Dieser 'Garten der Lüste' entstand mit Quantendaten

Die britische Künstlerin Libby Heaney experimentiert in ihren Werken mit Zukunftstechnologien. In Berlin zeigt sie derzeit einen virtuellen Raum, der von Quanteneffekten geprägt ist. Damit will sie auf das Thema Quantencomputer aufmerksam machen, das aus ihrer Sicht noch viel zu wenigen Menschen ein Begriff ist.

Von Michael Förtsch

Die Grenze zwischen Wissenschaft, Religion und Zauberei kann manchmal recht schmal erscheinen. Vielleicht sogar durchlässig. Berühmt und viel zu oft wird in diesem Zusammenhang der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov mit dem Satz ‚Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.‘ zitiert. Aber er hat damit durchaus Recht. Zumindest was Quantencomputer angeht. Der Meinung ist jedenfalls die britische Künstlerin und Quantenphysikerin Libby Heaney, die sich bereits seit Jahren in ihren Werken mit Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz, Quantenmechanik und Quantum Computing auseinandersetzt. „Die Quantenphysik und die Quantenmechanik sind die wissenschaftlichen Bereiche, die am meisten mit der Kunst gemein haben“, sagt sie im Gespräch mit 1E9. „Sie funktionieren anders als alles andere, was wir aus unserer bekannten stofflichen Erfahrungs- und Erkenntniswelt kennen.“

Es geht mir dabei eher darum, diese merkwürdigen Effekte und Spuren des Quantenflusses sichtbar zu machen als Berechnungen von Quantencomputern zu präsentieren.

Libby Heaney

In einer Ent- getauften Videoinstallation im Projektraum der Schering Stiftung in Berlin will Libby Heaney genau das in Zusammenarbeit mit der Kunstinstitution Light Art Space sichtbar machen. Dafür hat sie das berühmte Triptychon Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch in der für ihren Einsatz bei Videospielen und der Star-Wars-Serie The Mandalorian bekannten Grafik-Engine Unreal nachgestellt und in 360 Grad auf die Wände des Ausstellungsraums projiziert. Die zwischen 1490 und 1500 entstandene Vorlage zeigt Menschen, die einerseits in einer surrealen Paradieslandschaft frohlocken, aber ebenso in einer bizarren Höllenlandschaft gepeinigt werden. In Ent- ist so einiges anders. Statt von Menschen werden die Landschaften hier von merkwürdigen Grafikartefakten, Farb-, Lichtkurven und verzerrten Figuren durchzogen, die sich ausdehnen und verformen. Ebenso scheinen die Landschaften wie verlaufende Wasserfarben zu verschwimmen.

Diese surrealen Effekte sind das Ergebnis von Vorgängen im Quantenraum, die Libby Heaney auf Quantenrechnern von IBM mitgeschnitten hat. Sie habe einzelne Farbwerte aus eigens geschaffenen Bilddateien genutzt und diese mit Daten kombiniert, die bei Quantenverschränkungen auftreten. Das ist ein Effekt, bei dem sich zwei oder mehrere eigentlich räumlich getrennte Teilchen synchron verhalten können, wie beispielsweise die Qubits genannten Rechen- und Informationseinheiten eines Quantencomputers. „Ich arbeitete mich mit den Quantendaten quasi an den einzelnen Pixeln ab. […] Dadurch verhalten sich die Bilder dann wie eine Welle, wie eine Quantenwelle“, sagt Libby Heaney. „Es geht mir dabei eher darum, diese merkwürdigen Effekte und Spuren des Quantenflusses sichtbar zu machen als Berechnungen von Quantencomputern zu präsentieren.“

Die Arbeit mit einem Quantencomputer sei dabei weniger spektakulär als es sich manch einer nach dem Anschauen von TV-Serien wie Devs oder den gerne mal opulent inszenierten Präsentationen von neuen Quantencomputern vorstellt, scherzt die Künstlerin. „Die Quantencomputer von IBM können einfach über einen Cloud-Dienst genutzt werden“, sagt sie. „Ich hatte keinen Zugang zu ihrem starken 127-Qubits-Computer, aber ich konnte welche mit 16 und um die 20 Qubits nutzen.“ Sie habe sich eingeloggt, ihre Berechnungen in Auftrag gegeben und dann ihre Daten erhalten, die sie auf ihrem normalen Laptop mit eigens entwickelten Programmen weiterverarbeitet habe. Sie habe experimentiert und dann die besten Ergebnisse in Ent- eingebunden.

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Mehr Aufmerksamkeit für Quanten, bitte!

Laut Heaney sind Quantencomputer als Technologie und Werkzeuge äußerst ambivalent. Genau daher sei das weltbekannte Kunstwerk von Bosch und die mittels Quantenrechnern geschaffenen Effekte eine so gute Analogie zum Quantum Computing. „[Der Garten der Lüste] ist nicht binär. Er zelebriert nicht einfach das Verlangen, die Lust oder die Freude, aber er verdammt all das auch nicht einfach“, so Heaney. „Auch die Technologie [der Quantenrechner] ist nicht eindeutig verortbar. Sollten wir diese Technologie begehren, vergöttern und uns darüber freuen, oder sollten wir uns fürchten und sie verdammen? Das können wir noch nicht sagen.“

Wie die Künstlerin ausführt, werden Quantencomputer mit ihrer Rechenkraft und nicht auf Einsen und Nullen begrenzten Rechenkonzepten in Zukunft zahlreiche Innovationen und Entwicklungssprünge ermöglichen. „Egal, wie wir sie einsetzen, sie werden wohl ziemlich sicher die Welt verändern“, sagt sie. Beispielsweise können sie bei der Entwicklung von neuen Medikamenten und Werkstoffen, der Analyse von Klimadaten und sogar der Suche nach außerirdischem Leben helfen. Aber Quantencomputer könnten auch gefährlich sein. Sie könnten missbraucht werden, um bisher unknackbare Verschlüsselungssysteme zu brechen, die Börsen zu manipulieren, neue Formen von möglicherweise gefährlicher Künstlicher Intelligenz zu schaffen oder Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum zu hacken.

Sollten wir diese Technologie begehren, vergöttern und uns darüber freuen, oder sollten wir uns fürchten und sie verdammen? Das können wir noch nicht sagen.

Libby Heaney

„[Aus diesen Implikationen] ergeben sich ernsthafte politische Fragen“, sagt Heaney. Es müsse gefragt werden, ob der Einsatz dieser Technologie reguliert werden muss, wie mit dem Wettrüsten von Regierungen und Tech-Konzernen bei Quantencomputern umgegangen wird und wie auch jene von der Quantenhardware profitieren können, die bei deren Entwicklung aufgrund von finanziellen Hürden derzeit zurückstehen. Quantencomputer seien nicht nur eine weitere Computertechnologie, sondern eine mögliche Zeitenwende. „Aber auch einige Wissenschaftler und Entwickler denken nicht wirklich kritisch darüber nach, was sie da tun und woran sie arbeiten“, gibt die Quantenphysikerin zu bedenken. Ebenso würden zahlreiche Start-ups und etablierte IT-Unternehmen „nicht gerade transparent“ mit ihrer Forschung an Quantencomputern umgehen.

Debatten zu all diesen sensiblen Themen und auch den ethischen Auswirkungen, die Quantencomputer haben könnten, müssten angestoßen werden, bevor sich diese Technologie zu tief sich in unserem Leben eingräbt. „Aber das Thema Quantencomputer ist eben noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen. Daher versuche ich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen“, sagt die Künstlerin. „Ich erwarte jetzt nicht, dass jeder, der aus Ent- rauskommt, sich sofort mit diesen Fragen befasst. Aber ich hoffe, dass die Menschen ein Gefühl dafür bekommen, dass gerade ein sehr gewichtiger und merkwürdiger Prozess stattfindet – und sie vielleicht auch selbst davon betroffen sein werden.“

Die Ausstellung Ent- findet noch bis zu 1. Mai im Projektraum der Schering Stiftung, Berlin statt.

Vom 26. Mai bis 21. August kann sie in der Arebyte Gallery, London besucht werden.

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Spannende Ausstellung, wäre schön, wenn sie auch nach München käme! Das ist aber wahrscheinlich nicht vorgesehen!
Rena

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