Schön, @IlonaP, dass du diese Beschreibung des Mitleids eines Menschen mit einem Tier geteilt hast!
Rosa Luxemburgs schillernder Name verleiht einer solchen Schilderung wohl auch noch mehr Aufmerksamkeit. Und die Tatsache in welcher Zeit und Lage sie ihren persönlichen Brief verfasste.
Genau das frage ich mich auch. Wie kann der Mensch so mit Tieren umgehen? In der Studie zu den 4 Ns wird eine plausible, wenn für mich auch nicht nachvollziehbare, Antwort formuliert: dass man sich den Tieren eben nicht nah fühlt, sondern ihnen kognitive Fähigkeiten abspricht. Wenn sie eher als Sachen gesehen werden ist der (kritisierte) Umgang moralisch weniger beachtenswert.
Naja, das erklärt ein Warum – warum es nicht beachtet wird. Aber, wenn man so will, nicht das Weshalb – weshalb erkennt man nicht die Leidensfähigkeiten und die Intelligenz zumindest der höheren Säugetiere an, die ja nachgewiesen ist…?
Diese Mensch-Tier Trennung scheint tief verankert zu sein, obwohl schon im 18 Jh. und spätestens durch Darwin der Mensch selbst als Tier klassifiziert wurde.
Zwei Aspekte in Deinem Kommentar sind mir besonders wichtig:
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der Begriff Nutztiere. Das Wort ist eines von dreien: Nutztiere, Heimtiere und Wildtiere. Das zeigt wie unterschiedlich der Mensch auf das Tier blickt und daraus einen Bezug dazu setzt. Somit verhält er sich auch unterschiedlich zu diesen Kategorien. Die Sprache macht die Haltung deutlich und das was man denkt als Recht zu haben. Den Hund der Nachbarin würde man nicht schlachten und räuchern, das nicht weniger intelligente Schwein des Bauern nebenan allerdings schon.
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Rosa Luxemburgs Vergleich des gequälten und leidenden Tieres, das alles versucht, das keine Schuld hat und das, wie ein bestraftes Kind, nicht weiß was es hätte machen sollen. Vielleicht wählt sie das Kind, weil es gegenüber den Erwachsenen wenig ausrichten kann, schwächer ist und eben unschuldiger. Hier könnte das oftmals negativ besetze Anthropomorphisieren gefunden werden. Wenn Menschen Tiere mit Menschen vergleichen und das als unangebracht interpretiert wird. Weil das Vermenschlichen ja etwas Naives hat (vgl. Lexikon der Mensch-Tier-Beziehungen, Bielefeld: transkript Verlag, 2015. S26f) und nicht relevant ist.
Aber, wenn ich die Dichotomie nicht sehe, sondern den Menschen auch als Tier erkenne, nämlich als einen Menschenaffen, dann ist Anthropomorphisieren wohl in sehr vielen Fällen kein Überschreiten einer unangebrachten Grenze. Sondern ein Anerkennen, dass Schmerz, Leid oder Freude sich auch in ihnen anfühlen muss, wie es sich in uns anfühlt. Ich denke, dass Empathie nicht etwas ist, was sich in die menschliche Definition einsperren lässt.
Du formulierst die Frage sehr schön:
Nur weil sie sich z.B. nicht elaboriert in unseren gesprochenen Sprachen ausdrücken, sollte man ihnen nicht mentales Vermögen absprechen. Wir lesen ihre Körpersprache intuitiv. Sie auch die unsere. Rosa Luxemburg beschreibt es uns:
„das, welches blutete, schaute dabei vor sich hin mit einem Ausdruck in dem schwarzen Gesicht und den sanften schwarzen Augen wie ein verweintes Kind“.
Ich glaube nicht an den konstruierten Unterschied und ich fühle mich einem leidenden, wie auch einem sich freuenden, Wesen empathisch verbunden. Wenn ich das Nichtsprachliche etwas frei mit „Stille“ gleichsetzen würde und mir erlaube an deine Frage anzuküpfen, kommt mir das Folgende in den Sinn:
Wie nah bin ich, der Mensch, diesem Tier?
Welches so anders ist, und doch wie meinesgleichen.
Ich frage mich, ist es nicht doch ein Wir?
Das uns nicht trennt und lesen lässt, die stillen Zeichen.