Skispringen, Biathlon und Eishockey: Die Wintersportsaison ist in vollem Gange. Auch hier gehören neue Technologien und Regeländerungen zur Tagesordnung. In diesem Artikel stellen wir euch fünf Innovationen vor, die aktuell den Wintersport aufmischen. Von 3D-Scans im Skispringen über smarte Eishockey-Pucks, Künstliche Intelligenz im Eiskunstlauf bis zu Airbags bei der Skiabfahrt. Wir erklären euch, welche Chancen das bringen kann und warum manches durchaus kontrovers diskutiert wird.
Von Joanne Arkless
Vor einigen Tagen stürzte der norwegische Skifahrer Aleksander Aamodt Kilde bei einer Abfahrt während eines Wettkampfs in Wengen schwer. Der Top-Athlet musste mit dem Helikopter abtransportiert und noch am selben Tag operiert werden. Dem bis dato Weltranglisten-Dritten geht es zwar schon wieder besser, die Saison musste er trotzdem absagen. Und solche Horror-Unfälle sind kein Einzelfall. Bei den Wettbewerben Super-G und Abfahrt häufen sie sich in den letzten Wochen.
Um schwere Verletzungen durch Stürze bei über 100 km/h vorzubeugen, möchte der Internationale Ski-Verband (FIS) in der kommenden Saison Airbags für Skifahrer verpflichtend machen. Unternehmen wie Dainese, bekannt für Schutzausrüstung im Motorsport, haben die nötige Technologie entwickelt. Mit Hilfe von Algorithmen kann Software einen Sturz registrieren und dann den Airbag auslösen. Mit einer Sauerstoffkartusche werden dabei Luftkissen aufgefüllt, die den Sturz abfedern sollen. Das System wiegt etwa 800 Gramm, sieht nach einer Art Korsett aus, wird um den Oberkörper getragen und öffnet sich in 100 Millisekunden.
Im Jahr 2015 stürzte der Olympiasieger Matthias Mayer als erster Skifahrer mit einem solchen Airbag. Während Mayer selbst sagte, „es hätte alles viel schlimmer sein können“, verunsicherten seine zwei gebrochenen Brustwirbel die anderen Skifahrer. Wieso schützte ihn der Airbag nicht besser? Wurden seine Verletzungen vom Airbag verschlimmert? Seitdem wird die Technik heiß diskutiert. Nach wiederholten Wirbelverletzungen und ausgekugelten Schultern stieg man im Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) wieder auf herkömmliche Protektoren um, beispielsweise aus schlagfesten Kunststoffen. Und während Ski-Stars wie Marco Odermatt die geplante Airbag-Pflicht begrüßen, gibt es viele Kritiker wie Kilde oder James Crawford, die sich zum einen in ihrer Bewegungsfreiheit, zum anderen in ihrem Schutz eingeschränkt fühlen.
In einer Branche, in der Geschwindigkeit alles bestimmt, wird die Einführung neuer Technologien, wie in diesem Fall der Airbags, kontrovers diskutiert. Doch das ist nur ein Beispiel dafür, wie neue Technologien in den Wintersport einziehen. Hier kommen weitere.
Skispringen in Brasilien mit mobiler Schanze und 3D-gescannte Anzügen
Was tun, wenn es keinen Schnee zum Skispringen gibt? Diese Frage stellte sich auch der Renndirektor des Ski-Verbands FIS, Sandro Pertile. Seine Idee: eine mobile Skischanze, die auch in heiße Länder wie Brasilien oder Dubai transportiert werden kann.
Klimatische Veränderungen haben dazu geführt, dass man im Fernsehen immer häufiger Skispringen auf speziellen Matten verfolgen kann. Für Wettkämpfe braucht es also schon jetzt keinen Schnee mehr. Um die Popularität des Sports zu erhalten, kam der FIS-Direktor darauf aufbauend mit dem Vorschlag, Springen auch an untypischen Orten anzubieten, eben Dubai oder Brasilien. Die Idee stößt jedoch auf ein geteiltes Echo. Der deutsche Skispringer Philipp Raimund sieht das Springen in Ländern wie Dubai als „ein bisschen sinnlos“ an, erzählt er im Interview mit dem Münchner Merkur. Stephan Leyhe äußerte zudem Zweifel daran, ob Brasilianer überhaupt Interesse am Skispringen hätten. Die genaue technologische Umsetzung der Idee bleibt vorerst im Dunkeln, doch die Vision von globalen Skisprung-Events und Wettkämpfen auf Matten sorgt schon jetzt für Debatten.
Diese Saison bestimmt allerdings eine andere Technologie die Diskussionen im Skispringen. Nachdem bei den Olympischen Winterspielen 2022 zahlreiche Sportlerinnen und Sportler wie Katharina Schmid (geb. Althaus) aufgrund ihres Anzuges disqualifiziert wurden, gab es Fragen zu Objektivität und Fairness der Materialkontrolleure. Skisprunganzüge spielen im Skispringen eine entscheidende Rolle. Sind sie zu weit geschnitten, könnten Athleten einen unfairen Vorteil erlangen. Daher ist es wichtig sicherzustellen, dass kein Sportler durch übermäßig weite Anzüge einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt.
Um diesem Problem zu begegnen, hat FIS-Materialchef Christian Kathol eine innovative Lösung vorangetrieben – das 3D-System. Dabei ermöglichen digitale 3D-Körperscans präzise und automatische Messungen. Im Vergleich zu bisherigen Methoden minimiert das Manipulationsmöglichkeiten. Der Scanner vergleicht dabei den Körper des Springers in Unterwäsche mit dem im Anzug. Er erkennt Abweichungen und prüft die Regelkonformität des Anzugs. In nur wenigen Sekunden können so Disqualifikationen vor einem Sprung festgestellt werden und zugleich die Haltung des Springers überprüft werden.
Von den DSV-Adlern gab es gemischtes Feedback: Karl Geiger lobte die Initiative als Chance zur Fairness, während andere skeptisch reagierten. Ob das 3D-System die Diskussionen und Betrugsfälle dämpfen wird, bleibt abzuwarten. Nach zwei erfolgreichen Platzierungen bei der Vierschanzentournee und der PolSki-Tour von Andreas Wellinger werden wir aber bald wissen, wie die Skispringer bei der Skiflug-WM performen werden und ob es zu neuen Disqualifikationen per Körperscanner kommen wird.
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Jetzt Mitglied werden!Eiskalt und hochtechnologisch: Der Chip im Puck revolutioniert das Eishockey
In München soll 2024 die neue Eishockey-Arena SAP Garden eröffnet werden. Auch auf dem Eis gab es in letzter Zeit einige Neuerungen. Seit der letzten Eishockey-Saison mischt das finnische Unternehmen Wisehockey in der Welt der Pucks mit. Mit seinem smarten Puck möchte das Unternehmen neue Maßstäbe für die Erfassung und Auswertung von Echtzeitdaten wie Schussgeschwindigkeiten, die zurückgelegte Distanz einzelner Spieler und weiterer Daten setzen. Der smarte Puck soll herkömmliches Puck- und Spieler-Tracking per Kameras ersetzen und ermöglicht eine blitzschnelle Datenerhebung in Bruchteilen von Sekunden.
Seit Winter 2022 sind in jedem Spiel-Puck der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und auch in der Ausrüstung der Spieler leistungsstarke Chips integriert. Dies ermöglicht nicht nur den Teams neue taktische Perspektiven, sondern verspricht auch den Fans ein intensiveres Verfolgen von Spielen.
Von der Loipe ins Labor: Biathlon Nationalmannschaft im Windkanal von BMW
In zwei Wochen startet die Biathlon-WM und die deutschen Athleten und Athletinnen haben gezeigt, dass sie gute Chancen auf Podestplätze haben, es aber auch sehr knapp werden könnte. Bei der Generalprobe in Antholz am Wochenende belegte die deutsche Biathletin Vanessa Voigt beim Massenstart den vierten Rang mit einem fehlerfreien Schießen. Der routinierte Biathlet Benedikt Doll hatte hingegen große Probleme am Schießstand – mit 22 Fehlern in den letzten fünf Einzelrennen.
Um die Chancen auf eine erfolgreiche WM-Teilnahme zu erhöhen, arbeitet die deutsche Biathlon-Nationalmannschaft der Herren gemeinsam mit der BMW Group an der Optimierung von Materialien, Waffen und Athleten. Im Windkanal des Automobilherstellers sollen die Athleten nun ihre Zielpräzision verbessern.
Die Herren des Deutschen Skiverbandes (DSV) nutzten die kontrollierten Laborbedingungen des Aerolabs in München, um ihren stehenden Anschlag zu verbessern. Bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen wurde auf die Körperhaltung und die Bewegung der Waffe geachtet. Dabei hatten sie auch Sensoren unter den Fußsohlen der Langlaufschuhe, um Druckverteilung und Kraftangriffspunkt besser zu vermessen. „Am Gewehrlauf wurde eine Messeinrichtung montiert, die den Ziel- und Schussvorgang aufzeichnet“, berichtet die BMW Group in einem Artikel.
Der DSV-Bundestrainer für Wissenschaft und Technologie, Karlheinz Waibel, berichtet darin, er hätte die Zeit im Windkanal so geplant, um Fragen anzugehen, „die wir nicht beantworten konnten, weil wir dazu noch keine Erkenntnisse aus der Vergangenheit hatten. So entstehen weitere spannenden und pfiffige Ideen, die wir weiterverfolgen werden, zum Beispiel hinsichtlich aerodynamischer Optimierungen am Gewehr.“ Ergebnisse des außergewöhnlichen Trainings werden wir ab dem 7. Februar 2024 bei der Biathlon-WM nachvollziehen können.
Programmierte Perfektion: Wie Künstliche Intelligenz den Eiskunstlauf prägt
Bei den Olympischen Winterspielen 2022 stand die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Eiskunstlauf besonders im Fokus. Um sich auf ihre Wettbewerbe vorzubereiten, benutzten Athleten und Trainer Computermodelle, um deren Leistungen zu verbessern. Hierbei wurden Sprünge und Rotationen genauestens gemessen. Das Modell konnte an Hand von Daten die Körper der Athleten in ein 3D-Modell umsetzen, um technische Parameter zu beobachten, erklärt IOT World. Athleten konnten dadurch gezielter trainieren und Fehler korrigieren. Die Technologie soll außerdem dazu beitragen, Unterschiede zwischen Athleten besser wahrzunehmen, um so eine genauere Vergleichbarkeit zu garantieren.
Inmitten dieser faszinierenden Entwicklungen und kontroversen Debatten zeigt sich deutlich, dass der Wintersport nicht nur von Tradition, sondern auch von innovativen Technologien geprägt wird. Airbags im Skisport, mobile Skischanzen für exotische Orte, smarte Pucks im Eishockey und die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Eiskunstlauf verdeutlichen die ständige Suche nach Verbesserungen und neuen Perspektiven.
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