Münchner Studierende entwickeln eine Drohne, die Leben retten soll

Ein Team der TU München hat über das vergangene Jahr eine Transportdrohne entwickelt, die senkrecht starten und landen kann. Die soll nun zu einem echten Lebensretter werden. In wenigen Jahren könnte sie Defibrillatoren an Orte bringen, wo ein Krankenwagen zu spät kommen würde.

Von Michael Förtsch

Vor rund eineinhalb Jahren begann eine Gruppe von Studierenden an der Technischen Universität München mit der Arbeit an einer Drohne. Es ging ihnen nicht um einen einfachen Multikopter, wie er sich bei großen Online-Shops längst bestellen lässt, sondern um eine Mischung aus Flugzeug und Senkrechtstarter, die auch eine kleine Zuladung transportieren kann. Angestoßen wurde die Initiative vom Studenten Balazs Nagy, um, wie er sagte, „einfach, zu schauen, ob wir so ein Fluggerät bauen und was wir dabei erreichen können“. Schon Anfang dieses Jahrs hatten die Mitglieder der Horyzn getauften Studierendenvereinigung dann so einiges erreicht. Denn aus mehreren Prototypen und Abstürzen ging letztlich die dreieinhalb Meter breite Drohne Silencio Gamma hervor, die mit vier Rotoren senkrecht aufsteigen und mit zwei Propellern gleich einem Flugzeug fliegen kann.

Die Drohne war damit ein technischer Erfolg und eine beachtliche Leistung. Jedoch fehlte es noch an einem Einsatzzweck. Das Team spekulierte zunächst, dass sich damit in Windeseile dringend benötigte Blutkonserven transportieren ließen. Allerdings habe da, wie Sonja Dluhosch von Horyzn sagt, bei Einrichtungen wie Krankenhäusern in München kein wirklicher Bedarf bestanden. „Aber man hat uns auf eine andere Möglichkeit hingewiesen“, sagt sie. Nämlich den Transport von Defibrillatoren. 75.000 Menschen erleben pro Jahr in Deutschland einen Herz-Kreislaufstillstand. Oft ist da kein Defibrillator zur Hand ist. Nur knapp unter zwölf Prozent der Betroffenen überleben daher. Ein Rettungswagen mit Sanitätern braucht im Durchschnitt neun Minuten, bis er vor Ort ankommt. Das klingt schnell, ist es aber in kritischen Fällen nicht.

Mit einer Drohne könnte ein Defibrillator direkt zum Einsatzort geflogen werden. Und genau das will Horyzn mit seinem Projekt Mission Pulse ermöglichen. Und zwar in einem Umkreis von sechs Kilometern in nur vier Minuten. Er könnte dort einfach an einem Seil und mit einem kleinen Fallschirm hinabgelassen werden. Übers Smartphone könnte währenddessen ein Sanitäter dem Ersthelfer Anweisungen geben, wie der Defibrillator zu nutzen ist – und damit potentiell Leben retten. Vor allem in ländlichen Gegenden für die Mission Pulse derzeit ausgelegt ist. Denn insbesondere dort kann es dauern, bis ein Rettungswagen am Ziel ist. „Jede Sekunde zählt“, sagen die Studierenden.

Testeinsätze kommen wohl ab 2023

Für Mission Pulse baut das Team von Horyzn auf den Erkenntnissen und der Technik der von ihnen konstruierten Drohne Silencio Gamma auf. Dennoch muss für den sehr spezifischen Einsatz viel neue Technik entwickelt und eine neue Drohne gebaut werden, deren erster Prototyp den Namen Frankenstein 1 tragen soll. Das Ablass- und Seilwindensystem für den Defibrillator soll bereits im Sommer getestet werden. Die erste Prototypen-Drohne soll dann Ende 2021 vollständig fertiggestellt werden. „Jedoch werden wir mit diesem Prototypen noch keine simulierten Rettungseinsätze fliegen können, da er noch nicht sicher genug sein wird, um über bewohntem Gebiet fliegen zu dürfen“, sagt Sonja Dluhosch. Stattdessen soll damit zunächst nur die Flugtechnik erprobt und, soweit möglich, perfektioniert werden.

Eine größere Herausforderung als die Drohne selbst dürfte ein anderer Aspekt sein. „Der Plan ist, dass die Drohne autonom bis zum Einsatzort fliegen soll“, sagt Dluhosch. „Obwohl sie autonom fliegt, wird sie dabei dennoch durchgehend per Videostream von einem Piloten überwacht. Am Einsatzort angekommen sucht der Pilot die passende Stelle aus, an der der Defibrillator heruntergelassen wird.“ Das wird beim ersten Prototyp wohl noch nicht machbar sein. Aber das Team arbeite bereits an der entsprechenden Hard- und Software, die es dafür braucht.

Womöglich könnte beides dann beim zweiten Prototypen zum Einsatz kommen, der dann auch schon für Simulationen von Einsätzen über bewohntem Gebiet fliegen soll. Das soll 2022 so weit sein. „Ende 2022 werden wir dann die Ergebnisse unseres Projektes veröffentlichen“, erklärt Dluhosch. „Ob es danach zu nicht simulierten – also realen – Einsätzen kommen wird, können wir jetzt noch nicht sagen.“ Aber wenn, würde das wohl frühestens 2023 passieren. Hierfür kämen zwei bis drei Dörfer außerhalb von München als Testgebiet in Frage.

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Langfristig, glaubt das Team, könne eine schnelle und autonome Drohne aber noch für andere Einsatzzwecke eingesetzt werden. Sie könne Medikamente zustellen und bei Rettungseinsätzen in den Bergen hilfreich sein. Auch bei anderen zeitkritischen, aber weniger dramatischen Lieferungen könnte sie eingesetzt werden. Etwa bei der Zustellung von wichtigen Dokumenten oder Bauteilen, die gerade jetzt gebraucht werden, um etwa eine Fabrikanlage oder ein Auto wieder in Gang zu bringen.

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Teaser-Bild: Horyzn

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