Das gehypte Start-up Archer Aviation soll die Pläne für sein Flugtaxi nur gestohlen haben

Das Flugtaxi-Start-up Wisk verklagt die Konkurrenz. Denn das einst von Google-Gründer Larry Page gestartete Unternehmen glaubt, dass das Flugtaxi von Archer Aviation nur eine Kopie des eigenen Multikopters Cora darstellt. Angeblich haben ehemalige Wisk-Angestellte zahlreiche Design- und Technologiedokumente gestohlen.

Von Michael Förtsch

Der Google-Gründer Larry Page glaubt an den Erfolg von Flugautos und Flugtaxis – und hat in gleich mehrere Start-ups investiert. Eines davon, nämlich Kitty Hawk, hatte 2018 mit Cora den Prototypen eines Lufttaxis vorgestellt. Die Idee zu Cora stammt ursprünglich vom Luft- und Raumfahrtingenieur Ilan Kroo, der bereits seit 2010 von Larry Page selbst finanziert an einer Drohne für Passagierflüge arbeitete, dem Zee Aero Z-P2. Im Jahr 2019 hatten das Start-up Kitty Hawk und der Luftfahrtkonzern Boeing angekündigt, Cora mit einer neuen Firma namens Wisk Aero gemeinsam weiterzuentwickeln und eine Art Uber für Flugreisen zu starten. Das Unternehmen hat nun ein anderes Flugtaxi-Start-up verklagt. Denn es soll Cora einfach nachgebaut haben.

Erst im Frühling 2020 hat das 2018 gestartete Archer Aviation aus Santa Clara, Kalifornien überraschend enthüllt, woran es arbeitet. Nämlich ein Flugtaxi namens Maker, das mit zwei Reihen von Rotoren auf kurzen Flügeln ausgestattet ist, von denen die vorderste schwenkbar ist. Damit kann der Flieger nicht nur senkrecht starten und landen, sondern auch gleich einem Flugzeug sehr schnell und vergleichsweise energieeffizient geradeaus fliegen. Schon kurz nach der Vorstellung bemerkten viele, dass der Maker dem Flugauto Cora nicht nur optisch, sondern auch technisch zum Verwechseln ähnlich ist.

Laut Wisk Aero kommt das nicht von ungefähr. In einer Klage behauptet Wisk, dass Archer Aviation seinen Senkrechtstarter „auf geistigem Eigentum aufgebaut [hat], das nicht sein eigenes ist.“ Stattdessen wären technische Konzepte und Designs zum Einsatz gekommen, die von Wisk Aero beziehungsweise dem einstigen Cora-Entwickler Kitty Hawk gestohlen worden wären. Interne Aufzeichnungen würden zeigen, dass von ehemaligen Angestellten vor ihrem Abgang auffällig viele Dateien und Testdaten heruntergeladen wurden, die in Teilen streng geheim oder patentiert sind.

Alles wie bei Uber?

Das Start-up Archer Aviation soll das Gros seiner Passagierdrohne tatsächlich binnen weniger Monate entwickelt haben – ohne vorher Konzepte auszuarbeiten, zu verwerfen oder Prototypen zu testen. Und zwar nachdem es zwischen 2019 und 2020 ganze 20 Ex-Wisk- beziehungsweise Kitty-Hawk-Entwickler aber auch ehemalige Ingenieure von Airbus’ Vahana-Projekt mit dem Versprechen hoher Gehälter abgeworben hat. Zuvor soll Archer Aviation „kein nennenswertes Geschäft“ und keine Technik gehabt haben. „Die Entwicklung einer völlig neuen Art von Passagierflugzeug erfordert [eigentlich] jahrelange Ingenieursarbeit und erhebliches Fachwissen“, heißt es in der Klageschrift.

Die Vorwürfe von Wisk könnten durchaus Folgen haben. Denn Archer Aviation will über die Fusion mit einem sogenannten SPAC-Unternehmen im zweiten Halbjahr 2021 den Börsengang wagen. Dazu hat das Start-up mit seinem Konzept bereits Investoren wie United Airlines, den Autokonzern Stellantis und den Milliardär Ken Moelis überzeugt. Ebenso sollen potentielle Kunden schon mehrere Exemplare der Passagierdrohnen geordert haben. Das könnte, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, zu hohen Schadensersatzzahlungen führen.

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Archer weißt die Vorwürfe von Wisk zurück. „Wir keinen Grund zu der Annahme, dass eine proprietäre Wisk-Technologie ihren Weg zu Archer gefunden hat“, heißt es in einem Statement gegenüber Bloomberg . Dennoch soll zumindest ein Archer-Angestellter derzeit aufgrund einer behördlichen Untersuchung freigestellt worden sein. Weitere Angestellte sollen Vorladungen erhalten haben.

Der Fall erinnert an eine Auseinandersetzung zwischen dem Google-Start-up Waymo und Uber. Waymo hatte Uber vorgeworfen, bei seiner Forschung an Selbstfahr-Taxis auf Technologie und Forschungsergebnisse zu setzen, die der Waymo-Entwickler Anthony Levandowski vor seinem Wechsel zu Uber gestohlen haben soll. Die Vorwürfe haben sich bestätigt. Google und Uber einigten sich auf einen Schadensausgleich. Darüber hinaus wurde Levandowski zu mehreren Monaten Gefängnis und Geldstrafen wegen Vertragsbruch und Bruch von Geheimhaltungsvereinbarungen verurteilt, die sich auf über 179 Millionen US-Dollar summieren. 2021 wurde Levandowski vom scheidenden US-Präsident Donald Trump kurz vor dem Ende seiner Amtszeit begnadigt.

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Teaser-Bild: Archer Aviation

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