Die Fortschritte bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und Robotik sind gewaltig. Viele Menschen fürchten um ihre Anstellungen und Zukunft. Denn schon jetzt rollen erste automatisierte Lieferwagen über die Straßen und kleine Verlade-Roboter durch die Lagerhallen. Aber ist es die Schuld der Technik, wenn Jobs verschwinden?
Eine Analyse von Michael Förtsch
Sie kommen und nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg. Das ist die große Angst, wenn es um Roboter und Künstliche Intelligenzen geht. Und tatsächlich könnten in einigen Dekaden viele Jobs nicht mehr existieren, weil technologische Systeme sie besser, schneller und – ganz klar – günstiger erledigen. Dazu arbeiten sie rund um die Uhr, brauchen keinen Urlaub oder Raucherpausen. Taxifahrer, Call-Center-Mitarbeiter, Paketlieferanten, Finanzmanager, Börsenspekulatenten und, ja, sogar die Entwickler von Robotern und Künstlichen Intelligenzen selbst könnten zum Teil ersetzt werden. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der OECD, könnte ein Fünftel aller Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. In anderen Nationen sieht es nicht sonderlich anders aus.
Allerdings: Mein erster Satz da oben, der stimmt trotzdem nicht. Denn es ist nun echt nicht so, dass zahlreiche Roboter bereitstehen, an den Türen von Fabriken und Unternehmen rütteln und reihenweise Bewerbungen schreiben, um endlich arbeiten zu können. Kein Roboter will jemanden einen Arbeitsplatz stehlen. Stattdessen ist es so, wie Brian Merchant von Gizmodo richtigstellte, dass Firmeneigner und Manager ihre Angestellten durch Roboter ersetzen wollen – und werden. Es ist keine Unvermeidbarkeit, der sich Unternehmen beugen müssen, sondern deren willige Entscheidung. Keiner hindert sie daran, ihre menschliche Mitarbeiter zu behalten und auf Roboter und KI-Systeme zu verzichten.
Nicht Roboter, sondern Unternehmen nehmen euch die Jobs weg!
„Roboter werden eure Jobs wegnehmen“ ist ein falsches und verzerrendes Narrativ, ein eingeschliffenes und allzu gefälliges Frame, das Unternehmen, Manager und auch die Regierung aus der Verantwortung nimmt. Es zeichnet die Automatisierung als eine Art Naturgewalt, der wir handlungs- und schutzlos ausgeliefert sind. Aber dem ist nicht so! Entschließen sich große wie kleine Firmen dazu, sich der Automatisierung zu entziehen, werden keine Arbeitsplätze verloren gehen. Erlässt die Bundesregierung weitläufig Gesetze, die bestimmte Arbeitsbereiche für Roboter sperrt, werden diese weiterhin mit Menschen bestückt sein. Vor allem da Roboter und Künstliche Intelligenzen nicht immer und überall eine perfekte Arbeit abliefern werden, weil manchmal gesunder Menschenverstand, Menschlichkeit und Nähe gefordert sind. Roboter machen auch Fehler, weshalb Aufsicht notwendig ist.
Werden Unternehmen dennoch versuchen, Menschen durch Roboter ersetzen? Wird sich dadurch einiges ändern? Werden Hunderttausende oder gar Millionen Jobs verloren gehen? Ja, sicher! Aber Angestellte und die Regierung können beeinflussen, wann, wie schnell, wie reibungslos und wie flächendeckend es geschieht. Dafür ist es notwendig, dass die menschlichen Angestellten ihr Gesicht zeigen, ihre Besorgnis ausdrücken und ihr Recht einfordern, gehört zu werden und mitbestimmen zu können. Keiner sollte sich von Robotern in seiner Existenz bedroht fühlen oder vom technologischen Fortschritt in diesen Feldern. Es bringt nichts, auf Roboter wütend zu sein, auf sie zu schimpfen, kleine Lieferroboter auf dem Gehweg zu treten oder selbstfahrende Autos mit Steinen zu bewerfen. Denn: Das trifft einfach die Falschen! Zudem ist denen die Wut ebenso egal, wie es ihnen egal ist, ob sie einen Job haben oder nicht.
Natürlich können und sollten einige Berufe für Menschen gerne auch wegfallen. Keiner sollte Landflächen von Sprengminen bereinigen, giftige Abfälle entsorgen oder durch Abwassertunnel kriechen müssen, um Verstopfungen zu lösen. Und … war es eigentlich nicht mal unser Traum, dass die Roboter unsere Arbeit machen und wir uns der Kunst, Bildung, Wissenschaft und unseren Leidenschaften hingeben können – also eine Gesellschaft erschaffen, in der es nicht mehr nötig ist, dass Menschen Tag für Tag malochen? Genau! Warum haben wir dann Angst? Weil Regierungen, die Gesellschaft, die Industrie und die Kultur bisher keine Alternativen zu unserer Marktwirtschaft und Konsumgesellschaft zeichnen.
Eine Zukunft mit weniger Arbeit muss möglich sein!
Aber genau das wäre allmählich notwendig. Wir sollten endlich damit beginnen, uns eine funktionierende Welt vorzustellen, in der das Gros der Menschen nicht arbeiten wird und trotzdem ohne Nachteile gut und gerne leben kann. Wir haben Ansatzpunkte dafür – sie sind klein aber können entwickelt werden. Sei es die No-Growth Economy, eine Art bedingungsloses Grundeinkommen oder gar die komplette Abschaffung des Geldes, die Etablierung einer Alternativwährung, die moralische, ethische oder anderweitig gesellschaftspositive Aktivitäten belohnt – wie in Science-Ficton-Werken wie Down and Out in the Magic Kingdom. Natürlich, das klingt ambitioniert, spinnert und vielleicht sogar vollkommen bekloppt. Aber es muss eine Debatte darum geben, wie wir uns diesen Herausforderungen stellen. Tun wir das nicht, wird das dramatische Folgen für unsere Generation und noch viel mehr für die nachkommenden Generationen haben.
Dieser Beitrag erschien zuerst in Michael Förtschs Science-Fiction- und Zukunfts-Newsletter Azimut Futur. Er würde sich sehr über ein Abonnement durch euch freuen.
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