Mit Internet aus dem All will eine deutsche Firma die Welt vernetzen

Große Teile der Menschheit haben kein Internet. Selbst in einigen Regionen in Deutschland fehlt ein schneller Zugang. Milliarden von Menschen könnten abgehängt werden. Dagegen will das deutsche Start-up Mynaric etwas tun. Es hat eine Laser-Technologie entwickelt, die Internet aus dem Himmel möglich machen soll.

Von Achim Fehrenbach

Drei Milliarden. So viele Menschen sind Schätzungen zufolge weltweit ohne Internet. Ganze Gemeinden und Industrien sind davon abgeschnitten. Doch das soll sich ändern. Firmen wie Google, Amazon und SpaceX arbeiten daran, Menschen in entlegenen Erdregionen ans Netz zu bringen. Das dafür nötige, weltumspannende Netz aus Satelliten soll auch Industrieländern wie Deutschland zugutekommen. Schließlich gibt es hier noch genügend Funklöcher.

Doch wie lassen sich Tausende von Internet-Satelliten miteinander verbinden? Und mit der Erde? Ohne, dass Bandbreite und Geschwindigkeit verloren gehen? Antworten auf genau diese Fragen will die deutsche High-Tech-Firma Mynaric geben. Sie produziert Terminals, mit denen die Satelliten per Laser untereinander und mit Bodenstationen kommunizieren können. Das ermöglicht hohe Datenraten über Tausende von Kilometern – mit millimetergenauer Präzision. Auch Internet per Drohnen und Flugzeugen sollen damit möglich sein.

Ein SpaceX-Veteran unterstützt jetzt Mynaric

Bulent Altan klingt begeistert, wenn er über Mynaric spricht. „Es wird Breitband-Internet für Endkonsumenten an jedem Ort der Welt geben – ob man sich nun in einem Flugzeug, auf einem Kreuzfahrtschiff, in einem Haus inmitten der Stadt oder in einer Ranch auf dem Land befindet“, sagt er.

Altan arbeitete jahrelang als Chefingenieur der Satellitensparte von SpaceX, dem Unternehmen des Milliardärs und Tesla-Gründers Elon Musk. Später war er für andere Luft- und Raumfahrtunternehmen tätig, zum Beispiel als Vizepräsident von Airbus. Im März 2019 wechselte Altan dann in den Vorstand von Mynaric – und will mit seiner Expertise dazu beitragen, dass die Firma aus Gilching bei München den Weltraum erobert.

Als Zubehör-Produzent stellt sich Mynaric breit auf. „Wir arbeiten an verschiedenen Produkten“, erzählt Altan. „Wir bauen Bodenstationen, die mit den Geräten in der Luft und im All kommunizieren. Wir bauen Terminals, mit deren Hilfe Luftfahrzeuge miteinander und mit dem Boden kommunizieren. Und wir bauen Geräte für das Weltall, über die Satelliten miteinander kommunizieren.“

Die Entwicklung der Mynaric-Produkte sei unterschiedlich weit fortgeschritten, so der Ingenieur. Die Bodenstationen sind bereits in Serienfertigung, die Luft-Terminals werden wohl im dritten Quartal 2019 ausgereift sein. Die Laser-Terminals für Satelliten will Mynaric ab dem kommenden Jahr produzieren.

Gegründet wurde die Firma vor rund zehn Jahren als Spin-off des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Lange tüftelten dort Ingenieure an Prototypen. Jetzt geht das Unternehmen in seine kommerzielle Phase über. „In den vergangenen drei bis vier Jahren sind wir stark gewachsen – und wir wollen so weitermachen“, sagt Sven Meyer-Brunswick, Director of Corporate Growth. Im Oktober 2017 ging die Firma an die Börse – und hat seitdem einiges an Investorengeldern eingesammelt. „Mynaric bietet Glasfaser für den Himmel“, fasst Meyer-Brunswick das Geschäftsmodell zusammen. „Wir haben den Ehrgeiz, das Cisco für Netzwerke in der Luft und im All zu werden.“

Mehrere Firmen planen riesige Satelliten-Netzwerke

Die Chancen dafür stehen jedenfalls gut. Denn Mynaric liefert genau die Verbindung, die Firmen wie SpaceX, OneWeb und Amazon für ihre „Megakonstellationen” aus tausenden kleinen Satelliten benötigen. Die Tech-Giganten wollen diese in der erdnahen Umlaufbahn platzieren – und so ein weltweites Kommunikatonsnetz aufspannen.

„Wir sehen jetzt schon viel Bewegung im Markt“, sagt Bulent Altan. „Anfang 2018 hat SpaceX zwei Satelliten-Prototypen ins All geschickt. OneWeb hat 2019 bereits sechs Satelliten gestartet, und kürzlich hat SpaceX eine gewaltige Charge von 60 Satelliten mit einer Falcon Heavy ins All geschickt.“ Diese Satelliten haben noch keine Laser-Verbindung, „aber SpaceX hat sehr deutlich gemacht, dass das für sie ein Upgrade in künftigen Systemen sein wird“, sagt Altan. „Ob wir sie als Kunden gewinnen oder nicht, zeigt sich in den kommenden Jahren.“ Derzeit arbeiten mehrere Firmen an der Entwicklung eines kostensparenden Laser-Produkts.

„Ich glaube, wir führen in puncto Kosteneffizienz, aber das versuchen auch andere zu erreichen“, so Altan. „Wer dieses Rennen gewinnt, gewinnt auch den entscheidenden Marktanteil.“ Der Manager glaubt, dass die Terminals schon ab 2021 auf breiter Basis zum Einsatz kommen.

Bulent%20Altan%20Twitter Bulent Altan von Mynaric wird seine Vision vom Internet aus dem Weltraum auch bei der 1E9-Konferenz am 11. Juli in München vorstellen. Sei dabei! Bild: Mynaric/1E9

Präzision über 6000 Kilometer hinweg

Die Laser-Terminals der Satelliten müssen hochpräzise und verlässlich arbeiten. „Im All können die Distanzen zwischen zwei Satelliten schon mal 6000 Kilometer betragen“, berichtet Altan. „Der Laser ist also stark genug, dass man ihn auf der gegenüberliegenden Seite erkennen und dekodieren kann, so dass ausreichend Kommunikation möglich ist.“ Die zweite technische Herausforderung sei, mit dem Laserstrahl das weit entfernte Ziel haargenau zu treffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Satelliten leicht vibrieren. „Das ist schon eine kleine Herausforderung, eine Münze aus einer Entfernung von 6000 Kilometern mit einem Laser-Pointer zu treffen“, vergleicht Altan lachend.

Mynaric setzt auf eine Lösung, bei der zwei Laser bidirektionale Kommunikation ermöglichen. Die Kopplung erfolgt dabei in mehreren Phasen. In der sogenannten Ausrichtephase geht es darum, den jeweils anderen Satelliten ungefähr zu orten. Beide Satelliten schicken dann in der Akquisitionsphase Laserstrahlen in die Richtung, in der sich ihr Pendant befindet. Detektoren erkennen nach einem bestimmten Suchmuster, wenn sie von den Laserstrahlen getroffen werden. Ist die Kopplung erst einmal erfolgt, beginnt das Tracking. „Wenn sich der Laserstrahl ein kleines bisschen vom Zentrum wegbewegt, wird er korrigiert“, erklärt Altan. „Das Ganze ist also ein dreistufiger Prozess: Mit der Ausrichtephase, der Akquisition und der dauerhaften Kopplung.“

Wie viele Satelliten ein solches Netzwerk benötigt, hängt vom Konstellationsdesign der jeweiligen Firma ab. Für eine kleine Lösung benötigt eine Konstellation zwischen 100 und 400 Satelliten. „Tatsächlich werden es aber viel mehr sein müssen, wenn man eine große Bandbreite, eine bessere Abdeckung, Redundanz und viele andere Dinge wie zum Beispiel Ersatz-Satelliten im Orbit haben möchte“, so Altan. Fällt einer von ihnen aus, bleiben immer noch mehrere andere übrig, die angepeilt werden können. „Das ist die Schönheit einer Konstellation“, sagt Altan. Sie könne den Ausfall mehrerer Satelliten überstehen, bis diese durch neue ersetzt würden.

Mynaric will mit seiner Laser-Kommunikation große Bandbreiten ermöglichen. Die Stationen, die im niedrigen Orbit bis zu 1400 Kilometer Höhe fliegen, sollen bis zu zehn Gigabit Daten pro Sekunden übertragen können – das entspricht etwa dem parallelen Streaming von 2000 HD-Videos. Für eine Verbindung sei neben der Bandbreite auch die Latenz besonders wichtig, so Altan. In beiden Fällen biete die erdnahe Mynaric-Lösung deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichem Satelliten-Internet.

„Bei der Bandbreite gibt es einige Firmen, die Dienste bis in den Gigabit-Bereich anbieten möchten“, sagt der Mynaric-Manager, und stellt klar: „Anwendungen wie etwa Games, die eine niedrige Latenz benötigen, wären mit den derzeitigen Satelliten nicht möglich.“ Die Latenz betrage ungefähr eine Sekunde: zu viel für für Telerobotik, Telemedizin, Finanzhandel und Internet-Telefonate. Satellitenkonstellationen, die Mynarics Produkte verwenden, bieten indes Latenzen im Bereich von 25 Millisekunden – und ermögliche all diese Anwendungen.

Fehlendes Internet verschärft die globale Ungleichheit

Mit seiner Technologie will Mynaric ein weltweites Problem lösen helfen: die mangelnde Internetanbindung ländlicher Gebiete. „Bandbreite ist einer der neuen Faktoren, die Ungleichheit verursachen“, erläutert Altan. „Wenn man auf dem Land lebt, sind bestimmte Dinge nicht verfügbar, wenn die Bandbreite fehlt – zum Beispiel ein Dotcom-Job. Das verursacht Wanderbewegungen in die großen Städte und wirtschaftliche Ungleichheit.“

Ein globales Breitband-Netz mit Mynaric-Unterstützung könne dem entgegenwirken. „So ermöglicht man lokale Wirtschaftssysteme in entlegenen Gebieten“, betont Altan. „Das wäre für alle Beteiligten ein Gewinn.“ In den Entwicklungsländern registriert Mynaric bereits ein wachsendes Interesse an der Laser-Technologie. Die Firma sieht das Ganze auch aus historischer Perspektive. „Viele Länder, die nie Festnetz hatten, haben Mobilnetze sehr viel schneller eingeführt als die Länder, die bereits über ein gut ausgebautes Telekommunikationssystem verfügten“, so Altan. „Afrika hat – stärker als viele andere Regionen – von der Mobilfunk-Anbindung profitiert, genauso wie von mobilfunkbasierten Bezahlsystemen. Das finde ich toll, denn es löst ein wirkliches Problem.“

Gelaufen ist das Wettrennen der Satelliten-Ausrüster noch lange nicht. Altan ist jedoch sehr zuversichtlich, dass Mynaric am Ende die Nase vorne hat. Man sei die einzige Firma, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftige. „Und wir sind die einzige Firma, die das für Boden, Luft und All macht.“ Mynaric sei außerdem das erste Unternehmen weltweit, das bereits heute Laser-Bodenstationen als Produkt liefern könne und führe auch in den Segmenten Luft und Weltall in der Kommerzialisierung der Laserkommunikation. Und das obwohl nahezu alle anderen Firmen, die mit Laser-Kommunikation arbeiteten, Tochtergesellschaften großer Luft- und Raumfahrtunternehmen sind.

„Sie mögen zwar in der Vergangenheit Erfahrungen mit Laser-Kommunikation gesammelt haben. Aber keine dieser Firma ist diese Sache von Grund auf angegangen – also einen kostensparenden Terminal für Laser-Kommunikaton zu entwickeln“, so Altan. Wenn man nur einen oder zwei Satelliten im All stationiere, spielten die Kosten keine große Rolle. „Aber wenn man dort tausende Satelliten stationiert, hat das großen Einfluss auf die Einnahmen – und man will die kostensparendste und leistungsfähigste Lösung haben.“

Mynaric will schnell wachsen

Derzeit hat Mynaric rund 80 Mitarbeiter. Das Unternehmen stellt aber gerade verstärkt junge Ingenieurinnen und Ingenieure aus unterschiedlichen Disziplinen an, um sowohl bei der Produktion als auch beim Engineering wachsen zu können.

„Wir werden schon dieses Jahr skalieren, noch bevor die großen Aufträge reinkommen. Denn Schnelligkeit ist hier entscheidend. Wir wollen die ersten sein, die dieses Terminal für die Konstellationen bereitstellen – und wir wollen den Vorsprung behalten, den wir derzeit haben.“ Sven Meyer-Brunswick beobachtet mit Genugtuung, wie sich Amazon, Facebook, Google und SpaceX beim globalen Satelliten-Internet engagieren: „Alle diese Player wollen ihre Projekte verwirklichen – und wir liefern einen Baustein für die Systeme, mit denen das umgesetzt werden kann.“

Bulent Altan von Mynaric wird seine Vision des Internets aus dem All auch bei 1E9 the_conference am 11. Juli in München vorstellen. Sei dabei und erlebe inspirierende Keynotes, interaktive Diskussionen, erstaunliche Kunstwerke und praktische Workshops rund um die Technologien der Zukunft. Werde Teil der 1E9-Community!

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