Data Center sind klimafreundlicher als bisher gedacht


Die großen Technologieunternehmen bauen und betreiben immer größere Rechenzentren. Die sind zwar Energiefresser. Doch sie werden auch immer stärker auf Effizienz optimiert. Daher steigt ihr Strombedarf weit langsamer als bisher gedacht.

Von Michael Förtsch

Es ist stimmt, auch das Internet ist ein Treiber des Klimawandels. Denn Computer, Smartphones und Router verbrauchen jede Menge Strom. Der wird oft noch mit fossilen Brennstoffen produziert. Jedes YouTube-Video, jeder Netflix-Film und jede geladene Datei hat einen CO2-Fußabdruck – selbst wenn der im Einzelfall nicht allzu groß sein mag. Außerdem wachsen die digitale Sphäre und das Internet stetig. Und für all das braucht es immer mehr Server, die meist in jenen gigantischen Data Centern in ewig langen Regalen untergebracht sind. Daher wurde schon länger befürchtet, dass der Strombedarf des Internets rasend ansteigen würde. Wie jetzt allerdings eine Studie zeigt, steigt der Stromverbrauch nicht im gleichen Maße wie das Internet und die darin vereinigte Rechenkraft anwächst.

Momentan sind Rechenzentren für knapp über ein Prozent des weltweiten Strombedarfs verantwortlich. Bisher sagten Prognosen, dass sich der Stromverbrauch bis ins Jahr 2021 verdoppeln und bis Ende des Jahrzehnts vielleicht sogar vervierfachen könnte. Denn Forscher gingen bislang davon aus, dass der Energieverbrauch nahezu proportional mit der verfügbaren Rechenleistung, den die Zentren bereitstellen, anwachsen würde. So war es von 2000 bis 2005. Doch in der neuen Studie, die nun im Science-Magazin veröffentlicht wurde, wird diese Grundannahme widerlegt.

Wissenschaftler der Northwestern University in Evanston, der University of California in Santa Barbara, des Lawrence Berkeley National Laboratory und der Analysefirma Koomey Analytics untersuchten dafür das Wachsen der Data Center von 2010 bis 2018. Wie die Forscher in ihrer Recalibrating global data center energy-use estimates getauften Untersuchung feststellen, hat sich in den acht beobachteten Jahren die durch Rechenzentren verfügbare Rechenleistung rund versechsfacht. In der gleichen Zeit stieg der Strombedarf jedoch nur um sechs Prozent – und nicht etwa um das Sechsfache. Der Grund dafür? Der liegt laut den Wissenschaftlern in der zunehmenden Nutzung der Cloud – und den rigorosen Sparbemühungen der Cloud- und Data-Center-Betreiber.

Schützt Cloud-Computing das Klima?

Das Cloud-Computing führte dazu, dass sowohl kleine Firmen als auch große Social-Media-, Streaming- und Daten-Konzerne ihre Dienste nur noch in wenigen Fällen auf eigenen Servern ablaufen lassen. Stattdessen mieten sie flexibel die nötigen Ressourcen wie Rechenkraft, Speicher, Datendurchsatz oder gesamte Infrastrukturen bei spezialisierten Anbietern – wie Amazon AWS, Google Cloud Platform, Microsoft Azure, IBM Cloud, Oracle Cloud oder Alibaba Cloud. Selbst Twitter, Netflix, Facebook und LinkedIn laufen in Teilen oder sogar gänzlich auf den Rechnern solcher Cloud-Anbietern. Deren Data Center sind rund um die Welt verteilt. Ihre Größe reicht von der eines Supermarkts bis hin zu Hallenkomplexen, die mehrere Fußballfelder durchmessen.

Damit diese Cloud-Computing-Dienste günstig angeboten werden können und sich für die Anbieter dennoch rechnen, sind die Rechenzentren auf massive Energieeffizienz hin optimiert. Das beginnt bei der Hardware, die möglichst wenig Wärme abstrahlen und Energie verbrauchen soll. Auch der Standort ist wichtig. Nicht wenige Rechenzentren werden gezielt an möglichst kühlen oder windigen Standorten gebaut, um die Serverräume nicht nur mit Klimaanlagen, sondern auch mit der Umgebungsluft zu kühlen. Dazu prognostizieren Künstliche Intelligenzen, wann der Bedarf an Rechenkraft am höchsten und niedrigsten sein dürfte. Sie fahren Rechner entsprechend flexibel herunter und hoch. Ebenso gibt es Software-Tools, die die Taktraten von Prozessoren an die laufenden Prozesse anpassen, um nicht unnötig Energie zu verschwenden.

„Die Leute meinen, dass riesige Data Center die bösen Energiefresser sind“, sagte Eric Masanet, einer der Studienautoren, der New York Times. „Aber diese Data Center sind die effizientesten in der ganzen Welt.“ Dafür hätte neben dem ökonomischen und finanziellen Antrieb auch ein neues Umweltbewusstsein bei den großen Tech-Konzernen gesorgt. Unternehmen wie Google, Microsoft und Amazon investieren mittlerweile auch in eigene Projekte zu erneuerbaren Energien, beteiligen sich an der Konstruktion von Wind- und Solarparks oder kaufen massiv grünen Strom, um ihre Energie- und CO2-Bilanz aufzubessern.

Die Studienautoren hoffen mit ihren Erkenntnissen, wie sie in einem Vorwort schreiben, „Entscheidungsträgern und Energieanalysten ein neu kalibriertes Verständnis des globalen Energieverbrauchs von Rechenzentren“ zu ermöglichen. Dadurch sollen sie kompetentere Entscheidungen über Bauprojekte und Förderprogramme treffen können. Dabei merken die Forscher aber auch an, dass die Entwicklung der Data Center stetig neu evaluiert werden müsste. Denn wie sich zeigte, können sich Entwicklungen in diesem sich schnell wandelnden Bereich binnen weniger Jahre umkehren und wandeln.

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Sehr interessanter Artikel!
Der Strombedarf der Datenzentren steigt zwar langsamer, aber es werden auch immer mehr Datenzentren gebaut, was eine kumulative Erhöhung des Energiebedarfs nach sich zieht. Wir könnten die Abwärme für die Kühlung für Nah- oder Fernwärme nutzen. Aber solange der Strombedarf des Internets nicht zu 100% durch Erneuerbare gedeckt ist, müssen wir alles kritisch betrachten :slightly_smiling_face:

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Die hier veröffentlichten Ergebnisse bringen (zum Glück) zusätzliche Evidenz in einige Konzepte, die bereits eine zeitlang existieren. Da ist erst mal das Thema Power Density, ein Parameter, nach dem der Energieverbrauch pro Recheneinheit misst (https://virtusdatacentres.com/item/389-power-density-the-real-benchmark-of-a-data-centre).
Des Weiteren gibt es aus meiner Sicht auch sehr griffige ökonomische Gründe, warum Cloud-Computing für viele Unternehmen die bessere Alternative zu eigenen Rechenzentren und für deren Betreiber ein lukratives Geschäftsmodell sein kann: https://napkin-math.every.to/p/intangible-assets-the-invisible-value

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