Während ein erster Musikverleger gegen einen mittels Künstlicher Intelligenz generierten Song vorgeht, will die kanadische Künstlerin Grimes ihre Stimme für andere freigeben. Jeder soll sie mittels KI klonen dürfen – wenn die Einnahmen mit ihr geteilt werden.
Von Michael Förtsch
Am vergangenen Wochenende sorgte ein vermeintliches Duett der Musikkünstler Drake und The Weeknd für Schlagzeilen. Denn der Song Heart on my sleeve, der sich auf TikTok und anderen Plattformen verbreitete, war nicht von den Künstlern eingesungen – oder eingerappt. Stattdessen wurden ihre Stimmen ohne Genehmigung geklont und in Deepfake-Manier an die Gesangs- und Rap-Passagen angepasst, die der Komponist selbst eingesprochen und gesungen hat. Ganz ohne Mensch geht es noch nicht. Dennoch überzeugte das Werk des Nutzers ghostwriter977 viele Hörer. Manche waren ganz begeistert. Vor allem aber löste Heart on my sleeve eine Debatte rund um KI-Musik aus – insbesondere um Songs, für die die Stimmen und die Stile bekannter Künstler adaptiert werden. Die Universal Music Group, die Drake und The Weeknd exklusiv vermarktet, ließ den Titel jedenfalls umgehend sperren, was seine Weiterverbreitung aber nicht stoppte.
Einen ganz anderen Umgang mit KI-Songs gelobt die Sängerin Claire Elise Boucher, besser bekannt als Grimes – und als ehemalige Lebensgefährtin von Elon Musk.
Auf Twitter erläuterte Grimes, dass sie nichts dagegen habe, wenn ihre Stimme digital geklont und für Musikstücke genutzt würde. „Ihr seid frei, meine Stimme ohne strafrechtliche Folgen zu verwenden“, schrieb die Kanadierin. Sie habe keinen Vertrag mit einem Musiklabel und daher auch niemanden, der ihr Vorgaben machen könne, wie sie mit dem Thema umgehen soll. „Ich finde es cool, mit einer Maschine verschmolzen zu sein“, so Grimes weiter. „Und mir gefällt der Gedanke, dass alle Kunstwerke offen zugänglich sind und das Urheberrecht abgeschafft wird.“
Wer einen Hit mit ihrer Stimme komponiert, solle auch daran verdienen. Doch die Sängerin möchte dann beteiligt werden. Sie wolle 50 Prozent der Tantiemen einstreichen. „Das ist der gleiche Deal wie mit jedem anderen Künstler, mit dem ich zusammenarbeite“, so Grimes. Und noch eine weitere Einschränkung macht die Künstlerin, obwohl sie „wirklich keine Regeln aufstellen“ wolle. Sie möchte nicht, dass ihre Stimme für beleidigende oder toxische Lieder missbraucht wird. Sie wolle beispielsweise nicht gegen ihren Willen die Texte von Nazihymnen oder Liedern singen, die sich gegen das Recht auf Abtreibung richten. Gegen derartiges würde sie notfalls auch mit Rechtsmitteln vorgehen.
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Jetzt Mitglied werden!Grimes kündigte an, dass sie und ihr Team bald einige Sprach- und Gesangsausschnitte veröffentlichen werden, die für das Training von Stimmgeneratoren und KI-Modellen genutzt werden können. Die ersten Experimente dürften nicht allzu lange auf sich warten lassen. “Wir erwarten ein gewisses Maß an Chaos”, so die Sängerin. Sie erwarte, dass viel Schund mit ihrer Sitmme produziert werde. Aber ihr Ziel sei es immer gewesen, Grenzen zu überschreiten. Sie wäre daher sehr interessiert daran, zu sehen, was passiert.
Die kanadische Künstlerin ist nicht die erste, die ihre Stimme für die Nutzung durch andere frei gibt. Bereits 2021 hatte die in Berlin lebende und arbeitende Multimediakünstlerin und Sängerin Holly Herndon ihre Gesangsstimme für ein Projekt namens Holly+ digitalisieren lassen. Über die Website von Holly+ können Gesangsaufnahmen hochgeladen werden, die anschließend mit der Stimme von Holly überschrieben werden.
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