Wer kennt es nicht: Man macht eine kleine Pause auf der Couch, zieht das Handy raus und auf einmal ist eine Stunde vergangen. Wir verbringen Zeit mit toxischen Debatten, irrelevanten Shorts und verfolgen die Leben von Personen, die wir kaum kennen. Geht das auch besser? Wir haben mit einer Tech-Unternehmerin, einem millionenfach gefolgten Influencer, einer Psychologin, einem Kommunikationsexperten und einem Gen Z darüber gesprochen, wie sie Social Media sinnvoll nutzen – und um Tipps gebeten.
Von Joanne Arkless
Im Durchschnitt surfen wir in Deutschland etwa 20 Stunden pro Woche am Smartphone im Internet. Doch was machen wir eigentlich online? Die drei meist aufgerufenen Websites in Deutschland sind zurzeit Google, YouTube und Facebook.
Soziale Medien sind ein Hauptbestandteil unseres Lebens im Internet, privat, aber auch geschäftlich. Ich habe das für mich hinterfragt und in einem Selbstversuch 30 Tage ohne Instagram, YouTube und Facebook verbracht. Dabei habe ich gemerkt, dass ich eigentlich nicht so viel verpasst habe und ich in der Zeit extrem viele Krimis lesen konnte. Jetzt, da ich Social Media wieder nutze, frage ich mich, was ich anstellen muss, um nicht in alte Muster zu fallen.
Um diese Frage zu beantworten, habe ich Informationen zum nachhaltigen, verantwortungsvollen und gesunden Umgang mit sozialen Netzwerken gesammelt und dafür eine bunte Gruppe an Personen mit besonderer Expertise gefragt, welche Tipps sie uns mitgeben können und wie sie eigentlich Social Media nutzen. Am Ende des Artikels fasse ich euch die besten Learnings noch einmal zusammen!
Das hat der YouTuber tomatolix durch sein Digital-Detox-Experiment gelernt.
In unterhaltsamen Videos wie „In 7 Tagen zum Pro-Gamer!“ oder „Wie reich werde ich mit NFTs in 30 Tagen?“ zieht Felix aka tomatolix immer wieder neue Zuschauer an. Wir sind auf ihn durch sein Digital-Detox-Experiment: „Das passiert, wenn du Social Media löschst!“ aufmerksam geworden und haben ihm dazu einige Fragen gestellt.
Welche Social-Media-Kanäle hast du und wie nutzt du sie?
Tomatolix: Meine Hauptplattform ist YouTube, dort veröffentliche ich alle zwei Wochen ein neues Video. Ich mache Reportagen zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen, einmal in Form meines Formats „Selbstexperiment“ und in meinem Format „1 Tag lang“.
Ich versuche, aufklärerische Inhalte zu schaffen, die Menschen sowohl unterhalten als auch informieren. Ansonsten bin ich noch auf Instagram und TikTok aktiv. Da zeige ich Ausschnitte aus meiner Arbeit.
Was oder wen vermeidest du bewusst auf Social Media?
Tomatolix: Ich meide Inhalte, die mir nicht gut tun. Besonders Videos, die Hass und Gewalt zeigen. Aber auch Inhalte, die ein zu perfektes Leben zeigen, durch die ich mich schlecht fühlen könnte.
Du hast zwei Wochen komplett ohne Social Media verbracht und berichtest, was es dir genutzt hat. Welche Angewohnheiten hast du seit dem Experiment geändert?
Tomatolix: Ich habe in den zwei Wochen ohne Social Media gelernt, dass ich überhaupt nichts verpasse, wenn ich mal nicht die ganze Zeit auf Social Media abhänge. Außerdem habe ich mich dadurch viel befreiter gefühlt und habe mir mehr Zeit für meine Mitmenschen genommen. Seit dem Experiment versuche ich, meinen Social-Media-Konsum stark zu begrenzen und habe für jede App ein Zeitlimit festgelegt.
Du produzierst selbst Content für YouTube und andere Plattformen, bist also auch abhängig davon, wie viel Zeit Menschen online verbringen. Wie sollten Content Creator damit umgehen?
Tomatolix: Ich freue mich natürlich, wenn viele Menschen meine Inhalte anschauen. Und ich glaube auch, dass es wichtig ist, sich ab und zu mal eine Auszeit zu nehmen und sich ein unterhaltsames Video anzuschauen. Ich denke, Content Creator sollten immer wieder klar machen, dass auf Social Media nicht alles echt ist, und die richtigen Werte in ihrem Content vermitteln. Ich für meinen Teil versuche, Inhalte zu bieten, die auch einen Mehrwert für die Zuschauer haben.
Das, was man auf Social Media sieht, ist nicht echt.
Wenn du einen Tipp an jemanden geben könntest, der dir beim Umgang mit Social Media geholfen hat, welcher wäre das?
Tomatolix: Das, was man auf Social Media sieht, ist nicht echt. Jeder stellt sich auf eine gewisse Weise dar, aber niemand lebt das perfekte Traumleben. Du brauchst dich also nicht schlecht fühlen, das Leben der anderen ist nicht besser als deins!
Das sagt eine Psychologin zu Handysucht und Instagram Likes.
Viele Probleme, die wir im Umgang mit Sozialen Netzwerken haben, werden schon seit einigen Jahren erforscht. 1E9 hat mit der Psychologin Isabel Brandhorst über Handy-Sucht, Instagram-Likes und ihre Quelle kreativer Inspiration gesprochen
Würden Sie sagen, wir als Gesellschaft haben ein Problem mit der Zeit, die wir online verbringen, oder ist unser Konsum ein Teil des modernen Lebens?
Isabel Brandhorst: Ich würde sagen: sowohl als auch. Viele Menschen verbringen mehr Zeit im Internet, als sie eigentlich wollen oder es ihnen gut tun würde. Das ist übrigens nicht nur mein Eindruck, das sagen die Menschen auch über sich selbst. 72 Prozent der Jugendlichen finden gemäß einer repräsentativen Umfrage in Deutschland, dass es oft vorkommt, dass sie mehr Zeit am Handy verbringen als geplant. 53 Prozent sagen, dass sie es genießen, Zeit ohne Handy und Internet zu verbringen. 44 Prozent fühlen sich von den vielen Nachrichten auf dem Handy genervt. (JIM Studie)
Ab wann sprechen wir von einer Sucht und wie häufig beobachten Sie so etwas?
Isabel Brandhorst: Internationalen Studien zufolge liegt bei 7,02 Prozent der Bevölkerung eine Internetsucht vor. In Deutschland gehen Schätzungen bei Jugendlichen von einer Häufigkeit von 3,5 Prozent für die Computerspielstörung aus, von 2,6 Prozent für eine Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung und von 0,5 Prozent für eine Kombination der beiden. Von einer Sucht spricht man, wenn drei Kriterien über einen längeren Zeitraum, in der Regel zwölf Monate, erreicht sind: Kontrollverlust, Priorisierung gegenüber anderen Lebensbereichen, Fortführung der Nutzung trotz negativer Konsequenzen.
Kreative Inspirationen und News erhalte ich durch andere sinnvollere Quellen.
Benutzen Sie persönlich Social Media Kanäle? Wenn ja, wie nutzen Sie diese?
Isabel Brandhorst: Ich benutze täglich WhatsApp und schaue circa einmal im Monat auf Instagram, um die Fotografie-Arbeiten eines Freundes zu verfolgen. WhatsApp würde ich nicht mehr missen wollen. Es erleichtert meinen Alltag und macht mir Freude. Ansonsten bin ich kein großer Fan von sozialen Netzwerken wie Instagram, TikTok oder Facebook, da ich kein Vertrauen in den dortigen Datenschutz habe und mein persönliches Leben nicht der Öffentlichkeit preisgeben möchte. Außerdem halte ich die Filterblase, in die man durch die Algorithmen gerät, für sehr gefährlich. Kreative Inspirationen und News erhalte ich durch andere sinnvollere Quellen.
Haben Sie unangenehme Erfahrungen in sozialen Netzwerken gemacht?
Isabel Brandhorst: Meine unangenehme Erfahrung war die große Spannung auf die Reaktion anderer Menschen, wenn ich mal ein Bild gepostet habe. Das hat mich von meinem Alltag sehr abgelenkt und ich habe immer wieder geschaut, ob es neue Likes gibt.
Wenn Sie einen Tipp an jemanden geben könnten, der beim Umgang mit Social Media hilft, welcher wäre das?
Isabel Brandhorst: Es kann hilfreich sein, die Push-Nachrichten abzuschalten, damit man im Alltag nicht ständig verführt wird, soziale Medien zu nutzen. Wer die Zeit verliert, sobald er in sozialen Netzwerken ist, kann sich bestimmte Zeiten vornehmen, beispielsweise am Abend für ein oder zwei Stunden. Sinnvoll ist es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass soziale Medien einseitige Informationen und geschönte Bilder liefern – auch wenn dieses Bewusstsein nicht vor Beeinflussung schützt.
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Jetzt Mitglied werden!So nutzt die Unternehmerin Annabell Vacano Social Media für ihr Start-up.
Da viele die Plattformen auch beruflich nutzen, haben wir auch mit einer Unternehmerin über ihre Best Practices mit Social Media gesprochen. Annabell Vacano ist Mitgründerin von Atopia und setzt Social Media ein, um ihre Firma voranzubringen.
Welche Social Media Kanäle hast du und wie nutzt du sie?
Annabell Vacano: Social Media ist für mich mehr als nur ein Marketing-Tool, es ist eine Möglichkeit, eine Community zu schaffen. Auf LinkedIn poste ich wöchentlich, aber nicht nur Updates zu Atopia. Ich teile auch meine Gedanken zu aktuellen Ereignissen in der Kunstwelt, Highlights aus meiner Woche und sogar ein paar persönliche Momente, um meine Follower an meiner Reise teilhaben zu lassen.
Hat sich dein Verhalten auf Social Media verändert, seit du Gründerin geworden bist?
Annabell Vacano: Seit der Gründung von Atopia hat sich meine Herangehensweise an Social Media stark gewandelt. Früher war ich eher eine stille Beobachterin, die hin und wieder Inhalte teilte oder kommentierte. Jetzt, da ich die Verantwortung für eine Marke und ihre Botschaft trage, ist die Nutzung von Social Media für mich ein bewusster Akt. Es geht nicht mehr nur darum, was ich interessant oder teileswert finde, sondern auch darum, welche Botschaft ich vermitteln möchte und wie ich zur öffentlichen Diskussion beitrage.
Social Media ist nun ein integraler Bestandteil meines Führungsstils. Ich nutze es, um Transparenz zu schaffen, wichtige Anliegen zu kommunizieren und auch um anderen Gründerinnen und Gründern Mut zu machen. Letztlich betrachte ich Social Media jetzt als eine Erweiterung des Gesprächsraums, den Atopia in der physischen Welt zu schaffen versucht: einen Raum für den Austausch über Kunst, Kultur und die vielen Möglichkeiten, die sich durch Technologie ergeben.
Social Media ist nun ein integraler Bestandteil meines Führungsstils.
Euer Start-up entwickelt immersive Welten – siehst du die Zukunft von Social Media auch in XR, also in Extended Reality?
Annabell Vacano: Ich denke, soziale 3D-Plattformen wie Roblox oder Fortnite sind bereits jetzt das, was Soziale Medien für meine Generation vor zehn Jahren waren. In Anbetracht der Tatsache, dass Luxusmarken wie Burberry und Gucci digitale Versionen ihrer Produkte auf Plattformen wie Roblox anbieten, wird deutlich, wie immersiv und einflussreich diese virtuellen Welten bereits heute sind. Roblox, eine Alternative zur physischen Welt, die immer mehr als „Metaverse“ bezeichnet wird, hat mehr als 50 Millionen tägliche Nutzer, über 13 Prozent der US-Haushalte beherbergen mittlerweile mindestens eine VR-Bille.
Interessanterweise zeigt eine Umfrage von Business Insider vom November 2022, dass für zwei von fünf Personen der Generation Alpha (geboren seit 2010), die digitale Selbstdarstellung sogar wichtiger ist als die reale. Das spricht Bände darüber, wie XR und immersive Plattformen die Zukunft von Social Media prägen könnten. Wenn drei von vier bereit sind, Geld für digitale Mode auszugeben, dann verlagert sich nicht nur der Konsum, sondern auch die Selbstidentifikation in diese digitalen Räume.
Wenn du einen Tipp an jemanden geben könntest, der dir beim Umgang mit Social Media geholfen hat, welcher wäre das?
Annabell Vacano: Menschen folgen anderen dann, wenn sie das Gefühl haben, einen Mehrwert davon zu erhalten. Das bedeutet, dass das Wichtigste an Sozialen Medien ist, sich klare Ziele zu setzen (Wen möchte ich erreichen?), sich seine Zielgruppe und ihre Bedürfnisse anzusehen (Was hilft ihnen weiter?) und das ganze in ein authentisches Konzept zu übertragen (Warum bin ich die beste Person, um diese Informationen zu übermitteln?). Ein Mantra ist dabei immer: Wenn mich etwas in meinem Feed nerven würde, dann poste ich es nicht. Ich glaube, gerade auf LinkedIn könnte dieser Perspektivwechsel vielen Menschen helfen.
Was der Kommunikationsexperte Tilo Bonow zu Social Media sagt
Tilo Bonow gründete 2006 die PR-Agentur PIABO, die heute zu den führenden Agenturen der Digitalwirtschaft zählt. PIABO rief er ins Leben, um Tech-Unternehmer:innen dabei zu unterstützen, ihre Potenziale bestmöglich medial zu vermarkten, Wachstumsziele zu erreichen und die Marktführerschaft zu übernehmen. Wir haben mit ihm gesprochen, um herauszufinden, was wir von einem Kommunikationsexperten über unseren Umgang mit sozialen Medien lernen können.
Welche Social Media-Kanäle haben Sie und wie nutzen Sie diese?
Tilo Bonow: Wenn es um meine Präsenz in den sozialen Medien geht, setze ich vor allem auf LinkedIn. Für mich ist LinkedIn nicht nur eine Plattform der beruflichen Vernetzung, sondern auch ein zentrales Personal-Branding-Werkzeug. Hier teile ich regelmäßig Gedanken, Insights und Perspektiven zu den neuesten Entwicklungen in der Technologie- und Unternehmenswelt. Mein Ziel ist es, relevante Inhalte und Ideen, aber auch Personen, zu teilen, die für meine beruflichen Kontakte und Follower von Nutzen sind. Die sozialen Medien bieten mir die Möglichkeit, mit meiner Community in Kontakt zu bleiben und eine Brücke zwischen beruflicher Expertise und menschlicher Seite zu schlagen.
Und was posten Sie auf LinkedIn?
Tilo Bonow: Ein beliebtes und von mir entwickeltes Format ist „Follow Friday“: Hier poste ich jeden Freitag drei Personen aus meinem Netzwerk, denen man folgen sollte und die eine Relevanz in verschiedenen Bereichen haben. Nicht nur ich selbst nutze LinkedIn als Bühne, sondern ich möchte anderen Menschen damit auch eine Bühne geben und Sichtbarkeit schaffen.
Was finden Sie an den Kanälen wertvoll?
Tilo Bonow: Ich finde die Social-Media-Kanäle wertvoll, weil sie mir die Möglichkeit bieten, mich mit Gründer:innen, Investor:innen und Fachexpert:innen auf Augenhöhe auszutauschen. Insbesondere auf Linkedin schätze ich das gebündelte Netzwerk, das diese Zielgruppe anspricht. Auf LinkedIn, aber auch auf Instagram folge ich daher gezielt Personen und Organisationen, die in meinem beruflichen Bereich aktiv sind und relevante Informationen, Einblicke und Diskussionen teilen. Instagram ist natürlich dennoch einen Münz persönlicher im Einsatz.
Was oder wen vermeiden Sie bewusst auf Social Media?
Tilo Bonow: Ich vermeide bewusst unkonstruktive Auseinandersetzungen und negative Diskussionen auf Social Media. Es ist mir wichtig, eine positive und respektvolle Online-Präsenz zu pflegen. Zudem finde ich, dass es entscheidend ist, Social Media bewusst zu konsumieren und Inhalte kritisch zu hinterfragen, insbesondere im Zeitalter von KI und der Verbreitung von Fake News.
Wichtig ist, sich nicht in hitzige Diskussionen verwickeln zu lassen und der respektvolle Umgang miteinander.
Haben Sie unangenehme Erfahrungen gemacht? Und was haben Sie daraus gelernt?
Tilo Bonow: Wichtig ist, sich nicht in hitzige Diskussionen verwickeln zu lassen und der respektvolle Umgang miteinander. Wenn Konflikte entstehen, bleibe ich sachlich und höflich. Die heutige Flut an Informationen erfordert, dass wir kritisch denken und sorgfältig auswählen, was wir konsumieren und teilen. Einige bewährte Praktiken sind zudem das Festlegen klarer persönlicher Richtlinien für den Umgang mit negativem Feedback, das Ignorieren von Trollen und das Fokussieren auf konstruktive Diskussionen. Zudem ist es wichtig, aktiv zuzuhören und auf konstruktives Feedback einzugehen. Wenn nötig, kann es hilfreich sein, Offline-Konversationen zu suchen, um Missverständnisse zu klären.
Wenn Sie einen Tipp an jemanden geben könnten, der Ihnen beim Umgang mit Social Media geholfen hat, welcher wäre das?
Tilo Bonow: Mein Tipp ist, authentisch zu bleiben und echte Verbindungen zu Menschen aufzubauen. Konzentriert euch auf das Teilen von Inhalten, die Leidenschaft und Fachwissen zeigen. Wenn Meinungen unterschiedlich sind, gilt es respektvoll und geduldig zu bleiben. Und es ist auch mal in Ordnung, Pausen von den sozialen Medien zu nehmen, um sich zu erholen und zu reflektieren.
Was macht ein Gen Z im Umgang mit Sozialen Netzwerken anders?
Als Generation Z oder Gen Z versteht man die Nachfolger der Millennials und meint damit Menschen, die etwa zwischen 1997 und 2012 zur Welt gekommen sind, heute also etwa elf bis 26 Jahre alt sind. Technisch gesehen ist die Gen Z oft viel versierter als ihre Vorgänger, denn sie ist mit dem Internet groß geworden und kennt kein Leben ohne Handy und PC. Wir haben uns gefragt, was diese Generation aus diesen Erfahrungen gelernt hat und was wir uns davon abschauen können. Deshalb haben wir mit einem neunzehnjährigen Kunst- und Kommunikationsstudenten aus Berlin gesprochen, um neue Perspektiven zu gewinnen. Weil er einen sehr bewussten Umgang mit digitaler Öffentlichkeit hat, will er seinen Namen lieber nicht hier nennen.
Welche Social Media Kanäle hast du und wie nutzt du diese?
Gen Z: YouTube war lange meine Hauptplattform. Dort habe ich früher vor allem Minecraft- und Influencer-Content angesehen, was sich inzwischen zum Konsum von gut recherchierten und produzierten Long-Form-Content, wie Video Essays oder Dokumentationen entwickelt hat. Posten tue ich dort nicht.
Instagram benutze ich sehr wenig. Dort folge ich Freunden und ein paar Künstlern, aber ich habe inzwischen das Gefühl, dass die App ein bisschen tot ist. Ab und zu poste ich dort, um eine Art Portfolio zu haben, aber nicht um dort Reichweite aufzubauen.
Mit TikTok habe ich eine Love-Hate Beziehung, da die App einen sehr guten personalisierten Algorithmus hat, was dazu führt, dass man leicht ein bisschen addicted wird. Inhalte dort sind vor allem Entertainment und meist objektiv nicht wertvoll oder gut, sondern nur eine Ablenkung. Die App hat allerdings auch den Vorteil, dass die Barriere, Content zu kreieren, sehr niedrig ist und so jeder die Möglichkeit hat, die App als Creator zu nutzen. So herrscht dort ein aufpoliertes Bild von Personen im Vergleich zu gephotoshopten Instagram-Influencern.
Was oder wen vermeidest du bewusst auf Social Media?
Gen Z: Ich versuche Ragebait-Content [Ragebait ist ein Inhalt, der darauf abzielt, Menschen zu ärgern und zu verärgern] bzw. generell Hate-Content zu vermeiden. Das kann oft auch zum Beispiel News-Content sein, dessen Kommentarsektion negativ übernommen wurde.
Du bist mit Social Media aufgewachsen, welche Regeln gab es für dich in deiner Kindheit und Jugend bezüglich Social Media und Handy- oder Computernutzung? Und wie haben sich diese Regeln auf dein jetziges Verhalten ausgewirkt?
Gen Z: Bevor ich selbst ein Handy hatte, gab es Beschränkungen, was meine Nutzungszeit anging, deren Einhaltung eher weniger gut funktioniert hat. Nachdem ich elf oder zwölf war, hatte ich dann ein Handy, wo ich eigentlich einen unbeschränkten Zugriff auf das Internet hatte. Letzteres hat dazu beigetragen, dass ich jetzt schon ein bisschen „chronically online“ bin. [Der Begriff „chronisch online“ bezieht sich auf diejenigen, die viel Zeit online verbringen, oft bis zu dem Punkt, an dem sich ihre Persönlichkeit um Internet-Memes, Kultur und Slang dreht.] Aber das hatte auch positive Einflüsse auf mich, da ich mich online außerhalb meines kleinen, beschränkten Umfelds der echten Welt bewegen konnte.
Denkst du, du nutzt Social Media anders als ältere Generationen? Wenn ja, wie?
Gen Z: Junge Menschen, die mit Social Media aufgewachsen sind, nutzen es anders als ältere Generationen. Sie haben ein kollektives Verständnis der Internetkultur, was zum Beispiel Memes voraussetzen. Dies führt zu einer Abgrenzung von Altersgruppen.
Die Einführung von „Influencern“ als Vorbildern in ihren formierenden Jahren und der Wechsel von Plattformen wie YouTube zu TikTok, wo häufiger, kürzerer Content gepostet werden muss, hat die Hürden gesenkt, Influencer zu werden, was wiederum mehr Menschen dazu ermutigt, es zu versuchen.
Wenn du einen Tipp an jemanden geben könntest, der dir beim Umgang mit Social Media geholfen hat, welcher wäre das?
Gen Z: Dass man Konten auch blockieren kann, wenn der Account nervt oder einem nicht gefällt. Besonders bei „For You Page“-Anwendungen [Apps, die per Algorithmen Inhalte basierend auf persönlichen Interessen vorschlagen], wie zum Beispiel TikTok, kann dies sehr effizient sein. Ansonsten eben auch, dass man eigentlich nichts im Internet ernst nehmen sollte.
Das sagt die 1E9-Community zur Nutzung von Social Media.
Im Oktober haben wir die Mitglieder der 1E9-Community zu ihrer Meinung und Nutzung von Social Media gefragt. Die meisten Mitglieder besitzen Facebook, Instagram, X oder LinkedIn, setzen die Dienste inzwischen aber sehr bewusst ein. Die Tipps aus der Community ähneln daher den unserer Experten. Einig waren sich in der Umfrage alle darüber, dass Selbstdarstellung, Fake News und Hate-Content die reinste Zeitverschwendung auf Plattformen sind.
@felshocker hält es, zum Beispiel, für wichtig, sich hauptsächlich auf Informationsgewinnung zu konzentrieren, aber die erhaltenen Informationen kritisch zu prüfen. „Es braucht eindeutige Leitlinien und eine Befähigung im Sinne von Sozialkompetenzen der gesamten Bevölkerung“, sagt @heikologemann – fordert also auch die Schaffung einer neuen Medienkompetenz für alle Generationen. @heidischall gefällt an Social Media folgendes nicht: „Der negative Einfluss auf Politik und Gesellschaft, die Übermacht der Algorithmen, die Emotionalisierung von Fachthemen, die Vermarktung von Daten und Usern.“ Sie empfiehlt daher: „Feeds sorgfältig kuratieren, sich nicht scheuen, nervige Accounts zu muten oder zu blocken, versuchen, mit Accounts/Personen, die man wertvoll findet, auch auf anderen Wegen in Kontakt zu kommen.“
Immer wieder genannte Tipps aus der Community: wenige persönliche Daten teilen, nur eine limitierte Zeit auf den Plattformen verbringen und sich vorher klar machen, für was man soziale Netzwerke eigentlich nutzen möchte.
Hier meine Top-Fünf-Tipps der Experten:
Experten und Community-Mitglieder waren sich ziemlich einig, was die Nutzung von Sozialen Netzwerken angeht. Für mich persönlich ist es wichtig, meine eigenen Regeln für meine persönliche Nutzung festzulegen, das bedeutet bei mir: Instagram und Co. nur noch am Laptop und nicht mehr am Smartphone anzusehen. So bleibt man weniger beim Herunterscrollen hängen.
Hier habe ich noch die Tipps der Experten zusammengefasst, die mir am besten gefallen haben:
- YouTuber tomatolix : „Ich habe in den zwei Wochen ohne Social Media gelernt, dass ich überhaupt nichts verpasse, wenn ich mal nicht die ganze Zeit auf Social Media abhänge.“
- Die Psychologin Isabel Brandhorst rät dazu, sich bewusst zu machen, dass die Bilder in Sozialen Medien einseitig und geschönt sind.
- Unternehmerin Anabel Vacano von Atopia setzt Social Media als integralen Bestandteil ihres Führungsstils ein. Doch sie postet nichts, was sie selbst in ihrem Feed nerven würde.
- Tilo Bonow, Kommunikationsexperte warnt davor, sich auf hitzige Diskussionen einzulassen und rät dazu, eine gewisse Etikette zu wahren.
- Und unser Gen Z empfiehlt, nervige Accounts zu blockieren, sich nicht von den angepassten Inhalten der Algorithmen verleiten zu lassen und generell nichts im Internet zu ernst zu nehmen.
Wenn ihr noch weitere Ideen für unseren Umgang mit Sozialen Medien habt, lasst es uns in den Kommentaren wissen!
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