Diese Fotografin verwandelt Denkmäler in futuristische Wunderwerke

Rund um die Welt finden sich merkwürdige und oft weitgehend vergessene Monumente und Denkmäler. Die Fotografin Yang Xiao verwandelt sie mit Licht und Dunkelheit in futuristische Science-Fiction-Kulissen.

Von Michael Förtsch

Sie sehen aus wie die Relikte aus einer anderen Welt, die von längst vergessenen Zivilisationen hinterlassen wurden. Es sind bizarre Konstruktionen aus Beton und Stahl. Mal sind es Streben, die sich zu absonderlichen Formen auftürmen und gen Himmel zeigen. Mal titanische Wände und Blöcke, die einsam in der Leere stehen. Oder auch Gebäude, deren Sinn und Zweck sich nicht wirklich erschließen lässt. Umgeben von verzerrten Sternenbahnen und nächtlicher Schwärze werden sie jedoch von roten, weißen und gelben Lichtflächen zum Leben erweckt. Diese Szenen stammen aber nicht aus einem Science-Fiction-Film, sondern aus einem Fotoprojekt von Yang Xiao, das sie Eternal Monuments In The Dark taufte.

Yang Xiao ist Fotografin, Designerin und ein selbsternannter urban explorer aus Peking, China. „Aber seit 2018 lebe ich Spanien“, sagt Xiao im Gespräch mit 1E9. Schon immer reist sie aber auch sehr viel umher, wenn es denn möglich ist. Genauso sei auch ihr Fotoprojekt entstanden. Vor Jahren habe sie alleine Kambodscha bereist und dort auch ihre erste Kamera gekauft. „Dadurch ist Fotografieren und Reisen für mich irgendwie schon immer verbunden“, sagt sie. Im Jahr 2012 bereiste sie dann Bulgarien und besuchte dabei auch das Busludscha-Denkmal, einen massiven Stahlbetonbau, der zwischen 1974 und 1981 als Tagungs- und Kongressgebäude für die Bulgarische Kommunistische Partei erbaut worden war.

Die auf einem Berg nördlich von Kasanlak thronende Halle ist seit dem Ende der Sowjetunion und damit vieler kommunistischer Parteien dem Verfall preisgegeben. „Heute ist dieser Ort recht bekannt“, sagt Xiao. „Aber damals fand sich kaum etwas darüber im Internet und nur wenige kamen da hin.“ Rund sechs Monate bereitete Yang Xiao daher ihre Reise nach Bulgarien vor und bat dafür auch den britischen Fotografen Mark O’Neill um Informationen und Ratschläge, der das Monument bereits abgelichtet hatte. „Angesichts der komplexen Geschichte und der politischen Symbolik, die damit verbunden ist, hatte ich viel hineinfantasiert“, sagt sie. „Ich habe mich gefragt, wie es sich anfühlen würde, wenn ich dann dort stehe.“

Ich habe mich gefragt, wie es sich anfühlen würde, wenn ich dann dort stehe.

Yang Xiao

Als Yang Xiao bei der Halle ankam „war alles anders als ich erwartet hatte“, sagt sie. Es sei eine gewittrige Nacht gewesen und vollkommen finster. „Ich stand vor diesem riesigen Monument, aber konnte nichts sehen“, erklärt sie. Daher konnte sie das Busludscha-Denkmal auch nicht einfach so fotografieren wie jeder andere – und wollte es auch nicht. Stattdessen wollte sie den Monumentalbau mit Licht „zum Leben zu erwecken“. Sogenanntem Light Painting, bei dem Lichtquellen durch eine lange Belichtungszeit von mehreren Sekunden bis zu Minuten als Flächen und Bänder in Fotos festgehalten werden. Sie tauchte die Unterseite des Monuments in einen blauen Schein und die riesigen Fenster der Untertasse in ein rotes Glimmen.

Fotografie in 40 Ländern

Seit dem Busludscha-Denkmal bereiste Yang Xiao mehr als 40 Länder und fotografierte Dutzende von Denkmälern und Monumenten. Fast alle davon habe sie in Facebook-Gruppen und auf Instagram entdeckt und auf einer eigenen Karte vermerkt. Aber selbst damit sei es manchmal nicht so einfach gewesen. Vor allem bei vielen Denkmälern in den ehemaligen Ostblock-Ländern. Denn „oft gibt es selbst heute keine konkreten Informationen, wie man dahin kommt“, sagt Yang Xiao. „Daher nehme ich dann Google Maps, schalte auf die Satellitensicht und versuche selbst, Straßen, Wege und Trampelpfade dorthin zu finden.“

Trotzdem muss die Fotografin vor Ort dann und wann aber noch umher suchen, um einen Weg bis vor oder in das Monument zu finden. Denn nicht wenige der Jahrzehnte alten Bauten sind aufgrund ihrer bröckelnden Substanz abgesperrt und eigentlich unzulänglich. Andere werden nachts verschlossen. Aber bisher habe es immer einen Weg gegeben.

In den vergangenen neun Jahren fotografierte Yang Xiao unter anderem den 1972 errichteten Turmbau Kozara im gleichnamigen Nationapark in Bosnien und Herzegowina. Ebenso das 1967 gebaute und gleich einem Flügelpaar gestaltete Denkmal für die Revolution der Einwohner von Moslavina, das in Podgarić in Kroatien steht. Oder das 1981 im serbischen Čačak eingeweihte Mausoleum des Kampfes und Sieges, das einer steinernen Halle ähnelt. Aber auch moderne Denkmäler verewigte die chinesische Fotografin. Darunter den Christus von Harghita im rumänischen Lupeni. Und auch die Landmarke Lausitzer Seenland in Senftenberg.

Die Arbeit wert

Bei jeder Fotoreise, sagt Yang Xiao, habe sie mit ihrer Light-Painting-Technik experimentiert und nach und nach vieles bessert. „Ich habe viele verschiedene Arten von Werkzeugen ausprobiert“, sagt sie. Grundsätzlich, das sei ihre Erkenntnis, könne man irgendwie alles einsetzen, was leuchtet. Aber mittlerweile habe sie ihre persönliche Ausrüstung perfektioniert – und halte sie so kompakt wie möglich. Dazu gehöre eine starke LED-Taschenlampe, drei kleinere Taschenlampen mit unterschiedlichen Lichtfarben, ein selbst gebastelter Leuchtstab und ein Laserpointer. Das wäre es auch schon.

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Ich versuche, die Schönheit dieser Denkmäler auf eine neue Weise präsentieren.

Yang Xiao

Trotz all der Erfahrung, die die Fotografin gesammelt hat, sei jedes Monument eine Herausforderung. Schließlich gehe es darum, den besten Weg zu finden, es in Szene zu setzen. Und das könne manchmal ziemlich anstrengend sein. Auch körperlich. Um die Aufgänge der Landmarke Lausitzer Seenland mit feurigen Lichttrassen zu verzieren und in ein kühles LED-Licht zu tauchen, musste sie die Treppen mehrmals mit dem Laserpointer in der einen und einer Taschenlampe in der anderen Hand hoch und runter sprinten, bis alles so aussah, wie sie es sich wünschte. Beim Fototrip zum Kosmaj-Monument in Serbien sei sie hingegen über Nacht vollkommen eingeschneit worden und musste im Wagen übernachten. „Ich konnte am nächsten Morgen meine Beine nicht spüren“, sagt sie.

Laut Yang Xiao seien die Ergebnisse aber die Mühe mehr als Wert. „Ich versuche, die Schönheit dieser Denkmäler auf eine neue Weise präsentieren“, sagt sie. „Indem ich die Lichtmalerei verwende, versuche ich, eine Tür zu schaffen: eine Tür, die Vergangenheit und Zukunft, Wohlstand und Verfall, Ruhm und Schmerz verbindet – und auch eine Verknüpfung zwischen mir und den Denkmälern schafft.“ Denn auch wenn die Menschheit irgendwann verschwinden sollte, viele der Denkmäler würden noch eine ganze Weile überdauern. Und die Fotos seien für sie selbst ein Beweis, dass sie selbst Teil dieser Denkmäler und deren Erbe ist.

Ihr könnt Yang Xiao unter anderem auf Flickr und Instagram folgen.

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Teaser-Bild: Yang Xiao

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