Darum suchen NASA-Forscher nach riesigen Alien-Maschinen im Weltraum

Die Suche nach intelligentem Leben im All ist ein mühsamer Prozess. Denn bisher lauschen Forscher vor allem nach Nachrichten von anderen Wesen – ohne Ergebnis. Eine NASA-Forscherin und ihr Team gehen jetzt einen anderen Weg. Sie suchen mit Unterstützung der US-Raumfahrtbehörde nach riesigen Bauwerken, die eine fortgeschrittene Zivilisation errichten könnte, um etwa die Energie ihrer Sonne zu ernten.

Von Michael Förtsch

Diese Entdeckung sorgte weltweit für Aufsehen, Spekulationen und Sensationsschlagzeilen: Im Jahr 2015 stellten Astronomen nach dem Studium von Daten des Kepler-Teleskops ein sonderbares Phänomen fest. Der 1.470 Lichtjahre von der Erde entfernte Stern KIC 8462852 – auch Tabbys Stern genannt – wurde während der Beobachtungen durch das Teleskop immer wieder verdunkelt. Um bis zu 22 Prozent nahm die Helligkeit des Sterns während der Observationsphasen ab. Das dürfte nicht so einfach passieren, urteilten die Forscher der Louisiana State University. Sterne wie unsere Sonne oder auch Tabbys Stern leuchten immer gleichmäßig. Sonnenflecken und andere Phänomene können zwar die Leuchtkraft dimmen, aber nicht in einem solchen Maß. Irgendetwas anderes musste also für die Schwankungen der Leuchtkraft verantwortlich sein.

Ideen und Mutmaßungen dazu, was für das merkwürdige Verhalten des „seltsamsten Sterns der Milchstraße“ verantwortlich sein könnte, gab es viele. Darunter die Hypothese, dass beispielsweise große Planeten die irdische Sichtlinie auf den Stern kreuzen. Auch ein dichtes Feld aus galaktischen Trümmern, das sich immer wieder vor den Stern schiebt, wurde als Erklärung angeführt. Eine weitere Mutmaßung, die einige Astronomen zurückhaltend, aber dennoch mit gewissem Ernst anführten, war etwas fantastischer: Sie stellten die Möglichkeit in den Raum, dass die sichtbare Verdunklung eine Technosignatur sein könnte. Der Effekt wäre demnach durch eine künstliche Konstruktion hervorgerufen worden – eine außerirdische Megastruktur –, die Teile der Oberfläche des Sterns verdeckte.

Eine Zivilisation, das war die Theorie, die in dem beobachteten Teil des Weltraums zu Hause ist, könnte den Stern beispielsweise mit einer Art von Dyson-Sphäre oder einem Dyson-Schwarm einfasst haben. Diese hypothetischen Maschinerien gehen auf den Physiker Freeman Dyson zurück, der annahm, dass eine entsprechend hochentwickelte Zivilisation riesige Schwärme von gigantischen Solar- oder anderen Energiekollektoren bauen könnte, die eine Sonne umkreisen – etwa in Form von geschlossenen Ringen, einzeln schwebender Platten, eines breiten Gürtels oder sogar einer den Stern gänzlich einfassenden Schale.

Durch solch einen Megabau könnte die abgestrahlte Energie eines Sternes effektiv und in großer Menge geerntet werden. „[Nikolai] Kardashev hat in den 1960ern die Idee populär gemacht, dass eine Zivilisation umso mehr Energie benötigt, je fortgeschrittener sie ist“, sagt Ann Marie Cody im Gespräch mit 1E9. Sie ist Astronomin am NASA Ames Research Center und dem SETI Institute. „Sobald der Energiebedarf über das hinauswächst, was ein Planet bieten kann, ist es möglich, dass außerirdische Wesen versuchen, maximale Energie von ihrem Wirtsstern zu gewinnen. Das wäre ein Grund, eine Dyson-Sphäre, Ringe, Panels oder andere große Objekte zu bauen.“

Kein Dyson-Konstruktion, jedenfalls nicht diesmal

Im Januar 2018 kam die Ernüchterung. Wie sich zeigte, ist mit ziemlicher Sicherheit keine Megastruktur für die Lichtschwankungen von KIC 8462852 verantwortlich. Stattdessen ergaben weitere Analysen des noch erkennbaren Sternenlichts, dass es wohl lediglich ein dichter Schleier aus feinstem Staub ist, der für den merkwürdigen Dimm-Effekt und eine leichte Rotverschiebung des Lichtes sorgt. Die Idee, dass riesenhafte Konstruktionen von außerirdischen Wesen für derartige Auffälligkeiten verantwortlich sein könnten, wollen Astronomen trotzdem nicht verwerfen. Ganz im Gegenteil. Einige Wissenschaftler und SETI-Forscher wie Ann Marie Cody und auch die NASA wollen aktiv nach Phänomenen suchen, die auf solche Alien-Artefakte hindeuten könnten. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dabei einen Fund zu machen, schwer abschätzbar ist.

Wir haben keine Ahnung, ob außerirdische Zivilisationen wirklich Megastrukturen bauen würden.

Ann Marie Cody

„Wir haben keine Ahnung, ob außerirdische Zivilisationen wirklich Megastrukturen bauen würden“, sagt Cody ganz offen. Möglicherweise sei es sogar etwas überheblich und irgendwie Menschen-zentrisch anzunehmen, dass extraterrestrische Spezies die gleichen Konzepte und Ideen entwickeln, wie es irdische Denker taten und tun. Schließlich könnten andere intelligente Wesen ganz andere Prioritäten und Technologien besitzen. „Andererseits ist es logisch, davon auszugehen, dass Energie ein universelles Bedürfnis darstellt“, argumentiert Cody. „Angesichts dessen wäre [die Vorstellung, dass Aliens Megastrukturen zur Energiegewinnung konstruieren] nicht so weit hergeholt.“

Aber nicht nur hypothetische Megakraftwerke wollen die Forscher ausmachen. Auch andere megastructures könnten irgendwo im All auf ihre Entdeckung warten. „Solche Megastrukturen können alle möglichen Arten von künstlichen Objekten sein“, sagt Cody. Selbst riesige artifizielle Welten wie bewohnbaren Scheiben, die der Science-Fiction-Autor und NASA-Forscher Dan Alderson erdachte, Ringe wie aus der Ringwelt-Romanserie, der Videospiel-Serie Halo und der Star-Wars-Serie The Book of Boba Fett wären theoretisch denkbar. „Vermutlich wäre ein gewisses Maß an Wartung [dieser Welten] erforderlich“, meint Cody. „Aber vielleicht könnte dies vom Heimatplaneten aus erledigt werden.“

Wir spähen schon ins All

Seit November 2020 ist Ann Marie Cody offiziell auf der Jagd nach den außerirdischen Megaingenieurs-Projekten. Denn Cody, ihre Mitstreiter am NASA Ames Research Center, bei den Alien-Such-Initiativen Breakthrough Listen und dem Berkeley SETI haben von der US-Raumfahrtbehörde die Mittel bekommen, um den gesamten Himmel nach Hinweisen auf diese Technosignaturen abzusuchen. Vor allem wird dem Team der Zugriff auf die Daten von TESS – dem Transiting Exoplanet Survey Satellite – gewährt, einem Weltraumteleskop, das für die Suche nach Exoplaneten entwickelt wurde und Bilder liefert, die 400 Mal größer ausfallen als jene sind, die das Kepler-Teleskop anfertigt.

Bereits im Jahr 2018 war TESS mit einer SpaceX-Rakete ins All gestartet und sammelte seitdem unzählige Daten. Alle 30 Minuten schießt die Kamera ein Bild des Himmels, das Millionen von Sternen enthält. Unter diesen hofft das kleine Team um Cody nun Indizien für Megastrukturen zu finden. „Wir analysieren momentan Daten von 50 Millionen bisher nie untersuchten Sternen“, so die NASA-Forscherin. „Wir versuchen herauszufinden, ob irgendeiner [der Sterne] Ereignisse einer Abblendung zeigt, die auf eine Verdeckung durch eine Megastruktur deutet.“ Oder anders gesagt: Die Forscher suchen nach genau der Art von Lichtphänomenen, die für die Aufregung um KIC 8462852 verantwortlich waren.

Hunderte oder sogar Tausende von Aufnahmen von einzelnen Sternen müssen von den Forschern abgeglichen werden, um derartige Schwankungen in der Lichtstärke auszumachen. Diese müssen dann darauf untersucht werden, ob sich diese Schwankungen nicht vielleicht mit bekannten Ursachen wie kreuzenden Exoplaneten, Asteroidengürteln oder auch Staubwolken erklären lassen. „Es ist eine Herausforderung“, sagt Cody daher. Denn zunächst müssen die in den letzten Jahren angefallenen TESS-Beobachtungsdaten von irrelevanten Daten gesäubert, aussichtsreiche Sterne ausgemacht, extrahiert und dann für eine Analyse vorbereitet werden. Dafür ist Rechenzeit auf den NASA-Supercomputern erforderlich, die wiederum rar ist.

Es ist wichtig, um unsere eigene Existenz in einen Kontext setzen zu können. Und die Entdeckung von Leben außerhalb unseres Sonnensystems könnte uns dabei sehr helfen.

Ann Marie Cody

Allzu bald, meint Ann Marie Cody, sei daher nicht mit einer Schlagzeile wie NASA-Forscher entdecken außerirdisches Megakraftwerk zu rechnen. Aber die Chancen der Menschheit, mögliche Hinweise auf eine fremde Zivilisation im All zu finden, stünden jetzt so gut wie nie zuvor. Insbesondere dank astronomischer Werkzeuge wie TESS und auch des neuen James Webb Space Telescopes, das zum Einsatz kommen könnte, falls das Team eine interessante Entdeckung machen sollte. „Wenn es zum Beispiel Anzeichen für eine Megastruktur gibt, die einen Stern umkreist“, so Cody, „dann könnten wir [mit dem James Webb Space Telescope] die sogenannte Abwärme feststellen, die von ihr im Infrarotbereich ausgeht.“

Kontakt oder kein Kontakt?

Dass irgendwo im Universum „irgendeine Art von Leben“ abseits dem auf der Erde existiert, da ist sich Ann Marie Cody ziemlich sicher. „Die Frage ist eher, ob es intelligent ist, und das ist ein ganz anderes Thema“, meint sie. Und falls anderes intelligentes Leben existiert, sei es schwierig zu sagen, wie lange und weit es sich entwickelt – sprich: ob es ein Stadium erreicht, in dem die Konstruktion von Megastrukturen für sie realistisch ist. Die Menschheit sei, wie sich zeigt, auf bestem Wege, auf die eigene Selbstzerstörung hinzuarbeiten bevor sie eine solche Entwicklungsstufe erklimmt. Damit ist die Suche nach solchen riesigen Maschinen im All auch eine Wette darauf, dass andere Spezies klüger und nachhaltiger agieren als die Menschheit.

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Dennoch oder auch deswegen sei die Fahndung nach Megastrukturen eine lohnenswerte Initiative, meinen Cody und ihr Team. „Ich glaube, die Menschheit muss wissen was es in unserer Galaxie und dem Universum dahinter gibt“, so die NASA-Forscherin. „Es ist wichtig, um unsere eigene Existenz in einen Kontext setzen zu können. Und die Entdeckung von Leben außerhalb unseres Sonnensystems könnte uns dabei sehr helfen.“

Was dann aus einer Entdeckung einer außerirdischen Spezies folgt und ob wir vielleicht den Kontakt suchen sollten, das lässt sich schwer sagen. Eine Zivilisation, die eine Megastruktur bauen kann, wäre deutlich weiter fortgeschritten als die Menschheit. „Ich würde vorschlagen, dann einfach zu beobachten und zuzuhören“, sagt Cody und stimmt damit Denkern wie Stephen Hawking zu. „Es wäre riskant, auf uns hinzuweisen. Schließlich haben wir keine Ahnung, ob eine fortgeschrittene Zivilisation den Drang und die Mittel haben könnte, um uns zu vernichten oder nicht.“

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