Web3 ohne Blockchain? Der Ex-Twitter-Chef Jack Dorsey arbeitet an einem neuen Social-Media-Projekt

Erst Ende letzten Jahres hat Jack Dorsey angekündigt, Twitter zu verlassen. Nun ist er im Aufsichtsrat von Bluesky, einem ausgegründeten Twitter-Projekt, das Konzepte und Technologien für dezentrale Social-Media-Dienste entwickeln soll. Bald will das Unternehmen einen Prototyp seiner Technik präsentieren.

Von Michael Förtsch

Das World Wide Web wird derzeit von nur wenigen und damit sehr mächtigen Firmen beherrscht. Insbesondere bei Social Media haben Nutzer kaum eine Chance, den dominanten Firmen wie Meta, Twitter, Google oder Tencent zu entkommen. Zwar existieren alternative Social-Media-Projekte wie WeMe, Mastodon, WT.social oder HumHub. Doch die können bisher nur in der Nische einen Erfolg verzeichnen. Im Dezember 2019 hatte Twitter eine Initiative angekündigt, um das zu ändern. Unter dem Namen Bluesky stellte die Social-Media-Firma aus New York City ein kleines Team auf, das an einem offenen Standard für dezentralisierte Social-Media-Plattformen arbeiten soll.

Die Idee war, so erklärte Jack Dorsey, eine Basistechnologie zu schaffen, auf die jeder aufbauen könne, um eine eigene Social-Media-Plattform zu schaffen, die mit anderen kompatibel ist, die auf die gleiche Protokoll-Technologie setzen. Jeder, der wolle, könnte dadurch also seine eigene Instanz eines solchen Social-Media-Networks auf einem eigenen Server betreiben und trotzdem mit Nachrichten, Kommentaren und anderen Inhalten von Nutzern aus aller Welt interagieren. Und das nach eigenen Regeln, was beispielsweise die Kuration durch einen Algorithmus angeht. Auch könnten solche Instanzen ganz eigene Benutzeroberflächen oder Zusatzfunktionen bieten.

Wie das Bluesky-Team jetzt angekündigt hat, hat sich das Projekt aus Twitter ausgegliedert und soll seine Arbeit als gemeinnütziges Unternehmen fortführen. Seine Anschubfinanzierung wird Bluesky zunächst von Twitter gestellt. Geleitet wird die Firma von der Entwicklerin Jay Graber, die unter anderem an der Kryptowährung zCash beteiligt war und die Social-Media- und Event-Plattform Happening entwickelt hat. Ebenso an der Führung werden aber auch Jack Dorsey und der einstige Jabber-Erfinder Jeremie Miller als Aufsichtsradmitglieder beteiligt sein.

Web 3… aber ohne Blockchain

Laut der Ankündigung von Bluesky ist es das Ziel, in den nächsten Jahren die „technische Grundlage“ für ein „offenes Ökosystem für soziale Medien [zu entwickeln], in dem Entwickler mehr Möglichkeiten zur Gestaltung und Innovation und die Nutzer mehr Auswahl und Kontrolle darüber haben, welche Dienste sie nutzen und wie sie soziale Medien insgesamt erleben“. Damit folgt Bluesky den Zielen, die zahlreiche Entwickler derzeit mit dem sogenannten Web3 verwirklichen wollen, das aufgrund seiner Zentrierung auf die Blockchain-Technologie allerdings vielfach kontrovers debattiert und kritisiert wird.

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Wie die Entwickler von Bluesky schreiben, „sehen [wir] Anwendungsfälle für Blockchains, aber Bluesky ist keine Blockchain und wir glauben, dass die Nutzbarkeit von Social-Web-Protokollen unabhängig von jedweder Blockchain möglich sein sollte“. Damit teilt Bluesky die Überzeugungen des Ex-Twitter-Chefs Jack Dorsey, der zwar als Verfechter der Kryptowährung Bitcoin, aber auch als Kritiker des sogenannten Web3 gilt. Laut Dorsey würden viele Web3-Projekte von allzu einflussreichen Investoren kontrolliert und wären nicht wirklich dezentralisiert.

Auch die Bluesky-Chefin Jay Graber sieht das Web3 in seinem aktuellen Zustand durchaus kritisch: Die Blockchain könne eine Technologie des Web3 sein, aber eben nur eine von vielen, die es erlaubt, ohne eine zentrale Instanz verschiedene Daten mittels kryptographischer Standards sicher zu verzeichnen, einem Autor zuzuschreiben und lesbar zu machen. Das ist ein Konzept, das Graber „Self-Certifying Protocols“ nennt – und das wohl der Kern von Bluesky werden soll. Laut der Pressemitteilung von Bluesky ist das Team derzeit dabei, einen Prototypen der Technologie fertig zu stellen, der demonstrieren soll, wie Bluesky funktionieren wird.

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Ich bin mal gespannt, ob die kommende EU-Regulierung (Digital Service/Markets Act) den Web3-Hype noch anfächert, oder ob es eine „Zwischenlösung“ geben wird, zB. den verstärkten Einsatz vom ActivityPub-Protokoll des W3C bei Social Media (https://www.w3.org/TR/activitypub/) oder vom Matrix-Protokoll bei Messengerdiensten.

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