Wo ist das Web4? Jack Dorsey will mit Web5 eine dezentralisierte Web-Plattform bauen

Der ehemalige Twitter-Chef Jack Dorsey will das World Wide Web revolutionieren. Dafür will er das Web3 zurücklassen und das Web4 komplett überspringen. Sein Unternehmen TBD soll nämlich mit Web5 eine dezentralisierte Plattform entwickeln, die die Bitcoin-Blockchain als Rückgrat nutzt.

Von Michael Förtsch

Krempelt das Web3 das World Wide Web um? Ersetzen Wallets, Blockchains, Kryptowährungen und dezentrale Protokolle alsbald klassische Nutzerkonten, zentrale Datenbanken, Bezahldienste und die Infrastruktur von Internetriesen wie Google, Amazon und Facebook? Das ist es zumindest, wovon einige Internet- und Tech-Visionäre sowie Investoren überzeugt sind. Getrieben von der Blockchain-Technologie entstehen mit Ethereum, Tezos und anderen beachtliche Ökosysteme, die die Kunst-, Kultur- und auch Technologieszene aufmischen.

Andere sehen das Web3 hingegen als eine Reihe von zuweilen sehr teuren Pleiten und Pannen, die demonstrieren, dass viele der Web3-Technologien nicht zuverlässig und nutzerfreundlich sind. Wer am Ende Recht behält, ist noch nicht entschieden. Dennoch denkt Jack Dorsey, der einstige Twitter-Chef und Leiter des Bezahl- und Technologiekonzerns Block, schon jetzt zwei Schritte weiter. Er will das Web5 konzipieren.

Bereits im Juli 2021 hatte Jack Dorsey angekündigt, dass er eine neue Tochterfirma für seinen zu diesem Zeitpunkt noch Square genannten Zahlungsdienstleisters gegründet hat. Deren Name kündigte er als TBD – für: to be disclosed, to be discussed oder auch to be defined – an. Wie Dorsey jetzt bestätigte, ist TBD durchaus der reale Name der Firma, deren Ziel es sein soll, ein wirklich dezentrales Internet zu ermöglichen. Denn so essentiell der Gedanke der Dezentralisierung im Web3 ist: In vielen Fällen scheitern die digitalen Infrastrukturen und Dienste daran, diesem Anspruch gerecht zu werden. Und wenn nicht, dann sind sie allzu gerne nur umständlich nutzbar.

TBD soll, wie in einer Präsentation aufgeschlüsselt wird, eine Software-Plattform entwickeln, die die funktionierenden Technologien und Prinzipien des Web3 aufgreift und weiterentwickelt. Diese soll es Entwicklern dann erlauben, dezentralisierte Web-Applikationen zu bauen. Gestützt werden soll die Web5 getaufte Plattform – vergleichbar Blockchain-Nodes oder Teilnehmern eines Peer-to-Peer-Netzwerks – von verteilten Computer-Knoten, die jeder selbst einrichten und betreiben könne. Token und Konsensfindungsmodelle, die derzeit das Web3 ausmachen, soll es hingegen nicht geben. „Lasst mich das gleich klarstellen, Leute: Nein. Es gibt keine Token, in die man mit Web5 investieren kann“, schrieb Mike Brock, einer der Web5-Entwickler, auf Twitter.

Bitcoin als Basis

Der Kern des Web5 soll, beschreibt TBD, ein Identitätssystem sein – Decentralized Identifiers oder DIDs. Nutzer sollen sich Konten generieren können, deren Daten nicht bei Unternehmen oder Diensten gespeichert werden, sondern in eigenen Daten-Silos, die auf einem eigenen Computer-Knoten oder einem Computer-Knoten des Vertrauens eingelagert werden. Denn es gehe darum, dass Nutzer „ihre Daten besitzen“ und „ihre Identität kontrollieren“. Log-ins bei Diensten, Musik-Playlists, Social-Media-Einträge und mehr sollen dazu gehören. Diese Daten sollen sich mitnehmen lassen – wenn jemand beispielsweise zu einem neuen Musik-Streaming-Dienst wechselt, soll dieser die alte Playlist importieren können.

Das Web5 soll eine „neue Klasse von dezentralisierten Applikationen und Protokollen“ ermöglichen, heißt es auf der Website von TBD. Die Basis für die sogenannten Identitätsebene soll ION darstellen, ein bereits existentes Identitätssystem, das als sogenanntes Layer-2-Netzwerk parallel zur Bitcoin-Blockchain läuft. Verwaltet werden sollen die eigenen Identitäten über eine Wallet. Das sorgt auch für Kritik. Denn dadurch setzt Jack Dorseys Web5 unmittelbar auf Bitcoin.

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Der energieintensive Betrieb der Kryptowährung Bitcoin wird mehr und mehr zum Problem. Aktuellen Schätzungen zufolge verbrauchen die Mining-Rechner, die für die Bestätigung der Transaktionen und das Schaffen neuer Bitcoins verantwortlich sind, rund 130 Terawattstunden an elektrischem Strom pro Jahr – mehr als ganz Argentinien oder Norwegen. Auf EU-Ebene wurde daher zuletzt sogar ein Verbot des Handels mit Kryptowährungen debattiert, die auf das energieintensive Proof-of-Work-Verfahren setzen.

Laut TBD soll bereits am 1. Juli ein erster Entwurf der Spezifikationen für Web5 veröffentlicht werden – ebenso wie eine sogenannte Referenzimplementation. Zudem sind Entwickler aufgefordert, erste Ideen für Applikationen, Dienste und andere Nutzungsmöglichkeiten einzureichen und auf der Entwicklerplattform Github Kritik, Änderungsvorschläge und Einfälle beizutragen. Wieso Jack Dorsey und sein Team ihre Plattform Web5 tauften und nicht Web4, das ist bisher übrigens nicht klar. Einigen Kommentaren auf Twitter zufolge, wollte der einstige Twitter-Chef wohl etwas Abstand zum Web3 haben, das er in den vergangenen Monaten scharf kritisierte.

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