Die IAA in München ist dieses Jahr wieder eine Auto- und keine Mobilitätsmesse

Die IAA wollte sich als Mobilitätsmesse neu erfinden. In diesem Jahr ist davon wenig zu spüren und zu sehen. Vorherrschend sind die Auftritte chinesischer Autobauer, die sich den deutschen Konkurrenten gegenüber als ebenbürtig präsentieren. Alternative Mobilitätsformen gibt es kaum zu sehen.

Von Michael Förtsch

Vor zwei Jahren sollte auf der Internationalen Automobil-Ausstellung alles anders werden. Nicht nur, weil aufgrund der Corona-Pandemie bis zuletzt unsicher war, ob und wie die Messe stattfinden könnte, oder, weil sie von Frankfurt nach München zog. Die IAA sollte sich auch wandeln und neu erfinden. Denn infolge der Klimakrise wünschen sich viele Menschen alternative Mobilitätformen, Städte wenden sich vom PKW ab und die Fahrradkultur erstarkt. Der reine Fokus aufs Auto schien da schon 2021 nicht mehr ganz zeitgemäß.

Aus der IAA wurde daher die IAA Mobility, die sich natürlich weiterhin vor allem, aber nicht nur ums Auto drehte. Nicht wenige Hersteller präsentierten neue und andere PKW-Konzepte: Gegenentwürfe zum SUV-Hype oder das Auto als Teil einer Kreislaufwirtschaft. Hinzu kamen zahlreiche Aussteller, die Alternativen zum PKW vorstellten: Fahrräder, Scooter, Busse und weitere Ideen. Mobilität als ganzheitliches Lebens- und Zukunftskonzept. Davon ist auf der diesjährigen Messe allerdings wenig zu erspähen.

Wer auf der IAA Mobility 2023 durch die Messehallen schlendert, sieht fast ausschließlich Autos. Vor allem futuristische Konzeptfahrzeuge und luxuriös ausgestattete Limousinen – nebst wuchtigen SUVs, die zweifeln lassen, ob sie überhaupt in die heimische Garage oder auf den Parkplatz vor dem Haus passen. Die meisten davon stammen allerdings nicht von den bekannten Namen der Automobilindustrie, sondern von Herstellern aus China. Seres, Leapmotor, Forthing, Denza und Xpeng sind nur einige Marken, die da an den Messeständen prangen. Während viele Autobauer einige ausgewählte Modelle vorstellen, präsentiert BYD – kurz für Build Your Dreams –, einer der größten Automobilproduzenten in China, gleich ein Portfolio von sechs verschiedenen Fahrzeugmodellen, die bald Europa erobern sollen.

Nicht wenige erfahrene Beobachter der Branche bewerten das als Warnsignal an BMW, VW, Mercedes und Co., dass fernöstliche Autobauer massiv aufgeholt und sie in einzelnen Bereichen wie der Digitalisierung bereits überrundet haben. Einige Experten sehen sogar schon ein Bröckeln der Relevanz der westlichen und insbesondere der deutsche Autobauer. Diese hätten über die vergangenen Jahre nicht nur zahlreiche Trends, sondern auch essentielle Transformationsprozesse verschlafen oder ignoriert. Nicht Deutschland, sondern China habe sich zum Leitmarkt und Treiber der Elektromobilität auf der Straße entwickelt, heißt es.

Wo sind die anderen Mobilitätsformen?

Kompakte und kleine Fahrzeuge sind auf der IAA auch diesmal die Ausnahme. Neben unzähligen SUV-Varianten sind aber immerhin der lange erwartete Microlino von Micro Mobility aus der Schweiz, der in Italien erdachte, jedoch in China gebaute Mini-City-Flitzer XEV Yoyo, der T03 von Leapmotor oder der Komi vertreten, ein Mini-E-Auto, das auf der Messe jedoch mit schlecht schließenden Türen zu kämpfen hat. Der einzige relevante kompaktere Wagen eines namhaften westlichen Autobauers? Die Golf-artige E-Auto-Konzeptstudie id.2all von VW, die frühestens Ende 2025 in ein Serienfahrzeug müden soll, das unter 25.000 Euro auf den Markt kommt.

Und Alternativen zum Auto? Die finden schon statt, aber sind vergleichsweise rar – insbesondere im Vergleich mit der IAA 2021. Auf einem sogenannten Open Space in der Innenstadt, fernab des Messegeländes, findet sich zwar eine Rad-Teststrecke samt verschiedener Fahrräder von unterschiedlichen Herstellern. Doch auf dem Messegelände selbst ist von ihnen kaum etwas zu sehen. Der E-Bike-Hersteller Stromer ist vertreten. Außerdem präsentierten einige Anbieter elektrifizierte Lastenräder oder Cargo-Bikes, die im Fall von EAV aus England das Fahrzeug eines Pizzalieferanten, im Falle des niederländischen Start-ups Fulpra sogar den Kleinlaster eines Paketzustellers ersetzen könnten.

Auch jenseits der Pedalfahrzeuge findet sich zum „Es muss nicht immer das eigene Auto sein“-Gedanken nur wenig. Lösungen oder neue Ideen für den nicht-individuellen und den öffentlichen Nahverkehr? Spärlich vertreten. Der Automobilzulieferer Schaeffler und das Start-up Benteler stellen jeweils ein Model ihrer autonomen Mini-Busse vor, die insbesondere in Randgebieten und ländlichen Gegenden für eine dynamischere und verlässliche Mobilität ohne eigenen PKW sorgen sollen. Außerdem präsentiert Inyo Mobility aus Garching bei München ein autonomes und besonders leichtes Mini-Taxi, das einerseits den bestehenden Nahverkehr ergänzen, aber genauso als selbstfahrendes Liefer- und Transportvehikel taugen soll. Und auf dem Königsplatz haben die Entwickler von TUM Hyperloop den aktuellen Prototyp ihrer Hyperloop-Kapsel aufgebaut.

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Auch wenn der Autoverband VDA immer wieder betont, dass es bei der IAA um die „Ökosysteme der Mobilität“ gehe – und eben nicht oder zumindest nicht nur um das Auto: Wirklich überzeugen kann die IAA Mobility als holistische Mobilitätsmesse in diesem Jahr nicht. Schon bei den Autos geht es fast nur noch um große, schwere Modelle und nicht um effiziente, sparsame Kleinwagen. Zu wenig wird außerdem das breite Feld der Mobilitätsmöglichkeiten jenseits des Autos beleuchtet. Oder der Debatte Raum gegeben, wie moderne Städte mit weniger PKWs aussehen und zuverlässig für Menschen funktionieren könnten. Denn viel zu oft geht es in Städten ohne das Auto immer noch nicht. Das wurde besonders beim Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock sichtbar. Die reiste mit dem Zug und der U-Bahn zur IAA. Doch für den Rückweg brauchte sie ein Auto – denn aufgrund eines Oberleitungsschadens am Münchner Hauptbahnhof herrschte über Stunden das Chaos im Schienennetz der bayerischen Hauptstadt.

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