Ein britischer Architekt hat einen Weltraumaufzug entworfen. Der soll nicht nur Raketenflüge ins All ersetzen, sondern auch als luxuriöser Tourismushotspot funktionieren. Die Inspiration dafür kommt auch aus der Science Fiction.
Von Michael Förtsch
Wenn eine Rakete in den Weltraum startet, ist das ein Spektakel – nicht nur optisch: Eine Falcon 9 von SpaceX verbrennt etwa 500 Tonnen des flüssigen Sauerstoffs und des Raketentreibstoffs RP-1, um die Anziehungskraft der Erde zu überwinden. Selbst kleinere Raketen wie die Electron von Rocket Lab verfeuern über zehn Tonnen Treibstoff. Das ist nicht nur wenig umweltfreundlich und ziemlich teuer, sondern auch ineffizient. Deutlich nachhaltiger und günstiger wäre es, Satelliten, Fracht und Menschen einfach mit einem Aufzug in den Erdorbit zu transportieren: mit einem Space Elevator. Einen solchen hat nun der britische Architekt Jordan William Hughes entworfen – auch wenn er überzeugt ist, dass er dessen Umsetzung wohl nicht mehr erleben wird. Doch er will mit seinem Konzept ohnehin vor allem inspirieren.
Der Ascensio – englisch für Himmelfahrt – getaufte Weltraumaufzug gleicht einer Kulisse für einen Science-Fiction-Film. Seine Basis besteht aus einer künstlichen Insel im Meer, die mit Hafenanlagen, Stränden und vor allem einem riesigen Zentralgebäude bestückt ist, von dem aus dünne Tragseile in den Himmel ragen. An diesen sausen bis zu sechs vom Art-Deco-Stil inspirierte Kapseln über 26.000 Kilometer zu einer opulenten und verschwenderisch gestalteten Station, die als Sprungbrett ins All fungieren soll. Von dort aus sollen Raumfahrzeuge und Satelliten in den Kosmos gleiten. Teile der Station sollen sich in konstanter Rotation befinden und somit eine künstliche Schwerkraft für Hotel-, Forschungs- und Entwicklungsanlagen bieten. Einige Elemente sollen mit riesigen verglasten Röhren als schwerelose Touristenattraktion dienen. Am oberen Ende der Station wäre wiederum durch eine komplexe Kabelage ein Asteroid befestigt, der in 35.000 bis 36.000 Kilometern Höhe als Gegengewicht dient und die Seile gespannt hält.
„Ich glaube nicht, dass die ersten Iterationen eines Weltraumaufzugs so aussehen werden wie meiner“, sagt Jordan William Hughes, der für das renommierte Architekturbüro Fosters + Partner arbeitet, zu 1E9. „Sie werden wahrscheinlich sehr reduziert und auf den technischen Aspekt konzentriert sein. Aber ich wollte zeigen, was auf lange Sicht daraus werden kann. Mir war es wichtig, etwas Großes und Opulentes zu schaffen.“ Denn für den Architekten lässt sich ein solches Megaprojekt nicht nur mit dem rein praktischen Nutzen für die Raumfahrt rechtfertigen. „Ich möchte in einem rotierenden Restaurant mit Blick auf unseren schönen Planeten essen, ich möchte in einem gebogenen Pool tauchen, ich möchte in der Schwerelosigkeit schweben“, so Hughes. „Und es muss auch gut aussehen. Ich will nicht in so einem Aufzug nach oben fahren und dann den Tag in einer Aluminiumkiste verbringen.“
Eine seiner Inspirationsquellen? Science Fiction. Konkret: Die Serie Foundation, in der mit Star Bridge ein gigantischer Weltraumaufzug vorkommt, der auf dem dicht bevölkerten und nahezu komplett urbanisierten Planeten Trantor steht, dem Zentrum des Galaktischen Imperiums der Menschheit. Er besteht aus einer mehrere hundert Meter durchmessenden Röhre, die weit aus der Atmosphäre herausragt – und gleich in der ersten Folge der Serie gesprengt wird und auf die Planetenoberfläche stürzt. „Ich liebe den Weltraumfahrstuhl in Foundation“, sagt Hughes. „Aber er zeigt auch, dass ein turmartiger Weltraumfahrstuhl ein Fehler wäre. Bei einem Unfall würde die riesige Masse auf den Planeten krachen und Schaden anrichten.“
Eine alte Idee
Die Idee für einen Weltraumaufzug ist nicht neu. Bereits 1895 erdachte der russische Wissenschaftler Konstantin Ziolkowski einen 35.000 Kilometer hohen Turm, um den Zugang zum Weltraum zu erleichtern. Knapp 60 Jahre später schlug der sowjetische Forscher Juri Arzutanow vor, einen Satelliten ins All zu schießen und von diesem ein Seil auf die Erde herunterzulassen, der mit einem großen Gegengewicht hinter dem geostationären Orbit verbunden ist: Das ist das bis heute gültige Grundprinzip eines Space Elevators – auch beim Entwurf von Ascensio. Die Gravitation der Erde auf der einen Seite und die Fliehkraft, die auf dem Gegengewicht wirkt, sorgen zusammen dafür, dass das Seil gespannt bleibt und die Station sicher auf ihrer Position verharrt.
Seit mehreren Jahrzehnten existieren Forschungsgruppen und Projekte, die die Vision eines Weltraumaufzugs verwirklichen möchten. 2005 starteten die NASA und die Spaceward Foundation den Wettbewerb Elevator 2010, dessen Ziel es war, einzelne Systeme zu konzipieren, die für die Umsetzung eines Weltraumaufzugs relevant wären. An der TU München forscht die Studierendengruppe WARR space elevator an einem Konzept für einen solchen Lift und den nötigen Leichtbauteilen. Dazu existiert mit der LiftPort Group seit 2003 ein ganzes Unternehmen, dessen Ziel es ist, irgendwann einen Aufzug ins All zu bauen. Die Herausforderung dabei? Nicht nur die nötige Technologie zu entwickeln, sondern auch die passenden Materialien zu finden. Denn Stahlseile wie bei einem klassischen Aufzug taugen nicht für den Weltraumaufzug. Sie würden unter dem Druck ihres eigenen Gewichts, der schwankenden Belastung und den Temperaturänderungen über die Seillänge hinweg einfach zerreißen.
Das ist auch Jordan William Hughes bewusst. Er hofft darauf, dass aktuelle Forschungsbemühungen erfolgreich sein werden. Für die Seile sieht er Kohlenstoffnanoröhren als eine mögliche Lösung. „Das Material steckt natürlich noch in den Kinderschuhen und muss erheblich weiterentwickelt werden“, sagt er. Aber es sei aufgrund seiner Belastbarkeit und seines geringen Gewichts sehr vielversprechend. Mittlerweile gebe es außerdem andere aussichtsreiche Materialien, beispielsweise amorphe Siliziumkarbide, die sowohl leichtgewichtig sind als auch eine bislang ungekannte Zugfestigkeit zeigen. Für weitere Bestandteile des Aufzugs, zum Beispiel die Kapseln, sei Aerogel interessant – ein Material aus Silikat, Metalloxiden oder Polymeren, das hochstabil ist, aber zu über 99 Prozent aus leerem Raum besteht und entsprechend wenig wiegt.
Ein luxuriöser Ausflugsort
Der britische Architekt hat sich nicht nur bei den Materialien, sondern auch bei der Konstruktion seines Entwurfs einige Gedanken gemacht. Anders als bei fast allen Bauprojekten müsste bei einem Weltraumaufzug umgekehrt vorgegangen werden. Anstatt von unten nach oben zu bauen, müsste hier von oben nach unten gebaut werden. Angefangen beim Gegengewicht – einem Asteroiden, der erst einmal eingefangen und in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht werden müsste. „Von dort aus müsste das erste Seil langsam und vorsichtig herabgelassen werden“, sagt Jordan William Hughes. Um das erste Kabel zu sichern und dann weitere Kabel zu ziehen, müssten moderne Drohnen eingesetzt werden, die dafür wohl Tausende von Flügen absolvieren müssten. „Sobald die Sicherheit gewährleistet ist, können die ersten Kapseln aufgesetzt werden und der eigentliche Bau kann beginnen“, meint Hughes.
Ein solcher Weltraumlift, davon ist der Architekt fest überzeugt, wird in Zukunft gebaut werden – ob in 50, 100 oder noch mehr Jahren. Allein schon wegen der wirtschaftlichen Vorteile und Möglichkeiten, die er bieten würde. „Bereits die Einsparungen gegenüber dem Einsatz von Raketen wären enorm“, sagt er. Derzeit kostet es zwischen 1.500 und 20.000 US-Dollar, ein Kilogramm Nutzlast in den Weltraum zu befördern. Mit einem Weltraumlift „könnten die Kosten auf eine Handvoll Dollar sinken“. Innerhalb weniger Jahre könnten sich die Entwicklungs- und Baukosten amortisieren – vor allem, wenn man die eingesparten CO2-Emissionen mitrechnet.
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Jetzt Mitglied werden!Aber auch die Chancen für den Weltraumtourismus wären mit einem Weltraumlift enorm – etwa in Form von Luxushotels mit Blick auf die Erde und Erlebnisreisen in die Schwerelosigkeit. „Die Anfangskosten für ein solches Projekt wären gigantisch“, sagt Hughes. Deshalb seien private Unternehmen wie Hotelbetreiber und große Marken, die in einem solchen Weltraumlift Geschäftsmöglichkeiten für sich sehen, als Geldgeber und Projektpartner für ein solches kommerzielles Mega-Projekt wohl unverzichtbar – und in unserer globalisierten Welt auch ganz normal. „Ich selbst wäre auf jeden Fall dabei [was den Tourismus angeht]“, sagt der Architekt. „Ich würde den Weltraumaufzug selbst gerne besuchen.“
Der Weltraumaufzug von Jordan William Hughes wurde kürzlich beim internationalen Jacques-Rougerie-Wettbewerb in Paris in der Kategorie Architektur und Innovation für den Weltraum ausgezeichnet.
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