlagen es sein könnten und wie viel Strom durch sie erzeugt werden könnte, das können die Architekten derzeit aber noch nicht abschätzen.

Dass belebte Brücken kein revolutionäres Konzept sind, das räumen die Architekten gerne ein. Mit der Ponte Vecchio in Florenz oder der Krämerbrücke in Erfurt gibt es sie schon lange. Und zu Anfang des 20. Jahrhunderts hat bereits Raymond Hood vorgeschlagen, das wachsende New York City mit Brücken auszustatten, die gleichzeitig als Wolkenkratzer funktionieren. Der für seine utopischen Entwürfe bekannte Vincent Callebaut konzipierte 2017 einen Plan, wie sich mittels 3D-Druck ganze Dörfer und Städte auf Brücken errichten lassen könnten. „Genau, die Idee ist nicht neu“, sagt Schmoll. „Sie kommt im Gegenteil immer wieder mal auf. Während sie bei den genannten Architekten aber eher als Utopien zu verstehen sind, ist unsere Brücke ganz konkret mit bekannten Mitteln realisierbar.“

Vielleicht andernorts

Laut den Düsseldorfer Architekten sei die Green Bridge, so wie sie derzeit ausgearbeitet ist, durchaus umsetzbar. Gerade wegen ihrer futuristischen Gestaltung. „Das ist tatsächlich mehr Technik als Design“, erklärt Schmoll. „Um es hier mal mit Ingenieursbegriffen zu sagen: Die Form beruht auf der Seillinie, die den Momentenverlauf abbildet. Oder auf Deutsch: Der Schwung der Brücke folgt einfach den Erfordernissen der Statik.“ Es gäbe also keine bautechnischen Hindernisse, was die Errichtung angeht. Dass die Konstruktion der Green Bridge dennoch aufwendig und kostspielig wäre, das ist den Architekten bewusst. Ihren Kalkulation zufolge würde die Konstruktion wohl drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen. Die Kosten? Rund 700 Millionen Euro.

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Doch nicht nur aufgrund des beachtlichen Preisschilds ist es unrealistisch, dass die Green Bridge in Düsseldorf gebaut wird. Die Stadtverwaltung ließ gegenüber Antenne Düsseldorf verlauten, dass der Entwurf der Architekten einen „interessanten Impuls“ darstellen würde, aber nicht mehr. Laut Dieter Schmoll habe sich auch der „Verkehrsdezernent sehr abgeklärt geäußert“. Und „die Baudezernentin hat einerseits unsere Initiative gelobt, aber andererseits im Entwurf einen Konflikt mit der Umgebung gesehen“, so der Architekt. „Dem würde ich aber widersprechen, weil sich der sanfte Schwung ja gerade gut in die niederrheinische Landschaft einfügt.“

Der Schwung der Brücke folgt einfach den Erfordernissen der Statik.

Dieter Schmoll

Einen anderen „gestalterischen Konflikt“ räumen die Architekten jedoch ein. Die futuristische Brücke wäre ein gewaltiger Ausreißer, was das hinsichtlich ihrer Optik bisher sehr „geschlossene und sehr schöne Ensemble“ der Düsseldorfer Brücken angeht. Ob die Green Brdige vielleicht in abgewandelter Form an einem anderen Ort auf der Welt einen Fluss überspannen könnte, da möchte Schmoll derzeit nicht spekulieren. Jedoch hat die Brücke nicht nur in Deutschland, sondern weltweit Aufmerksamkeit erregt. Dadurch sei „der Gedanke der belebten Brücke jetzt mal wieder in der Welt“, sagt der Architekt. „Und ich bin mir sicher, dass er Menschen beflügeln wird, ob jetzt hierzulande oder an anderen Orten, deren Brücken vielleicht sogar noch geeigneter für eine Transformation sind.“

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Titelbild: RKW Architektur+

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