Eine Quallenart im Mittelmeer ist bekannt dafür, unsterblich zu sein. Sie kann immer wieder in einen verjüngten Zustand zurückkehren. Forscher haben nun herausgefunden wieso. Die Erkenntnisse könnten helfen, altersbedingte Krankheiten oder sogar das Altern selbst bei Menschen zu heilen.
Von Michael Förtsch
Die Quallen namens Turritopsis dohrnii erscheinen eigentlich nicht sonderlich spektakulär. Sie sind kleiner als ein Daumennagel und kommen fast ausschließlich im Mittelmeer um Italien und Spanien vor. Jedoch sind diese kleinen Tiere äußerst bemerkenswert. Denn sie gelten als „biologisch unsterblich“. Wie Forscher bereits vor 20 Jahren bei einem Studium der Tiere entdeckten, können sich diese nach einer erfolgreichen Vermehrung aus den Zellen ihres sogenannten Außenschirms, mit dem sie sich durch das Wasser bewegen, als eine genetisch identische, aber verjüngte Variante neu bilden. Aus den Zellen entsteht ein Polyp, der erneut heranwächst, um sich zu vermehren, um dann wieder ein weiteres Leben zu beginnen. Eine ähnliche Rückwandlung kann auch bei Nahrungsmittelknappheit oder anderen extremen Bedingungen erfolgen.
Möglich ist das durch einen Prozess namens Transdifferenzierung, bei dem sich Zellen zu Keimzellen umwandeln. Er findet auch bei der Ausbildung von Embryonen von Menschen und anderen Säugetieren statt. Im Falle der Turritopsis dohrnii entsteht durch die Transdifferenzierung jedes Mal ein neuer Keim, der einen jungen Polypen hervorbringt. Theoretisch kann sich dieser Zyklus unendlich oft wiederholen – denn eine Degeneration der DNS scheint nicht stattzufinden. Forscher sind nun einen Schritt näher zu verstehen, wie das möglich ist.
Die Wissenschaftler der Universidad de Oviedo in Spanien haben dafür die Turritopsis dohrnii mit den in vielen Aspekten vergleichbaren, aber nicht unsterblichen Turritopsis rubra und einigen weiteren Quallenarten verglichen. Wie sie in einer nun veröffentlichten Studie feststellen, verfügen die Turritopsis dohrnii über doppelt so viele genetische Marker, die für den Schutz, die Replikation und die Reparatur genetischer Informationen und der Aufrechterhaltung einer interzellulären Kommunikation zuständig sind, wie üblich. Außerdem verfügen sie über einen biologischen Mechanismus, der die sogenannten Telomere, die Enden der Chromosomen, konserviert. Diese erodieren und verkürzen sich bei Menschen und zahlreichen weiteren Lebewesen mit zunehmendem Alter.
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Die Erkenntnisse der spanischen Forscher könnten helfen, den Alterungsprozess in anderen Lebewesen besser nachzuvollziehen – und eventuell Möglichkeiten auszumachen, diesen zu bremsen, anzuhalten oder sogar umzukehren. Wobei die Wissenschaftler vor allzu viel Optimismus warnen und Pragmatismus anraten. Carlos López-Otín, einer der Studienautoren, erklärte: „Unsere Arbeit zielt nicht darauf ab, jetzt Wege zu finden, um die Träume von menschlicher Unsterblichkeit zu verwirklichen“. Es gehe vor allem darum, „die Schlüssel und Grenzen der faszinierenden zellulären Plastizität“ besser zu verstehen.
Genau das könne jedoch helfen, meint Carlos López-Otín, in Zukunft „viele Krankheiten, die mit dem Altern zusammenhängen“ besser behandeln oder sogar aufhalten zu können. Denn zahlreiche altersbedingte Krankheiten und Effekte des Alters sind durch eine verlangsamte Neubildung von Zellen bedingt, die die Regenerationsfähigkeit des Körpers hemmt. Ebenso gehen einige Forscher davon aus, dass sich über die Jahre hinweg durch das stetige Kopieren der DNA allmählich Fehler und Schäden in der genetischen Struktur ansammeln, die das Altern und seine negativen Effekte zumindest mitbedingen – DNA damage theory wird die Überlegung genannt.
Bereits 2017 erprobten Forscher ein Molekül, das gezielt alte Zellen auslöscht und dadurch bei Mäusen einen Verjüngungseffekt zur Folge hatte. Mehrere Start-ups arbeiten mit Investitionen von Tech-Visionären und Milliardären ebenso an Methoden, das Altern aufzuhalten. Beispielsweise mit der biologischen Reprogrammierung von Zellen oder dem Ausfindig machen von Genen, die für den Alterungsprozess verantwortlich sind.
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