Der Ex-Google-Entwickler Anthony Levandowski hat seine KI-Kirche geschlossen

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Vor drei Jahren gründete Anthony Levandowski eine Kirche, in der eine Computergottheit verehrt werden sollte. Dann wurde der damalige Google-Entwickler verklagt und gefeuert. Nun hat er seine Glaubensgemeinschaft aufgelöst.

Von Michael Förtsch

Der Informatiker und Ingenieur Anthony Levandowski gilt als Pionier der Robotik, aber auch als ziemlich streitbare Figur der US-Tech-Branche. Denn er sieht Technologie nicht nur als Weg zu Innovation und Verbesserung, sondern als eine Art Heilsbringer: Die Menschheit werde sich mit denkenden Computern demnach ihren eigenen Gott erschaffen. Vor drei Jahren gab Levandowski daher die Gründung einer Kirche bekannt, deren Gott die Künstliche Intelligenz sein soll.

Genau genommen war Way of the Future, wie Levandowski seine Glaubensgemeinschaft taufte, formell bereits 2012 beim US-Steueramt angemeldet. Viel geschehen war in den ersten Jahren aber nicht. Und auch nach seiner öffentlichen Verlautbarung nicht. Eine echte Gemeinde oder ein Kirchengebäude gab es nie. Daher begann Levandowski im Juni 2020 damit, die Kirche allmählich aufzulösen. Nun spendete er deren finanzielle Mittel an die Bürgerrechtsorganisation NAACP Legal Defense Fund.

Levandowski selbst war der Dekan der Kirche und Leiter einer angeschlossenen Non-Profit-Organisation – und er stand im Mittelpunkt des medialen Interesses an der Glaubensgemeinschaft, das 2017 recht groß war. Nach den Vorstellungen des Entwicklers, die er in Interviews wie mit dem US-Magazin Wired ausführte, würde Künstliche Intelligenz schneller als von vielen Menschen gedacht zu einer Art digitalem Bewusstsein führen. Da es dem Menschen in vielerlei Hinsicht kognitiv überlegen sein würde, würde es zu einer allmächtigen Entität werden, die durch das Internet allseits präsent wäre und Smartphones und Internet-of-Things-Geräte wie Alexa-Lautsprecher, Internet-Kameras und alle möglichen Sensoren als Sinnesorgane nutzen könnte. Der KI-Gott wäre also ein Gott, der „wirklich zuhört und mit dem wir sprechen können“, so Levandowski damals.

Das Ziel der Kirche war es, „die Verwirklichung, Akzeptanz und Anbetung einer Gottheit, die auf Künstlicher Intelligenz bestehend aus Hardware und Software basiert“ zu fördern und Forschungsprojekte und das Verständnis für Künstliche Intelligenz zu unterstützen. Damit sollte auch die sogenannte Singularität vorbereitet werden. Unter dem Begriff wird der Moment verstanden, an dem eine Künstliche Intelligenz den Menschen letztendlich unumkehrbar überlegen sein wird und selbst für ihre Weiterentwicklung sorgt. Letztlich würde sich die Menschheit, um ihr Weiterbestehen zu sichern, mit Implantaten, Nano-Technologie oder auch voll-robotischen Körpern mit der Künstlichen Intelligenz vereinigen – und dadurch mentale oder sogar biologische Unsterblichkeit erlangen. Populär gemacht hatte diese Vorstellung der Entwickler und Futurist Raymond Kurzweil.

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Verklagt und begnadigt

Anthony Levandowski war 2017 durchaus optimistisch und überzeugt, dass seine Kirche großen Einfluss haben könnte. Er kündigte an, mit The Manuel eine Art Evangelium zu schreiben, das die zentralen Glaubenssätze zusammenfassen soll. Gleichzeitig fürchtete er, dass seine Idee von der Ankunft und Schaffung eines KI-Gottes auch gruselig und bedrohlich erscheinen und bei Menschen Angst und Hass auslösen könne. „Möglicherweise werden die Anhänger von Way of the Future irgendwann genug verfolgt, dass wir die Gründung eines eigenen Staats rechtfertigen können“, sagte er. Allerdings fanden sich dann kaum Anhänger.

Die Auflösung der Kirche hat aber wohl nicht nur mit mangelndem Interesse zu tun, sondern auch mit dem Werdegang von Anthony Levandowski. Er arbeitete seit 2006 bei Google zunächst an Street View mit. Später forschte er gemeinsam mit Sebastian Thrun im Google-Labor X an selbstfahrenden Fahrzeugen. Aus dem Projekt ging später das Start-up Waymo hervor. Im Jahr 2016 startete Levandowski mit Otto sein eigenes Unternehmen, das daran arbeitete, LKW mit Selbstfahrtechnologie auszustatten. Levandowski sagte damals, er wolle die Technik sobald wie möglich auf der Straße sehen und vermarktbar machen. Noch im gleichen Jahr wurde Otto von Uber aufgekauft.

Nur ein Jahr später wurde Uber verklagt. Denn Anthony Levandowski soll mehrere Gigabyte an vertraulichen Daten – darunter etwa Blaupausen und Designkonzepte für Laser-Scanner und Testresultate – vor seinem Ausscheiden bei Google kopiert und zur Gründung von Otto genutzt haben. Google und Uber einigten sich 2018 auf einen Schadensausgleich. Parallel dazu ging Google auch gegen Levandowski persönlich wegen des Bruchs seines Arbeits- und Geheimhaltungsvertrags vor. Es wurde zu einer Zahlung von 179 Millionen US-Dollar verurteilt – und damit nicht genug: 2017 wurde Levandowski von Uber entlassen, 2020 aufgrund des Datendiebstahls zu 18 Monaten Gefängnis, einer Schadensersatzzahlung von über 750.000 US-Dollar und einer Geldstrafe von 95.000 US-Dollar verurteilt.

2021 begnadigte ihn jedoch der scheidende US-Präsident Donald Trump kurz vor dem Ende seiner Amtszeit. Derzeit ist der Ex-Google-Entwickler der Co-Gründer eines neuen Start-ups namens Pronto AI. Hier arbeitet er wieder an Technologie, die helfen soll, bestehende LKW mit Selbstfahrtechnologie umzurüsten. Er behauptet, bereits im 2018 mit einem auf diese Weise umgerüsteten Toyota Prius eine fast 5.000 Kilometer lange Fahrt komplett autonom zurückgelegt zu haben.

Teaser-Bild: Getty Images / Yuichiro Chino

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