Therapien gegen das Altern: Was würden unsterbliche Milliardäre für die Welt bedeuten?

Weltweit arbeiten Forscher daran, zahlreiche altersbedingte Krankheiten zu besiegen – und eventuell sogar das Altern selbst. Vor allem Milliardäre fördern diese Forschung mit hohen Summen. Einige Wissenschaftler sehen das kritisch. Denn auf diese Weise könne eine Klasse von unsterblichen Superreichen entstehen.

Von Michael Förtsch

Gerade erst ist einem Biotech-Start-up aus San Diego angeblich ein Durchbruch gelungen. Forscher von Rejuvenate Bio behaupten, sie hätten es geschafft, die Lebenspanne von alternden Mäusen deutlich zu verlängern. Mit einer Injektion von verschiedenen Proteinen, die in Embryonen gefunden werden, sollen die Gene der kleinen Nager umprogrammiert worden sein. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe hätten die behandelten Mäuse 18 statt nur neun Wochen an Restlebenszeit im hohen Alter aufgewiesen. Laut Noah Davidson, dem Chef von Rejuvenate Bio, sei dieses Verfahren eine „mächtige Technologie“ und ein proof of concept, der zeige, was möglicherweise auch bei Menschen machbar ist. Zahlreiche weitere Start-ups und Forschungsgruppen versprechen ähnliches. Sie wollen altersbedingte Krankheiten eliminieren und das Altern selbst therapierbar machen.

Neue Behandlungsmethoden und Medikamente sollen dafür sorgen, dass die maximale Lebenspanne der menschlichen Spezies weiter und weiter nach oben verschoben wird. Oder Auswirkungen des Alters umgekehrt werden können. Und das wohl vor allem für jene, die es sich leisten können. Denn derartige Methoden und die besten Praktiken würden zuforderst und wahrscheinlich über lange Zeit exklusiv für Millionäre und Milliardäre zugänglich sein, fürchten nicht wenige. Insbesondere, wenn die Superreichen die Forschung an der sogenannten rejuvenation finanzieren.

Wie der Bioethiker Christopher Wareham von der Utrecht University nun gegenüber der Financial Times sagte, könnte das dramatische Folgen für die Gesellschaft haben. Denn es könnte die Verteilung von Geld und Macht noch weiter ins Ungleichgewicht bringen – und zu dystopischen Szenarien führen. „Je länger man lebt, desto größer wird der Reichtum, und je reicher man ist, desto mehr politischen Einfluss hat man“, sagt Wareham. „Es wird möglicherweise alle Arten von bestehenden Ungleichheiten verschärfen.“

Eine Dystopie wie in Neuromancer

Laut Christopher Wareham könnten sich Personen wie Jeff Bezos, Peter Thiel oder Brian Armstrong, die die Jungbrunnenforschung finanzieren, zu Einflussfiguren entwickeln, die massive Schäden anrichten könnten. Denn sie könnten durch ihr langes Leben, ihren finanziellen und politischen Einfluss die Innovation und Entwicklung einer Gesellschaft hemmen; das Etablieren und Durchsetzen von neuen Ideen und politische Richtungsänderungen verhindern. Ebenso könnten sie zu geradezu mythischen Figuren erwachsen, die Gefolgschaften aufbauen, die an ihrer Macht und ihrem Einfluss teilhaben wollen.

Diese Vorstellung erinnert an finstere Cyberpunk-Geschichten. In der Neuromancer -Saga von William Gibson hat der Industriekonzern der Familie Tessier-Ashpool etwa mehr Macht und Geld als viele Nationen angesammelt. Unsterblich sind dessen Mitglieder zwar in der Theorie nicht, in der Praxis jedoch schon. Die Herrschaft über das Konglomerat wird durch Klone der Familienmitglieder sichergestellt, die auf einer Orbitalstation abwechselnd die Firmengeschäfte leiten und in Krypokapseln über die normale Lebensspanne eines Menschen am Leben gehalten werden.

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Braucht es Regeln gegen unsterbliche Milliardäre?

Unternehmen wie Altos, das von Jeff Bezos mitfinanziert wird, proklamieren, dass sie mit ihrer Forschung natürlich so vielen Menschen wie möglichen helfen wollen. Auch Stiftungen wie die Hevolution Foundation, die die Forschung zur Behandlung des Altersprozesses fördern, wollen nur Programme unterstützen, die Produkte und Behandlungen entwickeln, die „demokratisiert“ werden könnten. Eine Behandlung, die eine Milliarde wert sei und nur einer kleinen Gruppe von Menschen helfen könne, sei „uninteressant“, sagt der Hevolution-Leiter Mehmood Khan etwa.

Der US-amerikanische Politiker, ehemalige Präsidentschaftskandidat und selbsternannte Transhumanist Zoltan Istvan fordert eine stärkere Forschung im Bereich der Lebensverlängerung und Unsterblichkeit. Er sieht aber ebenso die Gefahr, dass „als erstes die Wohlhabenden und Reichen davon profitieren“. Wie er gegenüber 1E9 sagte, müsse Druck aus der Gesellschaft und Politik kommen, um eine Vereinnahmung von möglichen Therapien durch eine wohlhabende Klasse zu verhindern. „Möglicherweise brauchen wir hier Gesetze und Regeln, die Macht und Einfluss begrenzen –, die sicherstellen, dass die Errungenschaften von technologischen und medizinischen Durchbrüchen zu allen Bevölkerungsschichten durchsickern.“

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