Nahezu weltweit wird nun gegen das Coronavirus geimpft. Viele Menschen verbreiten jedoch Verschwörungstheorien und schüren damit Angst. Facebook will nun gegen Anti-Impf-Bewegungen vorgehen.
Von Michael Förtsch
Seit mehreren Wochen wird nun gegen das Coronavirus geimpft. In Deutschland haben zwischen dem 27. Dezember 2020 und 31. Januar 2021 rund 2,4 Millionen Menschen ihre Impfdosen erhalten. Nicht genug, wird von Experten geurteilt. Wegen Liefer- und Produktionsengpässen geht die Impfkampagne nicht so schnell voran, wie einst erhofft. Außerdem wird Behörden und der EU-Kommission vorgeworfen, zu lange mit den Impfstoffproduzenten verhandelt zu haben, wodurch es zu weiteren Verzögerungen kam und kommt. Derzeit hat die EU-Kommission jedoch vertragliche Zusicherungen über die Lieferung von über 2,26 Milliarden Impfdosen. Allerdings sind viele Menschen auch skeptisch – und wollen nicht geimpft werden. Ein Grund: Auf sozialen Netzwerken wird Angst geschürt.
Bereits im vergangenen Jahr – und damit lange bevor ein Impfstoff zur Verfügung stand – verbreiteten Verschwörungstheoretiker zahlreiche Falschinformationen und wilde Spekulationen. Eines der Ziele war dabei Microsoft-Gründer Bill Gates, der mit seiner Stiftung die weltweite Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen finanziert. Ihm wurde vorgeworfen, das Coronavirus mitentwickelt und verbreitet zu haben. Und das, um Menschen mit einer dann nötigen Impfung angeblich Computerchips in die Blutbahn zu injizieren. Nach dem Beginn der Impfungen werden nun auch Schreckensmeldungen über Todesfälle und Nebenwirkungen verbreitet, die nicht wissenschaftlich belegt sind.
Verbreitet werden diese Verschwörungstheorien vor allem in Facebook-Gruppen, in denen sich Menschen in ihren Ängsten und Spekulationen gegenseitig bestärken und auch immer öfter zum „Handeln“ auffordern. Unter anderem kommt es dadurch zu Drohungen gegen Ärzte und Ärztinnen, die über das Coronavirus und Impfungen aufklären und E-Mail-Fluten an Alten- und Pflegeheime, in denen derzeit geimpft wird. Daher will Facebook nun verstärkt gegen Fehlinformationen und Fake News rund um Impfungen und das Coronavirus vorgehen.
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Bereits im Dezember hatte Facebook begonnen, Falschinformationen um das Coronavirus und Aufforderungen entgegen Gesundheitsempfehlungen zu identifizieren und zu entfernen. Dabei helfen Algorithmen und KI-Systeme, die entsprechende Beiträge markieren und Moderatoren vorlegen. Ebenso werden Nutzer, die mit solchen Inhalten vor dem Entfernen interagiert haben, per Notification informiert, dass die Information fehlerhaft war. Ab jetzt sollen auch falsche Warnungen vor Impfstoffen und Kampagnen gegen Corona-Impfungen ins Visier genommen werden. Darunter Behauptungen wie, es sei gesünder, sich mit Corona anzustecken als geimpft zu werden, Impfstoffe würden Autismus verursachen oder seien giftig. Dazu will Facebook verstärkt auf offizielle Informationen zu Impfstoffen hinweisen.
Generell werden die neuen Richtlinien von Facebook begrüßt. Jedoch kritisieren einige Journalisten und Forscher wie Zeynep Tufekci, dass sie auch Debatten um tatsächliche Probleme und Informationen behindern könnten. Beispielsweise um den AstraZeneca-Wirkstoff AZD1222, der in bestimmten Altersgruppen offenbar eine verminderte Wirksamkeit aufweisen könnte. Oder die Debatte um den russischen Impfstoff Sputnik V Gam-COVID-Vac, dessen Impfeffektivität derzeit aufgrund mangelhafter Datenlage, inkonsistenten Probandenzahlen und fehlender Transparenz der Entwickler angezweifelt wird.
Laut Facebook sollen die neuen Richtlinien nicht dauerhaft gelten, sondern nur während des Zeitraums der „COVID health emergency“. Ist die Corona-Pandemie also beendet, sollen derartige Restriktionen wieder zurückgefahren werden. Jedoch haben Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits vor Jahren gewarnt, dass sich Anti-Impf-Bewegungen zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko entwickeln, da sie das dauerhafte Ausrotten von bestimmten Krankheiten verzögern oder sogar verhindern. Beispielsweise hätten die Masern bis 2020 weltweit ausgerottet werden sollen. Stattdessen hat die Zahl der Infektionen einen Anstieg verzeichnet. Als Grund hat die WHO Impfgegner in westlichen Industrienationen und der arabischen Staaten ausgemacht.
Teaser-Bild: Ezra Acayan / Getty Images