In Stockholm wurden die Empfänger des diesjährigen Nobelpreises für Physik bekanntgegeben. Er geht an den Amerikaner John F. Clauser, den Franzosen Alain Aspect und den Österreicher Anton Zeilinger. Ohne ihre Ergebnisse bei der Erforschung von verschränkten Teilchen wären heutige Entwicklungen bei Quantencomputern, Quantenkommunikation oder Quantenkryptografie nicht möglich.
Von Wolfgang Kerler
Selbst Albert Einstein sprach von einer „spukhaften Fernwirkung“. Damit sollte klar sein, dass es bei der Quantenverschränkung um ein schwer zu begreifendes Phänomen geht. Der schwedische Physiker Thors Hans Hansson, selbst Mitglied des Nobelkomitees, zeigte kurz nach der Bekanntgabe der Preisträger vollen Körpereinsatz, um eben jene Verschränkung dennoch anschaulich zu erklären. Schließlich leisteten Clauser, Aspect und Zeilinger einen so wichtigen Beitrag zu ihrer Erforschung.
Wer Hanssons Performance inklusive einer angenehm simplen Präsentation und manipulierten Papierblättern sehen will, findet sie hier als Video. Hier die kurze Erklärung: Zwei Quantenteilchen, zum Beispiel Elektronen, lassen sich miteinander verschränken. Danach sind manche ihrer Eigenschaften voneinander abhängig. Verändert sich beispielsweise der Spin, also der Eigendrehimpuls, des einen Teilchens, verändert er sich unmittelbar auch beim anderen Teilchen. Selbst dann, wenn die Teilchen inzwischen räumlich getrennt voneinander sind. Scheinbar „spukhaft“ scheinen sie selbst über riesige Distanzen miteinander zu kommunizieren. Das sollte laut Einsteins Relativitätstheorie gar nicht möglich sein.
Was also steckt dahinter, fragte man sich, sobald das Phänomen entdeckt war. Niels Bohr oder Erwin Schrödinger argumentierten, dass Quantenmechanik eben so funktioniere. Einstein hingegen vermutete eine „verborgene“ Variable, die man noch nicht entdeckt hatte. Das war in den 1930ern. Danach diskutierte man jahrelang. „Es wurde zu einer eher philosophischen Debatte, um die sich die meisten Physiker nicht allzu sehr kümmerten“, so Thors Hans Hansson. Jedenfalls bis John Bell 1964 den theoretischen Beweis lieferte, dass Einstein Unrecht hatte. Die Quantenverschränkung, ganz ohne geheimnisvolle Variable, war real.
Bell hatte jedoch nur ein Gedankenexperiment geliefert, John Clauser, einer der diesjährigen Nobelpreisträger, wies schließlich nach, dass sich dieses auch im Labor nachvollziehen ließ. Verbleibende „Schlupflöcher“, wie Hansson erklärte, schloss später Alain Aspect, der zweite Preisträger des Jahres. Die Erkenntnisse der beiden Wissenschaftler hätten dazu geführt, dass sich Quantenphysiker fragen konnten, wie man die Verschränkung von Teilchen nutzen könnte. Und genau hierbei lieferte Anton Zeilinger, der dritte Preisträger, „bahnbrechende Beiträge“.
„Mr. Beam“ aus Österreich
Zwar sagte Anton Zeilinger, der telefonisch zur Pressekonferenz nach Stockholm zugeschaltet wurde, er sei überrascht über den Anruf des Komitees gewesen. Doch als möglicher Kandidat galt er schon lange – zumal er für seine Experimente in den Medien schon Namen wie „Quantenpapst“, „Hexenmeister aus Wien“ oder auch „Mr. Beam“ bekam.
1997 demonstrierten Zeilinger und sein Team erstmals, dass sich Quantenteilchen teleportieren – oder eben beamen – lassen. Dabei wird zwar keine Materie von A nach B gebracht, aber die vollständigen Informationen von Teilchen auf andere übertragen. Ohne Verschränkung wäre das unmöglich. Auch im Bereich der Verschlüsselung gehört Zeilinger zu den Pionieren. Öffentlichkeitswirksam führte er 2004 in Wien die erste quantenkryptographisch verschlüsselte Banküberweisung der Welt durch. Mit verschränkten Lichtteilchen wurden dabei die Schlüssel für die Nachrichtencodierung erzeugt, die Überweisung selbst lief über Glasfaserkabel.
In den vergangenen Jahren widmete sich Zeilinger dann der großen Vision eines weltumspannenden Quanteninternets per Satelliten. Und auch hier sorgte er mit anderen Forscherinnen und Forschern weltweit für Schlagzeilen. 2018 demonstrierten sie, dass Quantenkommunikation über eine Distanz von über 7.600 Kilometern – zwischen Österreich und China – mit einem Satelliten möglich ist. „Ziemlich eindrucksvoll“, kommentierte das Thors Hans Hansson. „Damit sind wir an vorderster Front der aktuellen Forschung.“
Das Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften, die den Nobelpreis vergibt, schreibt in ihrer Pressemitteilung, dass die Forschungsergebnisse von John F. Clauser, Alain Aspect und Anton Zeilinger den Weg für eine Reihe von Technologien bereiteten, die auf Quanteninformationen basieren – darunter Quantencomputer, Quantennetzwerke und eben quantenverschlüsselte Kommunikation.
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Jetzt Mitglied werden!In der kurzen Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Preisträger dämpfte Anton Zeilinger übrigens eine Hoffnung vieler Science-Fiction-Fans: „Die Teleportation von Menschen bleibt heute die gleiche Art von Science Fiction wie sie es immer war. In meinen Augen ist das keine Frage der Wissenschaft.“ Außerdem sagte er über sein Forschungsgebiet: „Der interessanter Punkt ist, dass manche der fundamentalen Fragen, die Fragen danach, was das wirklich ganz grundsätzlich bedeutet, immer noch nicht beantwortet sind.“
In der „spukhaften Fernwirkung“ der Quantenverschränkung steckt also das Potential für weitere Nobelpreise.
Bild von Anton Zeilinger von Jacqueline Godany von CC-BY 4.0, godany.com via Wikipedia
Titelbild: Shutterstock
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