Seit Jahren diskutieren wir das Potential von Quantencomputern. Bei ihrer Entwicklung gab es echte Fortschritte. Trotzdem taugen heutige Systeme kaum für den Praxiseinsatz, denn sie machen Fehler – und den meisten Herstellern fehle sogar ein Fahrplan, um daran etwas zu ändern, sagt das Start-up QC Design aus Ulm. Mit lizensierbaren Bauplänen will es ihnen aus der Patsche helfen.
Von Wolfgang Kerler
Sie sollen die Entdeckung neuer Medikamente beschleunigen, den Straßenverkehr in Millionenstädten optimieren, der Wissenschaft zu Durchbrüchen verhelfen und das Geldanlegen an den globalen Finanzmärkten perfektionieren. Die Erwartungen an Quantencomputer sind gewaltig. Doch wer solche Ergebnisse von heutigen Quantenrechnern verlangt, könne auch gleich versuchen, ein modernes Smartphone mit den Vakuumröhren des frühen 20. Jahrhunderts zu betreiben.
So lässt sich ein Gastbeitrag zusammenfassen, den der Physiker Sankar Das Sarma von der University of Maryland vergangenes Jahr im MIT Technology Review veröffentlichte. Sein Fazit: Quantencomputer haben ein Hype-Problem.
Wie kommt er darauf? In Experimenten wurde bereits bewiesen, dass Quantencomputer klassischen Systemen bei bestimmten komplexen Aufgaben überlegen sind. Außerdem fließen seit Jahren Milliardensummen in die Entwicklung von Quantenhardware. Bei IBM, Google oder Microsoft genau wie bei Start-ups, die üppig mit Wagniskapital ausgestattet wurden. Entsprechend euphorisch fiel zum Teil die Berichterstattung aus. Und dennoch teilen alle heutigen Quantencomputer dasselbe Problem: Sie machen Fehler.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Fehlertoleranz
Quantencomputer arbeiten nicht mit Bits, sondern mit Quantenbits, also Qbits, weshalb sie sich zwei Quantenphänomene zunutze machen können: die Quantenverschränkung und die Superposition. Erst dadurch können sie komplexe Aufgaben viel schneller lösen als klassische Hochleistungscomputer, bisher vor allem in der Theorie. Doch Qubits haben einen großen Haken: Sie sind anfällig für Umwelteinflüsse, selbst bei sehr niedrigen Temperaturen und im Vakuum. Schon winzige Interaktionen mit Qubits können die Quanteneffekte zerstören und Berechnungen verfälschen.
Um Quantenrechner trotz dieser Einschränkung nutzbar zu machen, wird nach Möglichkeiten der quantum error correction gesucht, der Quantenfehlerkorrektur. Ziemlich sicher wird es dafür deutlich mehr Qubits brauchen als die 433, über die der aktuell leistungsfähigste Quantenprozessor von IBM namens Osprey verfügt. Denn dabei handelt es sich nur um physikalische Qubits mit ihrer Fehleranfälligkeit. Angestrebt werden jedoch logische Qubits, mit denen verlässlich gerechnet werden kann. Gebildet werden diese, indem viele, vielleicht sogar Hunderte physikalische Qubits zu logischen Qubits kombiniert werden. Mit ihnen könnten fehlertolerante Systeme konstruiert werden.
„Damit Quantencomputer ihr wahres Versprechen auch einlösen können, braucht es Fehlertoleranz“, sagt Ish Dhand zu 1E9, der seit Jahren an Quantencomputern forscht und das Ulmer Start-up QC Design mitgegründet hat. Bahnbrechende Anwendungen erforderten 100.000 nahezu perfekte Quantengatter, die auf Hunderten von logischen Qubits implementiert seien. „Das ist nur auf einem fehlertoleranten Quantencomputer möglich, in dem Millionen von unvollkommenen Qubits zu wenigen, aber nahezu perfekten Qubits zusammengesetzt werden.“
Die Lösung des Problems scheint also auf der Hand zu liegen. Doch wie so oft bei Quantencomputern ist es äußerst komplex, die Theorie in die Praxis umzusetzen.
QC Design will das ARM der Quantenwelt werden
Bisher, so Ish Dhand, hätten nur eine Handvoll gut finanzierter Start-ups, zum Beispiel PsiQuantum oder Xanadu, sowie Big-Tech-Konzerne wie Google oder IBM eigene Blaupausen entwickelt, wie sie fehlertolerante Systeme mit Tausenden oder Millionen von physikalischen Qubits konstruieren könnten, die dann über genug logische Qubits verfügen. Die übrigen rund 50 Quantencomputer-Hersteller, darunter viele europäische Start-ups, hätten noch keine Roadmaps, um fehlertolerante Rechner zu bauen.
„Der Grund dafür ist, dass man zur Entwicklung solcher Blaupausen und Roadmaps Teams braucht, die nicht nur im Bereich der Hardware über fundiertes Fachwissen verfügen, sondern auch im Bereich der Fehlertoleranz“, meint Ish Dhand. „Außerdem benötigt man leistungsstarke Simulationswerkzeuge, deren Entwicklung Jahre und deren Implementierung Monate dauert.“
Für Start-ups, die bisher vor allem in die Weiterentwicklung ihrer Hardware investiert hätten, sei es kaum möglich, gegenüber der größeren Konkurrenz aufzuholen. Doch Ish Dhands Start-ups QC Design glaubt, eine Lösung für ihr Problem gefunden zu haben: Denn die Firma will Quantencomputerhersteller mit lizensierbaren Architekturen beziehungsweise Bauplänen für deren Quantenchips versorgen. Auch Softwarelösungen und Simulationstools hat QC Design im Angebot. Denn, so Ish Dhand, man verfüge genau über die Expertise, die es dafür braucht.
Damit sollen die Hersteller nicht nur aus ihrer bereits entwickelten Hardware mehr herausholen können, sondern auch schneller logische Qubits formen und ihre Systeme skalieren können. QC Design will sich dabei nicht auf eine bestimmten Plattform zur Entwicklung von Quantenrechnern fokussieren, zum Beispiel auf photonische Systeme oder supraleitende Qubits, sondern Architekturen für alle Plattformen anbieten. „Mit unseren lizensierbaren Architekturen ermöglichen wir es allen Hardware-Herstellern, mit der etablierten Konkurrenz zu konkurrieren und letztlich schneller zum Bau von fehlertoleranten Quantencomputern zu gelangen“, sagt Ish Dhand.
Kunden habe QC Design zwar noch nicht, sei aber im Gespräch mit mehreren Herstellern. Die Vision für sein Start-up ist, daraus das ARM Limited der Quantenbranche zu machen. Die britische Firma entwickelt höchst erfolgreich Architekturen für klassische Mikroprozessoren, stellt jedoch selbst keine Chips her, sondern vergibt Lizenzen. Zu den Kunden gehören Firmen wie Qualcomm, Apple oder auch Samsung.
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Jetzt Mitglied werden!Dass für derartige Lösungen auch bei Quantencomputern Bedarf besteht, zeigt auch das österreichische Start-up ParityQC, das sich ebenfalls auf die Entwicklung von Architekturen für Hardware-Hersteller spezialisiert hat – und bereits erste Aufträge erhalten hat. Es gehört zu einem Konsortium, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt damit betraut wurde, in den nächsten Jahren mehrere Quantencomputer zu bauen.
Was tun mit NISQ-Computern?
Eine Hoffnung der gesamten Branche ist, dass die aktuellen Quantencomputer mit all ihren Beschränkungen – deretwegen sie auch NISQ-Systeme genannt werden, was für Noisy Intermediate-Scale Quantum steht – mit den richtigen Hardware-Architekturen und der richtigen Software trotz allem praktischen Nutzen liefern können, der über wissenschaftliche Experimente hinausgeht. Bevor Quantenrechner mit Millionen von Qubits existieren.
Einen Beweis, dass dies möglich ist, wollte zuletzt IBM liefern. Der Computerhersteller ließ einen Quantencomputer und einen klassischen Supercomputer das Verhalten von Partikeln, zum Beispiel von Atomen, die in einem Raster angeordnet waren und interagierten, simulieren. Ab einer gewissen Anzahl von Partikeln lieferte der Supercomputer keine Resultate mehr, er war überfordert. Der Quantencomputer dagegen konnte die Simulation durchführen – auch wenn es nicht mehr möglich war, die Korrektheit seiner Berechnungen mit dem Supercomputer zu überprüfen.
Titelbild: Michael Förtsch, 1E9, mit Stable Diffusion
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