Ein Team von Forschern am Massachusetts Institute of Technology glaubt, das Träume mehr sind als nur wirre Bilderwelten. Sie meinen, dass sich die Schlaferlebnisse nutzen lassen, um Probleme zu lösen und zu lernen. Dafür arbeiten sie an Methoden und Geräten, um die Träume zu beeinflussen.
Jeder Mensch träumt – und auch bei vielen Tieren ist erwiesen, dass sie während der verschiedenen Schlafphasen ebenso „sinnlich-lebendige, halluzinatorische“ Szenen durchleben. Stichhaltige Hypothesen und plausible Theorien wozu die Träume dienen, die gibt es seit Jahrzehnten. Forscher gehen davon aus, dass das Träumen der aktiven Verarbeitung von Langzeiterinnerungen und Emotionen nutzt oder die Archivierung von Erlebnissen unterstützt. Aber ebenso existieren Annahmen wonach Träume ein eher zufälliger Nebeneffekt der nächtlichen Arbeit von Neuronen im Hirnstamm sind, deren Signale von anderen Hirnregionen unwillkürlich interpretiert werden. Daher, meinen einige Wissenschaftler, hätten Träume eigentlich nur wenig Sinn und Einfluss auf den Alltag. Schlussendlich belegen ließ sich bisher aber keine der Annahmen.
Ein kleines Team am Massachusetts Institute of Technology will das nun ändern. Seit rund zweieinhalb Jahren existiert an der US-Universität zugehörig zum Medienlabor MIT Media Lab das sogenannte Dream Lab. Das will belegen, dass Träume mehr als nur ein Hintergrundrauschen des Gehirns sind. Dazu will es Menschen mehr Kontrolle über sie ermöglichen. „Träume ist das Denken bei Nacht“, lässt sich etwa Adam Haar Horowitz vom Dream Lab zitieren. Denn Träume, glauben Horowitz und ihre Mit-Forschenden, würden durchaus einen transformativen Einfluss auf das Tun, Denken und Alltagsempfinden haben – wobei die Frage ist, wie groß dieser sei. Fraglich sei auch, wie diese Einflüsse als „Erfahrung ablaufen“ und welche Gedanken dabei eine Steuer- und Lenkwirkung entfalten. Daher soll das Dream Lab erkunden, was passiert, wenn aktiv in die Träume eingegriffen wird.
Während ihrer Arbeit entwickelten Horowitz und ihre Kollegen unter anderem ein Gerät namens Dormio. Dabei handelt es sich um ein Armband von dem aus mehrere Kabel zu den Gliedern des Mittel- und Zeigefinger führen. Über dortige Sensoren können der Muskeltonus, der Blutdruck und weitere Indikatoren wie die Hautleitfähigkeit abgegriffen werden, um zu bestimmen, wann sich der Schläfer in welcher Schlafphase befindet. Wenn die Hypnagogie eintritt, ein Bewusstseinszustand während des Einschlafens, beginnt das Dormio über einen Bluetooth-Lautsprecher einzelne Audiosignale abzugeben. Beispielsweise ein Wort oder ein bestimmtes Geräusch. Gleichzeitig zeichnet das Armband auf, ob und wie die Schläfer darauf reagieren.
Achtung, Tiger!
Laut den Dream-Lab-Forschern habe sich gezeigt, dass in Versuchen mit bis zu 50 Personen, die Audiosignale nachweislich auf die Trauminhalte eingewirkt haben. Gab der Lautsprecher etwa das Wort „Tiger“ von sich, tauchte der Tiger in den Träumen mehrerer Versuchsteilnehmer auf. Dormio ist als Open Source freigegeben und kann dadurch nachgebaut und weiterentwickelt werden. So sollen andere Wissenschaftler ebenso Erkenntnisse beisteuern können. Die Harvard-Forscherin Deirdre Barrett will beispielsweise eine Variante von Dormio nutzen, um zu erforschen, ob das Beeinflussen von Träumen die Kreativität von Künstlern fördern könnte.
Ein weiterer Versuch des Dream Lab besteht darin, die Träume mit Gerüchen zu manipulieren. Nämlich mittels BioEssence, einem tragbaren Duftzerstäuber, der ebenso wie Dormio automatisch aktiviert wird. Jedoch wird der Zerstäuber erst in einem N3 genannten Schlafstadium aktiv, in dem eine Erinnerungskonsolidierung stattfindet. Die Forscher vermuten, dass gewisse Gerüche die Verfestigung von Erinnerungen und Gelerntem unterstützen können.
Der nächste Schritt für die MIT-Wissenschaftler könnte nun ein Gadget sein, das luzide Träume einleiten lässt. Diese waren der Gegenstand eines Workshops im Jahre 2019. Bei diesen Klarträumen ist sich der Träumende bewusst, dass er träumt. Dadurch ist es dann möglich, die Umgebungen und Geschehnisse des Traums zu verändern und zu lenken. Derartige Traumepisoden sind laut Studien ein durchaus verbreitetes Phänomen. Rund die Hälfte aller Erwachsenen soll mindestens ein Mal einen Klartraum erlebt haben. Und rund ein Viertel der Menschen soll regelmäßig luzide Träume erfahren.
In diesem Träumen ließen sich Fantasien ausleben aber auch, wie eine Studie der Universität Heidelberg erforschte, psychische Probleme wie Posttraumatische Belastungsstörung bewältigen, Wissen vertiefen und auch motorische Fähigkeiten verbessern. Dass sich das aktiv nutzen lässt, davon sind die Mitglieder des Dream Lab aber auch viele Psychotherapeuten überzeugt. Allerdings ist die Weise, wie luzide Träume zustande kommen, bisher nur oberflächlich erforscht. Zahlreiche Anleitungen zum luziden Träumen sind laut Forschern oft nur Anekdotensammlungen, die nur für wenige zuverlässig funktionieren. Erst durch neue und sensible Methoden, die Aktivitäten des Körpers und des Gehirn mitlesen, abbilden und beeinflussen zu können, ist es Wissenschaftlern möglich, sich diesen und anderen Traumarten als Forschungsgegenstand zu nähern.
Teaser-Bild: Oscar Rosello / CC by 4.0