Wie die Ukraine günstige Drohnen für ihre Verteidigung nutzt

Der Krieg in der Ukraine dauert an. Gekämpft wird nicht nur mit Soldaten und Panzern, sondern auch mit Drohnen. Eine ukrainische Spezialeinheit setzt dabei auch auf Miniatur-Fluggeräte, die eigentlich nicht für den militärischen Einsatz gedacht sind.

Von Michael Förtsch

Seit Ende Februar dieses Jahres herrscht Krieg in Europa. Der russische Überfall auf die Ukraine dauert damit schon deutlich länger als es Experten für möglich hielten. Denn das ukrainische Militär und zahlreiche Freiwillige verteidigen das Land trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit sehr erfolgreich. Immer wieder schaffte es die Ukraine, russische Streitkräfte aufzuhalten, zu blockieren und zurückzudrängen – und macht die Invasion damit für Russland verlustreicher und teurer. Bei der Verteidigung der Ukraine spielen vor allem Drohnen eine immer größere Rolle – sowohl für Beobachtungs- als auch für Angriffsmissionen.

Insbesondere die in der Türkei gefertigte Kampfdrohne Baykar Bayraktar TB2 wurde von der Ukraine seit Beginn des Krieges immer wieder erfolgreich eingesetzt. Die derzeit über 50 Drohnen sollen Panzer, Raketenstellungen und Vorposten der russischen Armee zerstört haben. Eines der zwölf Meter breiten Miniaturflugzeuge soll sogar bei der Versenkung des russischen Schlachtkreuzers Moskwa eine entscheidende Rolle gespielt haben. Doch auch darüber hinaus wird das ferngesteuerte Flugarsenal von Kiew immer diverser.

Seit Ende April ist auch eine für Aufklärungs- und Beobachtungszwecke einwickelte Vector-Drohne von Quantum Systems aus der Nähe von München in der Ostukraine im Einsatz. Weitere sind unterwegs. Diese Drohnen sollen die in der Ukraine selbst gefertigten Leleka-100 unterstützen, die eingesetzt werden, um Artillerieschläge zu koordinieren. Auch US-amerikanischen Switchblade-Drohnen werden genutzt, die konzipiert sind, um sich mit einer Sprengladung auf Ziele zu stürzen. Ebenso will Japan die Ukraine mit Drohnen unterstützen. Daneben werden zunehmend Drohnen genutzt, die eigentlich nicht für den militärischen Gebrauch gedacht sind.

Modifizierte Aufklärer und Waffenträger

Seit Beginn des Krieges ist mit Aerorozvidka eine Spezialeinheit im Kampf gegen Russland im Einsatz, die 2014 als Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland gegründet wurde. Sie besteht derzeit aus rund 30 freiwilligen IT-Experten, Ingenieuren und Drohnennpiloten, die die ukrainischen Streitkräfte unterstützen wollen. Offiziell ist Aerorozvidka zwar eine Nichtregierungsorganisation, arbeitet aber als Luftaufklärungseinheit des ukrainischen Heeres – und zwar mit allem, was der freie Markt hergibt. Eingesetzt werden von Aerorozvidka nämlich insbesondere Quadcopter-Drohnen, die für Film- und Fotoproduktionen, die Landwirtschaft oder auch die Freizeit konstruiert werden.

Die Flotte von Aerorozvidka umfasst beispielsweise die Mavic 3 und die Phantom 3 von DJI, die EVO 2 von Autel, die Anafi von Parrot und weitere. Zahlreiche der über 30 Drohnen wurden den freiwilligen Drohnenkämpfern gespendet und von Aerorozvidka umgerüstet, um größere Akkus zu fassen oder Nachtsicht- und Wärmebildkameras tragen zu können. Die Daten und Live-Aufnahmen der Drohnen werden dann per Stream über das Satellitennetz von SpaceX’ Starlink direkt an Kommandostellen und Artillerieeinheiten weitergegeben, die dadurch die Lage einschätzen und Angriffe planen können.

Die Drohnen werden von der ukrainischen Spezialeinheit aber auch angepasst, um kleine Granaten wie vom Typ AG-17 zu schleppen, die bei stationären Waffensystemen und ungepanzerten Fahrzeugen durchaus Schaden anrichten können. Die Ingenieure haben eigens dafür Halte- und Abwurfmechanismen für verschiedene Typen entwickelt. Aerorozvidka baut auch gänzlich eigene Drohnen, wie die R-18, die über acht Rotoren verfügt. Sie kann neben einer Kamera auch eine fünf Kilogramm schwere Anti-Panzer-Granate hieven, die mit Finnen aus einem 3D-Drucker bestückt wird.

Nachschub ist schwer zu bekommen

Stand Ende April soll die Einheit täglich über 300 Flüge mit ihren Drohnen unternehmen und bereits Dutzende von russischen Fahrzeugen zerstört haben. Unter anderem soll das Team mehrere Attacken auf die Führungsfahrzeuge des russischen Konvois unternommen haben, der sich im März auf Kiew zubewegte. Dafür mussten sich kleine Teams aufgrund der begrenzten Reichweite der Drohnen dem Konvoi mit Geländefahrzeugen bis auf wenige Kilometer annähern, ohne entdeckt zu werden. Das Team bekommt aufgrund seiner Erfolge mittlerweile Unterstützung von offiziellen Stellen wie der Armee und dem Digitalministerium der Ukraine. Mehrheitlich werde die gesamte Operation der Einheit aber aus Spenden finanziert, was immer wieder zu finanziellen Engpässen führe.

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Auch sonst ist die Arbeit von Aerorozvidka nicht gerade leicht. Denn das Gros des Equipments und der Bauteile, die die Truppe benötigt, unterliegt strikten Ausfuhrkontrollen, was Lieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete betrifft. Daher seien die Drohnenbauer, wie The Guardian berichtet, auf ein Netzwerk aus Freunden und Unterstützern angewiesen, die die Teile im Ausland kaufen, um sie per Post zu schicken.

Das gleiche Problem gilt zunehmend auch für ganze Drohnen. Zuverlässige Lieferungen in die Ukraine werden stetig schwieriger oder dauern länger. Der chinesische Drohnenhersteller DJI hat zudem den Verkauf seiner Fluggeräte mittlerweile sowohl in Russland als auch der Ukraine, wie es in einem Pressestatement heißt, vorübergehend eingestellt. Denn das Unternehmen missbillige jeglichen Einsatz seiner Drohnen, um Schaden anzurichten oder Leid zu verursachen.

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