Das Satellitennetzwerk Starlink hat sich als mächtiges Kommunikationswerkzeug erwiesen. Insbesondere beim Krieg in der Ukraine zeigte sich, wie zuverlässig und hilfreich Internet aus dem Weltall sein kann. Jedoch liegt die Kontrolle über diese Satelliten in den Händen von Elon Musk. Die Europäische Union will nun eine Alternative zu Starlink aufbauen. Das soll angeblich kommende Woche beschlossen werden.
Von Michael Förtsch
Als Elon Musk im Januar 2015 den Aufbau des Satellitennetzwerks Starlink ankündigte, gab es viele Zweifel, ob sein ehrgeiziger Plan umsetzbar sei. Durch das Mutterunternehmen SpaceX sollen über 40.000 Satelliten in den Erdorbit geschossen und in verschiedenen Höhenebenen im Erdorbit angeordnet werden. Über 3.100 davon befinden sich bereits im Einsatz und liefern seit März 2020 schnelles Internet in immer mehr Regionen der Welt. Starlink wird vor allem dort genutzt, wo es sonst keine Alternative gibt – kein DSL oder Kabelinternet. Oder dort, wo die bisherige Kommunikationsinfrastruktur nicht mehr zuverlässig und sicher ist. Seit dem Kriegsbeginn setzt auch das ukrainische Militär auf Starlink. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal konnten sich Helfer dank Starlink-Stationen koordinieren und Betroffene mit der Außenwelt kommunizieren. Außerdem bauen Protestierende im Iran auf das Satelliteninternet und Mesh-Netzwerke, um Abschaltungen und Zensurversuche der Regierung zu umgehen.
Die SpaceX-Satellitenkonstellation hat sich also bereits als hilfreiche und krisenfeste Infrastruktur erwiesen. Aber ebenfalls als eine, die den Entscheidungen und Launen von Elon Musk unterliegt. Während des laufenden Krieges in der Ukraine drohte er, den Dienst für die Ukraine abzuschalten, wenn nicht das Pentagon die auflaufenden Betriebskosten übernehmen würde. Nur um kurz darauf anzukündigen, „die ukrainische Regierung weiter kostenlos [zu] unterstützen“. Diese Machtkonzentration und Musks Unberechenbarkeit besorgt Politik und Experten. Offenbar auch in der Europäischen Union. Die will eine eigene Alternative zu Starlink aufbauen, die nicht in den Händen eines Milliardärs, sondern zumindest in Teilen in den Händen der EU selbst liegt.
Laut einem Bericht von Reuters soll vom EU-Parlament in der dritten Novemberwoche der Aufbau eines solchen Satelliteninternets im niedrigen Erdorbit beschlossen werden. Die initialen Kosten des Projektes sollen sich auf sechs Milliarden Euro belaufen. 2,4 Milliarden Euro davon sollen aus EU-Kassen kommen. 3,6 Milliarden Euro sollen von der Wirtschaft finanziert werden. Das Tempo soll ambitioniert sein. Bereits zwischen 2025 und 2027 sollen erste Satelliten starten und in Betrieb genommen werden, die Europa, aber auch Teile von Afrika mit schnellem Internet versorgen können. Damit sollen vor allem bislang unerschlossene Gebiete ans weltweite Kommunikationsnetz angeschlossen und die Kommunikationsmöglichkeit der abgedeckten Staaten für Katastrophen-, Sabotage- und Kriegsfälle sichergestellt werden.
Wer könnte es bauen?
Einer der Unterstützer eines EU-eigenen Satellitennetzwerkes ist der EU-Kommisar Thierry Breton. Im Februar 2022 sagte er, dass eine solche Infrastruktur „von zentraler Bedeutung für unsere strategische und technische Souveränität“ sei. Auch in Deutschland gibt es Unterstützung für solche Pläne. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte erst in diesem Jahr in einem Antrag gefordert, dass Deutschland eine zentrale Rolle einnehmen, sich umfassend finanziell beteiligen und die Mitarbeit deutscher Luft- und Raumfahrtunternehmen forcieren müsse. Denn wer die Starlink-Alternative konzipieren, aufbauen und betreiben soll, ist bisher unsicher.
Bereits 2020 gab die EU bei einem Konsortium eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Mitglieder sind etablierte Luft-, Raumfahrt- und Kommunikationsunternehmen aus Frankreich wie Ariane Space, Eutelsat, Thales Alenia Space und aus Deutschland OHB und aus Italien Telespazio. Das blieb nicht ohne Kritik – denn zahlreiche junge Unternehmen wurden ausgeschlossen. Daher beauftragte die EU zwischenzeitlich zwei weitere Konsortien mit einer Konzeption und Kostenabschätzung. Eines davon heißt New Symphonie, dem über 20 Start-ups wie Unseenlabs aus Frankreich, Aerospacelab aus Belgien, Loft Orbital aus Frankreich, AAC Hyperion aus den Niederlanden, der Internetknotenbetreiber DE-CIX aus Köln und der Raketen- und Satellitenstartorganisator Exolaunch aus Berlin angehören.
Das dritte Konsortium ist UNIO. Es besteht im Kern aus dem Satellitenentwickler Reflex Aerospace, dem Laserkommunikationsunternehmen Mynaric und dem Raketenentwickler Isar Aerospace, die allesamt in München ansässig sind. Mitglied ist auch der luxemburgisch-französische Satellitenbetreiber SES. Unterstützt wird UNIO zudem von den Fraunhofer-Instituten INT und IAF. Im Januar 2022 teilte UNIO mit, womöglich schon 2023 einen ersten Demonstrator in den Erdorbit zu bringen, der die Umsetzbarkeit des Konzepts beweisen soll, das bereits bei der Automobil- und Internet-of-Things-Industrie auf Interesse stößt.
Andere planen ähnlich
Unabhängig von den EU-Plänen arbeitet das in London ansässige Unternehmen OneWeb an einem Konkurrenten zu Starlink. Eigner der Firma ist nach einer drohenden Insolvenz im Jahr 2019 unter anderem der indische Telekommunikations-, Einzelhandels- und Versicherungskonzern Bharti, das Technologie- und Investmentunternehmen Softbank und die Regierung des Vereinigten Königreichs. Wie im Sommer 2022 angekündigt wurde, will der etablierte Satellitenbetreiber Eutelsat mit OneWeb fusionieren – danach soll die französische Regierung einen Anteil an der Firma haben.
Ende Oktober 2022 hatte OneWeb 464 von 648 geplanten Satelliten im Erdorbit. Anders als Starlink will OneWeb seinen Dienst nicht Privatkunden anbieten, sondern primär Firmen, Regierungen, Militärs und anderen Kommunikationsdienstleistern wie Mobilfunk- und Internetanbietern.
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Jetzt Mitglied werden!In anderen Ländern und von anderen Firmen werden derweil ähnliche Pläne verfolgt. Im Frühjahr 2021 gründete China die China Satellite Network Group, die Starlink ein mindestens 20.000 Satelliten starkes Netzwerk entgegenstellen soll. Hierfür wurden zwei zuvor separate Programme namens Hongyun und Xingyun zusammengelegt. Das Programm soll von der Regierung massiv gefördert werden. Die koreanische Hanwha Group wiederum will 2.000 Satelliten starten, um die digitale Kommunikation von Flugzeugen, Drohnen und anderen zukünftigen Mobilitätsformen sicherzustellen. Und mit Project Kuiper plant auch Amazon eine eigene Konstellation aus 3.276 Satelliten.
Auch aus diesem Grund muss sich die Europäische Union beeilen, drängte Thierry Breton im Januar dieses Jahres auf der 14. European Space Conference in Brüssel. Denn der Platz im Orbit werde knapp und auch verfügbare Funkfrequenzen müssten gesichert werden, um nutzbar zu sein. Europa dürfe bei einer solchen Technologie nicht zurückfallen. Es finde ein Wettrennen um den Aufbau Satelliten-gestützter Kommunikationsstrukturen statt. Europa könne und dürfe da nicht hinten anstehen.
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Titelbild: SpaceX
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