Deutschland soll bis 2035 zu 100 Prozent auf Ökostrom setzen

Die Bundesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen – auch aufgrund der Invasion in der Ukraine durch Russland. Bereits 2035 soll sämtlicher Strombedarf aus Windkraft, Sonnenenergie und anderen grünen Quellen gedeckt werden.

Von Michael Förtsch

Der Weltklimarat hat einen neuen Bericht veröffentlicht. Der zeichnet ein ziemlich düsteres Bild. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich stärker als bislang angenommen. Laut den Einstufungen der Wissenschaftler sind Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen bereits nachweislich häufiger geworden. Millionen Menschen fehlt infolge des Klimawandels bereits ein sicherer Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln. „Fast die Hälfte der Menschheit lebt in einer Gefahrenzone“, die zukünftig direkt und indirekt von den Folgen des Klimawandels betroffen sein könnte, sagte der UN-Generalsekretär António Guterres. Daher rufen die Klimaforscher dazu auf, sich zu beeilen, wenn es darum geht, die Energiegewinnung, Infrastruktur und Industrie auf CO2-Neutralität umzustellen.

In Deutschland soll das Tempo nun tatsächlich angezogen werden. Auch als eine Folge der Invasion der Ukraine durch Russland, die erneut die Abhängigkeit der Bundesrepublik von Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland aufzeigt. Derzeit bereitet die Bundesregierung einen kompletten Stopp von Gas- und Öl-Importen aus Russland vor. Laut einem Reuters vorliegenden Eckpunktepapier plant die Regierung aus SPD, Grünen und FDP nun den Ausbau von erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen. Bislang stand das Ziel bis spätestens 2050 eine Vollversorgung im Stromsektor mittels Windkraft, Wasserkraft und Solarstrom zu erreichen. Dieses Ziel soll nun auf 2035 vorgezogen werden. Bereits 2030 soll der Strom in Deutschland zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen – im Jahr 2021 lag der Anteil laut Umweltbundesamt bei 42 Prozent.

Laut Der Spiegel soll eine Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes bereits ausgearbeitet und zur Abstimmung an die betroffenen Ministerien gegangen sein. Darin sollen mehrere Maßnahmen ausgeführt sein, um das Programm umzusetzen. Unter anderem soll bis 2030 auf dem Festland eine Windkraftanlagenkapazität von 100 bis 110 Gigawatt und auf dem Meer von mindestens 30 Gigawatt erreicht werden – laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz lag der Ausbau 2020 auf dem Festland bei rund 54 und auf See bei rund acht Gigawatt. Damit soll sich die Zahl der Anlagen mehr als verdoppeln.

Noch nicht beschlossen ist eine Vereinfachung des sogenannten Repowerings von Windkraftlagen. Hierbei werden alte Anlagen am selben Standort durch neuere, oft leistungsfähigere und effektivere Windräder ersetzt. Das ist bisher schwierig und verhindert laut Umweltverbänden massiv den Ausbau der Windkraft an Land. Grund ist unter anderem, dass Baurecht und Bausicherheitsregularien angepasst werden müssten.

Solardächer sollen stärker gefördert werden

Ebenso aggressiv wie die Windkraft soll bei der Sonnenenergie ausgebaut werden. Deren installierte Leistung lag in Deutschland Ende des Jahres 2019 bei 47,5 Gigawatt. Bis 2035 soll diese auf 200 Gigawatt steigen. Erreicht werden soll dieser Schub durch zahlreiche Fördermaßnahmen. Hausbesitzer sollen stärker dabei unterstützt werden, ihr Dach mit einer Solaranlage nachzurüsten. Die Fördermaßnahmen sollen nicht wie bisher beim Zuwachs der installierten Kapazitäten abgesenkt werden.

Zusätzlich soll die Installation von Photovoltaikanlagen auf Agrarflächen bald eine Förderung erhalten. Wie Studien in den letzten Jahren zeigten, können Felder für den Anbau von Salat, Kartoffelpflanzen und anderem problemlos mit hochstehenden Solaranlagen überzogen werden – ohne, dass Ertragseinbußen zu befürchten sind. Zahlreiche Pflanzen würden sogar vom Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung profitieren. Wegfallen soll außerdem – zumindest in Teilen – die Ausschreibungspflicht für Bürgerprojekte, die Wind- und Solarinitiativen betreffen.

Die Bundesregierung will zudem Mindesterlöse für jede Kilowattstunde an Strom garantieren. Dabei soll verhindert werden, dass sich Anlagenbetreiber und Energieanbieter unzulässig mit Strompreisspitzen bereichern. „Lässt sich der Strom am Markt zu höheren Preisen verkaufen, müssen die Betreiber alle Einnahmen jenseits dieses Mindesterlöses zurückerstatten“, heißt es bei Der Spiegel. „Der Preiswucher im Ökostrombereich soll dadurch gestoppt werden.“

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100 Prozent sind nicht 100 Prozent

Die Umstellung der Stromerzeugung auf 100 Prozent erneuerbare Energien wäre ein gewaltiger Erfolg. Weiterhin kritisch ist der restliche Energiebedarf, der beispielsweise den Wärme- und Verkehrssektor umfasst. 2020 hatten die erneuerbaren Energie am Gesamtenergieverbrauch nur einen Anteil von 19,2 Prozent. Vor allem für das Heizen werden weiterhin große Mengen an Öl, Gas und Kohle verbrannt. Ebenso sind für das Gros des Verkehrs natürlich Benzin und Diesel notwendig, um den Betrieb sowohl von privaten als auch öffentlichen Verkehrsmittel zu garantieren.

Dieser sogenannte Primärenergieverbrauch lässt sich nicht unmittelbar mit erneuerbaren Energien aus Deutschland decken. Jedoch könnten sich zahlreiche dieser Sektoren in Zukunft auf Wasserstoff umstellen lassen, der sich in anderen Regionen der Welt weitaus günstiger und nachhaltiger erzeugen lässt. Seit Jahren war der Bedarf der sogenannten Primärenergieträger am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland rückläufig – unter anderem, da die Zuverlässigkeit erneuerbaren Energie stetig wächst und sich beispielsweise auch immer mehr PKW und öffentliche Verkehrsmittel mit normalem Strom statt Benzin oder Diesel betreiben lassen.

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