Nach zwei abgespeckten Corona-Ausgaben kehrte die CES in den vergangenen Tagen in gewohnter Form zurück: Zehntausende Menschen strömten durch Las Vegas, um die neuesten Smartphones, VR/AR-Brillen und Elektroautos zu bestaunen. Wer auf der Messe nach Innovationen für eine bessere Welt suchte, musste zwar genau hinschauen. Doch ein paar sinnvolle Neuheiten gab es.
Von Michael Förtsch und Wolfgang Kerler
U-SCAN: Freihändige Urinanalyse für die heimische Toilette
Fast jeder musste schon einmal beim Arztbesuch eine Urinprobe abgeben. Kein Wunder, durch die Analyse von Urin lassen sich viele wertvolle Informationen über unsere Gesundheit ablesen. Das französische Elektronikunternehmen hat daher ein – zugegeben zunächst etwas ungewöhnlich anmutendes – Produkt entwickelt: den U-SCAN. Dabei handelt es sich um einen runden Scanner mit einem Durchmesser von neun Zentimeter, der laut Hersteller in jeder Toilettenschüssel angebracht werden kann.
Im Gerät befinden sich Kartuschen, in denen winzige Testkapseln stecken. Der Scanner erkennt automatisch, wenn auf ihn gepinkelt wird und liefert dann per WLAN Daten über den Körperhaushalt und gegebenenfalls auch den weiblichen Zyklus in eine dazugehörige App. Das U-SCAN-Starterkit soll in Europa im zweiten Quartal dieses Jahres für etwa 500 Euro auf den Markt kommen.
Matter: Endlich ein Open-Source-Standard für Smart-Home-Geräte
Vom smarten Kühlschrank über den smarten Saugroboter bis zur smarten Überwachungskamera: Seit Jahren versprechen uns diverse Hersteller von Haushaltselektronik ein einfacheres Leben durch Smart-Home-Geräte. Das Problem: Bisher hat jede Firma ihr eigenes Süppchen gekocht und die verschiedenen Gadgets waren oft nicht kompatibel miteinander. Um das zu ändern, verabredeten sich Samsung, Apple, Google, Amazon und andere schon 2019 die Entwicklung eines gemeinsamen Open-Source-Standards.
Nun ist er da. Er heißt Matter und soll die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Marken und ihren Geräten ermöglichen. Zwar gibt es noch Kritik, zum Beispiel was die Kompatibilität mit älterem Smart-Home-Equipment angeht, doch auf der CES zeigte sich zumindest, dass alle wichtigen Hersteller Matter auf dem Schirm haben und den neuen Standard unterstützen wollen.
Sennheiser Conversation Clear Plus: Kopfhörer für verständliche Gespräche
Wer kennt es nicht. Man steht auf einer Party oder sitzt in einer Kneipe und will sich unterhalten. Aber aufgrund von Musik und Menschen versteht keiner, was das gegenüber sagt. Also muss geschrien oder vor die Tür gegangen werden. Der Mikrophon- und Kopfhörer-Entwickler Sennheiser hat dafür nun eine Lösung. Die Kopfhörer Conversation Clear Plus sind darauf abgestimmt, mit einem Mikrophon und einer Automatic Scene Detection genannten Technik menschliche Sprache zu erkennen, aus der Geräuschkulisse zu filtern und zu verstärken.
Wahlweise kann die Umgebung über eine zugehörige App durch Noise-Canceling-Technologie komplett ausgeblendet oder einfach nur gedimmt werden. Die Conversation Clear Plus sollen aber auch als klassische Kopfhörer funktionieren, sich über Bluetooth wie bekannt mit dem Smartphone, Laptop oder Fernseher koppeln lassen. Sonderlich günstig sind sie aber nicht. Sie sollen 850 Euro kosten. Wer ständig seine Airpods oder anderen Bluetooth-Kopfhörer verliert, sollte über den Kauf also zwei Mal nachdenken.
mutalk: Ein Mikrofon für Großraumbüros – und das Metaverse
Das Mikrofon mutalk vom japanischen Hersteller Shiftall ist weder besonders schön, noch macht es einen bequemen Eindruck. Aber es löst ein echtes Problem: Es verhindert bei Gesprächen in Räumen oder Büros, dass alle unbeteiligten Personen unfreiwillig zuhören müssen (oder können). Denn das Mikrofon steckt in einer Verschalung, die wie eine VR-Brille aussieht, die man sich um den Mund schnallt. So soll es die Stimme um 30 Dezibel dämpfen – und natürlich auch Umgebungsgeräusche aus dem Gespräch heraushalten.
HTC Vive XR Elite: Virtuelle Welten in Fast-4K
Die einst Oculus getauften VR-Brillen von Meta sind die Headsets, die den Virtual-Reality-Hype neu entfacht haben. Aber HTC ist mit seiner Vive-Serie einer der schärfsten Konkurrenten. Die neue Vive XR Elite verspricht ein starkes und dynamisches VR-/XR-Erlebnis mit Fast-4K-Auflösung und einem 110-Grad-Sichtfeld vor den Augen. Vier Kameras sorgen für Umgebungs- und Handerkennung – und für einen Blick durch die Brille, bei dem die Realität mit virtuellen Objekten überlagert werden kann. Dazu muss die Brille nicht an den Strom, sondern verfügt über eine abnehmbare Batterie, die zwei Stunden durchhalten soll. Das hat seinen Preis. Die Vive XR Elite kostet satte 1.400 Euro, die Quest 2 von Meta gibt’s hingegen bereits ab 400 Euro.
BMW i Vision Dee: Ein Auto, das die Farben wechselt
Die CES ist immer wieder auch der Ort, an dem Autobauer zeigen, wie sie sich die Zukunft der Mobilität vorstellen. Bei BMW ist die vor allem bunt. Mit dem BMW i Vision Dee hat der Münchner Fahrzeugfabrikant einen kompakten Wagen vorgestellt, der mittels E-Ink-Technologie seine Farbe ändern kann. Insgesamt 32 Farben können auf der Außenhaut des von 80er-Jahre-Zukunfts-Visionen inspirierten Autos aktiviert und die 240 E-Ink-Folienstreifen zu Mustern zusammengeschaltet werden.
Gänzlich neu ist die Chamäleonfunktion nicht. Bereits im letzten Jahr hatte BMW den iX Flow vorgestellt, der jedoch lediglich verschiedene Graustufen darstellen und dadurch komplexe Muster aus Dreiecken abbilden konnte. Derzeit ist die dynamische Folierung noch ein Forschungsprojekt. Unsicher ist etwa noch, wie gut sie sich bei intensiver Sonneneinstrahlung, Steinschlag oder im Winter verhält – und wie gut sie Vogeldreck standhält. Aber laut dem Team von BMW sei es das Ziel, die Farbwechseltechnik bereits in naher Zukunft auf den Markt zu bringen.
Fufuly und Lightony: Roboter für Ruhe, Entspannung und besseren Schlaf
Die japanische Firma Yukai Engineering, die bei der CES vor sechs Jahren mit ihren schwanzwedelnden, aber kopflosen Katzenkissen Furore machte, präsentierte auch in diesem Jahr zwei ungewöhnliche Roboter. Bei Fufuly handelt es sich um ein Kissen, das sich mechanisch aufbläht und zusammenzieht, als würde es atmen. Umarmt man es, so die Theorie, passt sich die eigene Atmung an das tiefe und langsame Atmen des Kissens an, was Ruhe und Entspannung bringen soll
Für Menschen, die schlecht einschlafen können, hat Yukai seinen humanoiden Roboter Lightony entwickelt, der mit einer Glühbirne auf dem Kopf auf dem Nachtkästchen Platz finden soll. Er bewegt seinen Kopf, rollt mit den Augen und vor allem wird er selbst müde und schläft irgendwann ein, wobei er das Licht ausschaltet.
Wer wissen will, warum Yukai Engineering so ungewöhnliche Roboter baut, sollte das Interview mit Firmenchef und Gründer Shunsuke Aoki lesen, das Björn Eichstädt und Nina Blagojevic für uns geführt haben.
Apogee Power Suit: Das neueste Exoskelett aus Deutschland
Der deutsche Exoskelett-Spezialist German Bionic präsentierte auf der CES sein neuestes Modell: den Apogee Power Suit. Das Exoskelett soll Menschen bei der Arbeit unterstützen, die zum Beispiel in der Logistik schwere Kartons stemmen müssen oder in Fabriken repetitive Aufgaben übernehmen. Dafür soll der Kraftanzug den unteren Rücken bei jeder Hebebewegung mit bis zu 30 Kilogramm entlasten. Dazu kommt eine aktive Laufunterstützung, die Ermüdungserscheinungen minimiert. Die Geräte sammeln außerdem Daten, die genutzt werden können, um die Arbeitssicherheit und die Gesundheit der Belegschaft dauerhaft zu verbessern.
ThinkPhone: Das ThinkPad als Smartphone
Schon 2014 kaufte der Laptop-Bauer Lenovo den Mobilfunkentwickler Motorola. Nun haben Lenovo und Motorola gemeinsam ein Smartphone vorgestellt, das beide Firmen wirklich zusammenbringen soll. Denn mit dem ThinkPhone gibt es nun ein Telefon, das auf die legendär unverwüstlichen ThinkPad-Laptops abgestimmt ist. Revolutionär ist das ThinkPhone keineswegs. Im Inneren verbirgt sich aktuelle, aber bewährte Technik. Außerdem setzt es auf das Android-Betriebssystem in Version 13. Was es besonders machen soll, ist daher die Software.
Eine Konnektivitätsumgebung namens Think 2 Think soll das Telefon nahtlos mit einem gekoppelten ThinkPad verknüpfen. Mit der App Unified Clipboard lassen sich Fotos, Texte, Videos und mehr zwischen den Geräten spiegeln. Ebenso sollen sich Dateien zwischen ihnen hin- und her-droppen lassen – ganz ähnlich wie es aus dem Apple-Universum bekannt ist. Mit einem bestimmten Verbindungsmodus können Smartphone-Apps auf dem Rechner genutzt und das Telefon mit der Maus ferngesteuert werden. Dazu kommen Sicherheitseinstellungen und Benachrichtigungsfunktionen, die vor allem, aber nicht nur auf Geschäfts- und Industriekunden zugeschnitten sind.
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Sind NFTs tot? Nicht, wenn es nach dem Elektronikgiganten LG geht. Der hat nun eine Kooperation mit den Machern der Blade Wallet angekündigt, einer digitale Brieftasche. Die ist für das noch vergleichsweise junge Netzwerk Hedera gedacht, das von LGs eigener NFT-Plattform LG Art Lab und neuen Smart-TVs des Herstellers unterstützt wird. Mit der Blade Wallet soll es LG-Kunden auf dem Smartphone und Fernseher möglich sein, auf der Hedera-Blockchain NFTs zu handeln und zu tauschen und auf den heimischen Fernseher zu präsentieren. Verfügbar sind etwa NFTs des Bildhauers Barry X Ball.
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