Es klang wie eine irre Idee – und tut es eigentlich immer noch. Im Jahr 2013 sorgte der Plan für ein fast zwei Kilometer langes Schiff für Furore, das wie eine Stadt funktionieren und um den Erdball schwimmen soll. Seitdem schien das Projekt erledigt. Allerdings soll das Mega-Schiff nun tatsächlich gebaut werden.
Von Michael Förtsch
Die Idee des Freedom Ship ist eigentlich keine sonderlich neue Vision. Bereits Jules Verne hatte sich eine Stadt auf einem riesigen Schiff ausgemalt. In seinem Roman Propeller-Insel verschlägt es vier französische Musiker auf eine künstliche Insel, die von amerikanischen Milliardären aus Stahl und Holz erbaut wurde und quer durch die Welt schippert. Diese Vision in die Realität zu überführen, das war dann der große Traum des US-Ingenieurs Norman Nixon. In den 1990ern begann er mit der Planung des da noch Freedom und später Freedom Ship getauften Mega-Schiffes – und arbeitete bis zu seinem Tod daran.
„Das Schiff wird eines der Weltwunder sein“, hieß es 1997 auf der Website des Projektes. Doch erst in den 2010er-Jahren machte das Projekt richtig Furore, als es von den Weggefährten von Nixon weitergeführt wurde. Die Idee zu dieser Zeit: ein 1,8 Kilometer langes und 250 Meter breites Schiff. Aufgebaut wie eine Mischung aus Parkhaus und einem querliegenden Wolkenkratzer sollte es 50.000 Menschen ein dauerhaftes Zuhause bieten. Sie sollten dort wohnen, in Büros, Casinos, Hotels, einem Krankenhaus, Läden, Schulen und Kinos arbeiten können. Zusätzlich zu den 50.000 Bewohnern sollten bis zu 30.000 Besucher empfangen werden können.
Die Anreise der Gäste wäre über einen Flughafen auf dem Dach des Schiffes möglich gewesen. Oder einen Mini-Hafen, der direkt in das Freedom Ship angebaut ist. Kommen sollten die Besucher aus aller Welt. Denn das Freedom Ship, so der Plan, würde stetig rund um den Globus schippern – aber nie an einem Hafen anlegen, sondern immer außerhalb der Hoheitsgewässer von Ländern ankern. Und damit jenseits der Gebiete, in denen nationale Gesetze und Regeln gelten.
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Jetzt Mitglied werden!Nein, das Freedom Ship ist nicht tot
Seit 2013, das Jahr in dem die Idee des Freedom Ship das letzte Mal weltweit durch die Presse ging und in Dokumentationen sowohl euphorisch als auch skeptisch behandelt wurde, wurde es dann aber still. Das ehrgeizige Mega-Projekt schien vergessen oder sogar gestorben. Aber zumindest laut Roger Gooch ist das genaue Gegenteil der Fall. Er ist Chef der Firma Freedom Cruise Line International, die das Schiff plant und bauen will. Und das schon bald. „Das Freedom-Ship-Projekt ist sehr wohl noch am Leben, sehr sogar“, sagt er gegenüber 1E9.
Dass das Mega-Schiff nicht schon längst auf dem Wasser schwimmt – seinerzeit hatten Journalisten geschrieben, dass es vor Ende 2020 soweit sein würde –, dafür gibt es laut Roger Gooch mehrere Gründe. „Der Tod des ursprünglichen Planers, Probleme mit der Weltwirtschaft und einiges mehr haben dazu geführt, dass das Projekt für eine Weile eingeschlafen ist“, sagt der Firmenchef. Das Hauptproblem sei aber das Geld gewesen. Die Firma habe nicht die nötigen Milliarden zusammenbekommen, die es für den Bau braucht. Die Kosten sollen nämlich um die 10 Milliarden US-Dollar betragen.
Dieses finanzielle Hindernis sei jetzt aber weitestgehend aus dem Weg. „Die Finanzierung ist geregelt“, behauptet Roger Gooch – ohne nähere Details zu nennen. Dazu sei, erklärt er weiter, die Verzögerungen in gewisser Weise auch ein Glücksfall. Denn auch wenn das Schiff bereits vor Jahren hätte gebaut werden können, gäbe es nun „kostengünstigere und umweltfreundlichere Technologien“, die genutzt werden können.
Das Schiff soll etwas kleiner werden
Die Grundidee für das Freedom Ship hat sich laut den Planern über die Jahre nicht wirklich geändert. Jedoch will das Freedom-Ship-Team etwas bescheidener und moderner werden. Statt 1.800 Metern soll das Schiff nur noch 1.500 Meter in der Länge messen. Breite und Höhe sollen 250 Meter und 100 Meter betragen. Damit soll genug Platz für 20.000 Wohnungseinheiten und Gewerbeflächen „in verschiedensten Variationen“ vorhanden sein. Eine genaue Zahl für Bewohner und Besucher nennt Gooch nicht – aber irgendetwas zwischen 60.000 und 80.000 Menschen
„Den Flugplatz oben auf dem Dach haben wir umgestaltetet“, sagt Gooch weiter. Der soll nun nicht mehr auf Flugzeuge, sondern stattdessen auf Hubschrauber und die futuristischen Flugautos zugeschnitten werden, wie sie zahlreiche Start-ups planen. Auch das generelle und ziemlich schmucklose Design, das vor einigen Jahren präsentiert wurde, soll sich ändern. Das Team nahm Kritik und Schlagzeilen, die vom „hässlichsten Schiff aller Zeiten“ sprachen, durchaus wahr.
„Bei der Gestaltung wird sich definitiv noch einiges tun“, verspricht Gooch. Um die endgültige Optik zu finden, wollen die Planer unter anderem einen Design-Wettbewerb abhalten. Man wolle definitiv, dass das Freedom Ship jemanden, der es sieht, ein „Wow!“ entlockt. Ebenso solle das Schiff als die erste schwimmende Stadt auch ein grüner Technologievorreiter werden. Elektrischer Strom für die Bordeinrichtungen soll aus modernen Solar- und Windkraftanlagen gewonnen werden, die das Schiff über- und durchziehen.
Um die Welt getragen werden soll das Schiff von Azipod-Triebwerken, elektrischen Schiffsschrauben-Motoren, die vom Schweizer Unternehmen ABB und dem Schiffsbauer Masa-Yards entwickelt wurden. Die sollen hauptsächlich mit Strom aus Flüssigerdgas befeuert werden. Das verbrennt zwar deutlich sauberer als Diesel oder Schweröl, ist aber aufgrund des entstehenden Methans keineswegs so klimaneutral, wie oft beworben.
In drei Jahren könnte es soweit sein
Roger Gooch und sein Team sind sich ziemlich sicher, dass das Freedom Ship nicht länger nur ein Traum bleiben, sondern Wirklichkeit werden wird. So sicher, dass sie schon bald mit den Bauarbeiten für die Bodenstruktur beginnen wollen – vielleicht schon Ende des Jahres. Es seien bereits zwei Konstruktionsstandorte mit entsprechendem Personal in Südostasien ausgewählt worden, die aber erst später enthüllt werden sollen. Gefertigt werden soll das Freedom Ship aus zahlreichen Modulen, die dann einfach zusammengesetzt werden.
Verläuft alles ideal, glaubt Gooch, könnte das Freedom Ship in rund drei Jahren bereit sein, in See zu stechen. Dass das Freedom Ship wirklich gebaut wird, davon will er die Welt überzeugen, in dem sie zuschaut. Denn wenn die Produktion und Fertigung anläuft, soll sie 24 Stunden und sieben Tage die Woche per Webstream verfolgbar sein – bis das Schiff dann ausläuft. Gooch selbst will dann an Bord sein – als einer der ersten Bewohner der schwimmenden Stadt.