Pünktlich zur Corona-Quarantäne ist auf Amazon die Science-Fiction-Serie Tales from the Loop gestartet. Die basiert auf einer Reihe von Malereien des Künstlers Simon Stålenhag. Der erdachte eine 80er-Jahre-Welt, die von bizarren High-Tech-Geräten und bizarren Mysterien durchsetzt ist.
Von Michael Förtsch
Die Bilder des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag sind ein Fenster in eine verblüffende Welt. Sie zeigen Szenen aus dem schwedischen Hinterland der 1980er- und 1990er-Jahre. Es sind verschneite Landschaften mit kleinen Häusern, vor denen Volvos parken. Es sind weite Felder, auf denen ein Bauer eine alte Scheune repariert. Es sind Wiesen, auf denen die Dorfjugend mit dem alten VW Golf der Eltern eine Runde dreht. Aber im Hintergrund der Bilder zeigen sich Dinge, die es so nie gegeben hat. Da ragen gigantische Türme in den Himmel. Meterhohe Roboter stapfen umher. Inmitten eines Moores liegt eine Kapsel, die aussieht, als wäre sie aus dem Weltall gestürzt. Und statt von dicken Reifen wird ein Traktor von Antigravitations-Platten in der Luft gehalten.
Mit diesen Szenen hat Stålenhag nach und nach eine retro-futuristische Alternativwelt erschaffen, die er in einem Bildband mit einer dünnen, aber faszinierenden Hintergrundgeschichte versehen hat. Es ist eine Welt, in der Technologie den Menschen weitaus wichtiger war als in unserer Realität – und die er Ur Varselklotet nannte, oder auch: Tales from the Loop. Unter eben jenem Titel hat Amazon nun eine Serie produziert und veröffentlicht, die sowohl die Geschichte des Loop-Universums, die sich Stålenhag ausmalte, als auch einige spezifische Malereien in bewegte Bilder übersetzt. Das ist überraschend gut gelungen.
Für die Serie verlegten die Amazon-Produzenten das Geschehen jedoch von der schwedischen Provinzidylle in die fiktive Kleinstadt Mercer, Ohio. Unter der wurde in der Serie schon vor Jahrzehnten ein gigantischer Teilchenbeschleuniger samt Forschungszentrum gebaut. Nahezu die gesamte Stadt und das Leben dort ist auf und um den sogenannten Loop ausgerichtet, dessen Wirkung und Präsenz so geheimnisvoll wie allgegenwärtig scheint. Gearbeitet wird „unter der Erde“, wie es bei den Einwohnern heißt. Aber die Ausläufer des Loops erstrecken sich bis weit über die Oberfläche. Sie sind in Form von Kühltürmen, Luken, dicken Kabelsträngen und absonderlichen Antennenanlagen unübersehbar. Aber vor allem ist es der Einfluss, den der Loop auf die Menschen ausübt, der ihn stets präsent macht.
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Tales from the Loop ist eine Anthologie-Serie gleich Black Mirror. Jede Folge erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte. Die sind jedoch über die handelnden Personen, ihre Beziehungen zueinander und die Schicksale, die sie durchleben, miteinander verknüpft. Bereits in der ersten Folge verschwindet die Mutter eines jungen Mädchens, nachdem sie ein Bruchstück einer geheimnisvollen Kugel, die im Loop erforscht wird, mit nach Hause nahm und untersuchte. Auch das Haus, in dem Mutter und Tochter lebten, ist verschwunden. Es wurde einfach in den Himmel gesaugt. Etwas, das aber sonst niemanden im Örtchen aufgefallen ist oder zu interessieren scheint.
Sowieso stehen und liegen in der Welt des Loop-Universums merkwürdige Geräte und Maschinen mit immensen Kräften einfach nur so herum. Sie warten geradezu darauf, gefunden zu werden. Etwas, das außer den Kindern niemand zu hinterfragen scheint. In einer weiteren Episode finden etwa zwei junge Männer im Wald eine Kugel, die es ihnen erlaubt, die Körper zu tauschen – und damit ihre Leben. Dumm nur, als einer von beiden nicht mehr zurücktauschen will. Dann wieder findet ein Mädchen eine Thermoskannen-artige Apparatur, die für sie und ihren Freund die Zeit anhalten kann. Als der Zeitstopper kaputt geht, bröckelt jedoch die junge Liebe.
Die einzelnen Folgen sind weniger epochale Science-Fiction-Geschichten oder warnende Black-Mirror-Dystopien, sondern eher lyrische Parabeln und kleine Gedankenexperimente zu Moral, Ethik, Vernunft und Zwischenmenschlichkeit. Und teils auch melancholisch aufgeladene Aufarbeitungen allzu alltäglicher Konflikte, die jeder mit einer Familie kennt. Das alles wird langsam und unaufgeregt vorgetragen. All das passt tatsächlich wunderbar in die kleinstädtischen und nostalgischen Kulissen, in der die wunderlichen Apparate des Loop in den Häusern der Protagonisten selbst von biederen Röhrenfernsehern, Wandtelefonen mit Ringelkabeln und grau-gelblichen Heimcomputern kontrastiert werden.
Wunderschön aber nicht immer logisch
So abgeschlossen die acht Episoden von Tales from the Loop auch sind, so existiert doch auch eine übergreifende Geschichte, die sich nur langsam zusammen puzzelt. Es geht dabei primär um Wertschätzung, familiären Zusammenhalt und Beisammensein – und wie fragil diese Dinge doch sein können. Wo die einzelnen Handlungen unter Regie von beispielsweise Mark Romanek, Jodie Foster und Ti West einen guten Abschluss finden, so mag das bei dieser Gesamterzählung leider nicht so gut funktionieren. Denn obschon es zur Welt von Tales from the Loop gehört, den eigenen Mythos nur bedingt zu erklären, machen es sich die Autoren leider etwas zu einfach damit, Figuren in der Zeit mal nach vorne und wieder nach hinten springen zu lassen, um das große Drama zu provozieren und zu einem Ende zu führen.
Tales from the Loop erscheint mit seiner entschleunigten, fast schon distanziert unaufgeregten Erzählweise und den intimen Geschichten wie ein erfrischender Gegenentwurf zu Stranger Things, Black Mirror und anderen gegenwärtigen Science-Fiction-Serien. Denn es ist nachdenklich, verliert sich nicht in seiner Nostalgie, verfällt nicht in Hektik oder Alarmismus. Es bringt ruhig seine Geschichten vor und porträtiert eine futuristische Welt, die sowohl als heimeliger Ort der Sehnsucht als auch der traurigen Tragödie wirkt. Trotzdem lässt es sich nicht verleugnen, dass es vor allem die Szenen sind, die Simon Stålenhags Bildern nachempfunden sind, die die Serie tragen und besonders machen.
Teaser-Bild: Amazon