Das Start-up Redwood Materials hat in den USA mehrere Hundert Millionen US-Dollar von Investoren einsammelt. Was es tut, ist die Batterien aus Elektroautos und Elektrogeräten zu recyclen. Das will es bald auch in Europa. Denn das wird eine der größten Herausforderungen einer Zukunft, die frei von fossilen Brennstoffen sein soll.
Von Michael Förtsch
Im Mai 2017 wurde mal wieder gerätselt. Wegen Elon Musk. Dem Tesla-Chef und SpaceX-Gründer wurde eine Verbindung zu einem neuen und ziemlich geheimnistuerischen Start-up nachgesagt, das der ehemalige Tesla-Mitarbeiter Jeffrey Brian ‚JB‘ Straubel gestartet hat. Nämlich Redwood Materials. Straubel war lange Jahre der Tesla-Technikchef, gilt als Vordenker der Mobilitäts-Elektrifizierung – er hatte im Jahr 2000 einen Porsche 944 auf Elektroantrieb umgerüstet – und als Planungsgenie, was die Skalierung von Geschäftsideen angeht. Mit an Bord hatte Straubel auch den ehemaligen Gigafactory-Planer Kevin Kassekert. Und nicht zuletzt stellte Elon Musk angeblich zusammen mit anderen Investoren eine Anschubfinanzierung von zwei Millionen US-Dollar für das Start-up bereit. Daher wurde schnell gemunkelt, dass Redwood eigentlich ein geheimes Tesla-Projekt sei.
Die Mutmaßungen um eine Zugehörigkeit zu Tesla wurden schnell dementiert. Aber was Redwood Materials nun für ein Unternehmen ist und was es tun will, darüber konnte dennoch eine ganze Weile nur gerätselt werden. Die Website des Unternehmens war spartanisch und gab lediglich an, dass mit „fortgeschrittenen Technologien“ an Recycling und Wiederverwertung gearbeitet werden sollte. So war das dann auch für fast zwei Jahre, in denen Redwood Materials ohne großes Aufheben arbeitete und forschte. Und zwar, wie dann 2020 bekannt wurde, daran, eines der größten Probleme der Elektrifizierung des Verkehrs und der digitalisierten Gesellschaft zu bekämpfen: den Schrott, der sich dadurch unmittelbar ansammeln wird – und es jetzt schon tut.
Denn was passiert mit all den Batterien, Akkumulatoren und dem Elektroschrott, wenn E-Autos, E-Bikes oder auch Smartphones und Laptops ihr Soll erfüllt haben – und entsorgt werden müssen? Derzeit landet viel davon einfach auf Sondermülldeponien oder wird in großen Containern nach China verschifft, wo nicht immer klar ist, was dann dort damit geschieht. Das ist für Umweltschützer und Aktivisten schon lange ein Thema. Denn insbesondere die Herstellung von Batterien, aber auch von anderen Elektronikartikel ist ein ressourcenaufwendiger Prozess – und viele der nötigen Metalle und seltenen Erden werden teuer und oft unter zweifelhaften Umständen gefördert. Also wäre es bitter nötig, diese dann wenigstens so effektiv wie möglich zu nutzen und wieder und wieder zu verwerten. Wenn es denn geht.
Tesla wurde in den vergangenen Jahren immer wieder dafür kritisiert, dass bei der in Kooperation mit Panasonic stattfindenden Batterieproduktion in der Gigafactory 1 in Nevada ein hoher Ausschuss entsteht. Also Batteriezellen, die fehlerhaft sind und dann in Containern eingelagert werden, ohne dass klar ist, was aus ihnen werden soll. Genau dieses Problem soll Redwood Materials lösen – und versucht es auch schon, wie Ende letzten Jahres das Wall Street Journal und die Financial Times berichteten. Die Mission des Start-ups ist es, Batterien erneut verwendbar zu machen. Und den Anfang machten dabei die Lithium-Ionen-Akkus von Tesla und Panasonic.
Nicht nur die Antwort auf den Müll
Geht es nach JB Straubel sollen in Zukunft kaum noch neue Materialien für Batterien gefördert werden. Oder zumindest deutlich weniger als jetzt. Der einstige Tesla-Techniker glaubt, dass sich Batterien viele Male aufbereiten, wiederverwerten und dann in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen lassen, um neue Batterien zu fertigen. Es sei auch bei dieser komplizierten Technik eine nicht vollständige, aber sehr weitgehende Kreislaufwirtschaft machbar. Nicht alleine was große Akkus von Elektroautos betrifft, sondern auch die kleineren und kleinen Batteriepakete, die in unseren smarten Geräten stecken.
„Es ist eine riesige, unerschlossene Ressource“, sagte Straubel im Gespräch mit der Financial Times. „Wenn wir 98 oder 99 Prozent dieser Materialien zurückgewinnen und wiederverwenden können, brauchen wir nicht sehr viel neues Material, um den gesamten Prozess am Laufen zu halten.“ Gelingt das, würde das nicht nur die Technologieindustrie deutlich sauberer und nachhaltiger machen. Es würde auch viele Unternehmen entlasten, die Fuhrparks mit Elektroautos betreiben oder defekte Geräte zurücknehmen und dann deren Batterien entsorgen müssen. Daher gehört auch Amazon zu den Investoren von Redwood Materials – das mittlerweile über 700 Millionen Euro Wagniskapital eingesammelt hat. Auch Straubel selbst soll mehrere Millionen in sein Unternehmen investiert haben.
Auf großen Freiflächen und in Hallen bei Carson City, Nevada werden Batterien, alte Smartphones, Laptops und andere Elektrogeräte gesammelt, von Arbeitern sortiert und soweit wie möglich zerlegt. Die eigentliche Wiederverwertung funktioniert dann bislang mittels einer Extraktion der wertvollen Rohstoffe aus den entsorgten Batterien und Geräten. In Öfen, die bis zu 1.500 Grad Celsius erreichen, werden die in den Geräten und Batterien enthaltenen Metalle und seltenen Erden heraus geschmolzen, aufgefangen, zermahlen und als Pulver gesammelt – wie genau das funktioniert, das ist Betriebsgeheimnis. Unter den gewonnen Rohstoffen sind Lithiumcarbonat, Nickel, Kobalt, Aluminium und Graphit. Zwischen 95 und 98 Prozent der in einem Akku enthaltenen Rohstoffe soll Redwood derzeit zurückgewinnen können.
Und das tut das Unternehmen schon sehr aktiv – auch bereits für andere Batteriezulieferer wie AESC, die die Akkus für Nissan fertigen. Alte und fehlerhafte Batterien mit einer Speicherkapazität von rund 3 Gigawattstunden werden von Redwood derzeit pro Jahr verarbeitet. Das wären die Akkupakete von 45.000 bis 60.000 E-Autos – oder 180.000.000 Batteriezellen. Rund 60 Tonnen an Batterie- und Elektroschrott werden pro Tag in das Zentrallager geliefert – mehr als das Unternehmen momentan verarbeiten kann. Die wiedergewonnenen Rohstoffe gehen direkt an Elektronikunternehmen und Batteriehersteller zurück, die sie für die Fertigung von neuen Akkumulatoren und anderen Geräten nutzen.
Redwood will nach Europa
Dienste wie von Redwood Materials sind bitter nötig. Die für die Batterieherstellung verwendeten Rohstoffe können nicht so schnell und umfangreich gefördert werden, wie sie für eine globale Umstellung von Verbrenner- auf Elektrofahrzeuge und die Anpassung der Stromnetze für erneuerbare Energien nötig sind. Außerdem macht eine strikte Wiederverwertung die Batterieproduzenten weniger von solchen Lieferungen abhängig, verkürzt Lieferwege und macht Batterien dadurch langfristig günstiger. Hinzu kommt, dass Hersteller von batteriebetriebenen Elektrogeräten zunehmend vom eigenen Batterie- und Elektroschrott überfordert sind. Redwood Materials will daher schnell und massiv größer werden.
Die Anlagen in Nevada sollen auf 550.000 Quadratmeter wachsen und mindestens ein weiterer Standort in den USA entstehen. Aber dabei soll es nicht bleiben. Denn da in den EU-Staaten die Aufbereitung von Alt-Batterien, wie auch in den USA, lange nicht als richtige, wichtige und sogar nötige Option erkannt wurde und bislang nur im kleinen Maßstab passiert und gefördert wird, will Redwood Materials bald auch nach Europa kommen. In Deutschland arbeiten bislang vor allem mittelständische Unternehmen wie Redux, Erlos und Duesenfeld am Batterie-Recycling. Aber das durchaus erfolgreich und, wenn nötig, sogar mit mobile Demontageanlagen, um teure und in Deutschland aufgrund von Gefahrgutvorschriften komplizierte Transporte zu vermeiden.
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Jetzt Mitglied werden!In China ist das Recycling von Batterien bereits ein Milliardenmarkt. Bis 2025, schätzten Industriebeobachter, könnten mit der Wiederaufbereitung und Wiederverwertung von Batterien in China über 15 Milliarden US-Dollar umgesetz werden. Allein seit 2018 wurden 27 Unternehmen in China gegründet, die Batterien aufbereiten und/oder deren Rohstoffe extrahieren wollen. Zu tun haben sie genug. 2020 wurden über 200.000 Tonnen an Batterien ausgemustert. Bis 2025 sollen es rund 750.000 Tonnen pro Jahr sein.
Gebt die alten Handys frei
So wichtig wie das Recyclen und das Wiedernutzbarmachen von alten Batterien ist, so wichtig ist es auch, sie erst mal in den Wiederverwertungsprozess zu bekommen. Das ist laut Redwood-Materials-Gründer Straubel wohl eine der größten Herausforderungen. Denn es gebe noch deutlich zu wenige Möglichkeiten für Menschen, Batterien so zu entsorgen, dass sie bei einem geeigneten Recycling-Unternehmen und nicht auf der Müllhalde landen. „Es herrscht da viel Konfusion und Unsicherheit“, sagt er. Dazu würden viele Batterien quasi wegschlossen – nämlich in den Rückteilen von alten Smartphones, kaputten Laptops und Kameras, die die Besitzer behalten, auch wenn sie sie nicht mehr brauchen.
Laut einer Studie von Bitcom lagern alleine in deutschen Haushalten 200 Millionen Alt-Handys, die nicht mehr genutzt werden. Es müssten Wege gefunden werden, solche „ungenutzten Ressourcen anzuzapfen, die wir in der Zukunft brauchen“, meint Straubel in einem Interview mit CNBC News. Es brauche wohl mehr Programme und Initiativen, die Menschen anregen, ihre alten und verwaisten Elektronikartikel aufzugeben. Denn auch das wäre nötig, um eine funktionierende und effektive Kreislaufwirtschaft in einer digitalisierten und elektrifizierten Gesellschaft aufzubauen.
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