Der bisherige Social-Media-Außenseiter Oracle soll zukünftig das US-Geschäft von TikTok übernehmen. Denn das Angebot von Microsoft wurde von TikTok-Entwickler ByteDance abgelehnt. Doch auch beim Geschäft mit Oracle handelt es sich nicht um keinen Kauf, sondern um eine Partnerschaft.
Von Michael Förtsch
US-Präsident Donald Trump hatte dem TikTok-Entwickler ByteDance ein Ultimatum gesetzt. Bis zum 15. September sollte das Unternehmen entweder einen amerikanischen Partner für das US-Geschäft von TikTok finden oder würde ab jenem Tag aus „Sicherheitsgründen“ aus dem wichtigen Markt ausgeschlossen. Diese Deadline wird, wie es aussieht, eingehalten. Und das, obwohl es zum Schluss danach aussah, als würde der Versuch, TikTok zu „retten“, scheitern. Denn Microsoft, das viele Beobachter und Industrieexperten als den aussichtsreichsten Kandidaten sahen, musste aus den Verhandlungen aussteigen. ByteDance soll dem Windows- und Xbox-Konzern mitgeteilt haben, dass man nicht an das Unternehmen verkaufen wolle.
„Wir sind sicher, dass unser Vorschlag gut für die Nutzer der Plattform gewesen wäre und gleichzeitig die Interessen der nationalen Sicherheit geschützt hätte“, hieß es von Microsoft, das nicht nur das Geschäft für die USA, sondern auch für Australien, Kanada und Neuseeland übernehmen wollte. Der Software-Gigant aus Redmond hätte „erhebliche Änderungen“ an TikTok vornehmen wollen, um „den höchsten Standards für Sicherheit, Datenschutz, Online-Sicherheit und Bekämpfung von Desinformation“ zu entsprechen. Ob das ein Grund für die Absage war, ist unklar. Jedoch sagte Microsoft, dass man „gespannt [ist], wie sich der Dienst in diesen wichtigen Bereichen entwickelt“.
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Jetzt Mitglied werden!Wenig später berichteten erste Medien unter Berufung auf Insider, dass wohl ein echter Außenseiter den Zuschlag erhält: das Datenbank-, Server- und Cloud-Computing-Unternehmen Oracle, das vom Milliardär Larry Ellison gegründet worden war. Am Montag gegen 2:00 Uhr deutscher Zeit wurden diese Gerüchte bestätigt. Das Unternehmen, das in Zusammenarbeit mit Investoren ein Angebot an ByteDance unterbreitet hatte, soll die US-Sparte von TikTok jedoch nicht einfach kaufen. Stattdessen soll Oracle das US-Geschäft von TikTok als „trusted tech partner“ übernehmen. Das bedeutet: TikTok wäre auch in den USA weiterhin im Besitz von ByteDance. Jedoch würde das Social Network in den USA von Oracle betrieben.
Kein Verkauf, sondern eine Partnerschaft
Nach der Übereinkunft von ByteDance und Oracle würde TikTok auf einer von Oracle geführten Server-Infrastruktur laufen – und die Verwaltung von US-Benutzerdaten damit in den Händen eines US-Unternehmens liegen. Damit dürfte auch das größte Problem eines traditionellen Verkaufs aus dem dem Weg sein: ByteDance hatte ausgeschlossen, den Algorithmus zu veräußern oder zu transferieren, der den Erfolg von TikTok ausmacht. Der würde zwar nun auf Servern von Oracle laufen, wäre aber weiterhin Eigentum von ByteDance und würde von dessen Entwicklern gepflegt und weiterentwickelt.
Die Übereinkunft von ByteDance und Oracle ist noch nicht endgültig. Sie muss erst noch von der US-Regierung und auch chinesischen Beamten abgesegnet werden, schreibt das Wall Street Journal mit Berufung auf eine „mit der Angelegenheit vertraute Person“. Allerdings dürfte es da keine großen Hindernisse geben. Oracle hat bereits mehrfach mit Regierungsstellen zusammengearbeitet. Ebenso soll Oracle einer der Favoriten von Donald Trump sein – auch da Oracle-Gründer Larry Ellison einer der wenigen Tech-Unternehmer ist, der Donald Trump beispielsweise mit Spendenaktionen unterstützt. Trump sagte: „ Nun, ich denke, Oracle ist ein großartiges Unternehmen und ich denke, sein Eigentümer ist ein enormer Typ, eine enorme Persönlichkeit. Ich denke, Oracle könnte sicherlich damit umgehen.“
Oracle soll im Vorfeld der Verhandlungen gute Beziehungen nach China aufgebaut haben. Dafür habe das Unternehmen nicht nur Gespräche mit ByteDance geführt, sondern auch Kontakt zu dessen Anteilseignern und Geldgebern gesucht, um Vertrauen in das Geschäft zu gewinnen. Für Oracle dürfte die TikTok-Partnerschaft eine große Chance darstellen, im umkämpften Social-Media-Markt eine starke Position einzunehmen. Aber gleichzeitig dürfte das Geschäft eine Herausforderung sein. Denn bislang hat das Unternehmen keine Erfahrung mit dem Betrieb von Social Networks.