Ein Meeresforscher und ein Industriedesigner wollen das Unterwassergegenstück zur Internationalen Raumstation bauen. Sie planen eine Forschungseinrichtungen am Boden des Meeres, die Wissenschaftlern aus aller Welt offenstehen soll. Langfristig wollen sie rund um die Welt solche Station errichten.
Von Michael Förtsch
Wir wissen mehr über den Weltraum als über die Ozeane der Erde. Das ist ein Satz, der immer wieder mal in Dokumentationen fällt. Er stimmt zwar nicht wirklich. Jedoch ist beispielsweise tatsächlich mehr über die Oberfläche des Mondes als über den Meeresboden bekannt. Während wir von unserem Erdtrabanten zahlreiche hochaufgelöste Fotos besitzen, sind gerade einmal knapp über fünf Prozent des Meeresbodens erforscht und nur knapp 20 Prozent davon kartographiert. Noch weniger wissen wir darüber, was da unten eigentlich alles vorgeht und lebt. Genau das will nun der Tiefseetaucher und Meeresforscher Fabien Cousteau ändern, der Enkel des legendären Jacques-Yves Cousteau. Dafür will er ein Äquivalent zur Raumstation ISS auf dem Meeresboden bauen.
Gemeinsam mit dem Industriedesigner Yves Béhar hat Fabien Cousteau eine Forschungsstation entworfen, die sie Proteus getauft haben. Die gleicht zwei übereinander gestapelten Scheiben, die auf dicken Beinen stehen. An die Ringe sollen sich je nach Bedarf Kapseln andocken lassen, die beispielsweise Labore, Schlafquartiere, einen Medizintrakt oder auch einen Moonpool enthalten, über den Taucher in den Ozean steigen können. Auch ein Gewächshaus und ein Produktionsstudio für Video- und Bildmaterial soll es geben.
Inspiriert sei die futuristische Anlage von realen Raumstationen, Raumschiffen in Science-Fiction-Filmen aber auch von minimalistischen Hotelanlagen und Miniaturappartements in Japan. Denn auf knapp 40 Quadratmetern soll nicht nur alles vorhanden sein, was es für die Arbeit braucht, sondern auch für das Alltagsleben. Über Tage, Wochen oder sogar Monate sollen die Forscher dadurch dort angenehm arbeiten können, ohne an die Oberfläche zurückzukehren. Betrieben werden soll die Anlage über Solarenergie und Meereswärmekraft.
„Die Erforschung der Ozeane ist 1.000 Mal wichtiger als die Erforschung des Weltraums“, sagt Fabien Cousteau zu CNN. „Es ist unser Lebenserhaltungssystem. Es ist der eigentliche Grund, warum wir überhaupt existieren.“ Die Ozeane zu erforschen sein daher ein Beitrag dazu, unser Überleben auf der Erde zu sichern.
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Jetzt Mitglied werden!Es soll nicht bei einer Station bleiben
Bei Proteus soll es sich nicht nur um eine futuristische Idee handeln, sondern ein Projekt, das mit allen nötigen Mitteln verwirklicht werden soll. Bereits seit mehreren Jahren sollen Fabien Cousteau und Yves Béhar daran gearbeitet haben. In drei Jahren, so der derzeitige Plan, könne die erste derartige Station fertig gestellt werden. Kostenpunkt: rund 135 Millionen US-Dollar. Erste Finanziers hat das Duo bereits gefunden. Als Standort soll ein Streifen des Karibischen Meers vor der Küste der Insel von Curaçao dienen. Rund 20 Meter unter der Meeresoberfläche soll das Unterwasserhabitat verankert werden.
Wie Fabien Cousteau sagt, soll die Station Forschern aus aller Welt offen stehen – seien sie von privaten Institutionen, Universitäten oder Regierungsstellen –, um die Unterwasserwelt, die Folgen des Klimawandels zu erforschen oder medizinische und geologische Wissenschaftsprojekte zu betreiben. Aber auch für Initiativen in Sachen Robotik, erneuerbare Energien, Genetik, Nachhaltigkeit und sogar der Raumfahrt sieht er einen potentiellen Nutzen.
Langfristig sollen, wenn es nach dem Meeresforscher geht, derartige Stationen in allen großen Ozeanen zu finden sein. Dadurch soll ein ganzes Netzwerk entstehen, das es Forschern erlaubt, gemeinsam an umfassenden Projekten zu arbeiten. Ebenso könnten die Unterwasserstationen als Sensorbaken für Frühwarnsysteme dienen und so Tsunamis, Wirbelstürme oder auch Erdbeben vorhersagen lassen. Auch will Fabien Cousteau die Ozeane und seine Bewohner sichtbarer machen. Nämlich mit Livestreams und Virtual-Reality-Erfahrungen aus den Tiefen des Meeres.
Teaser-Bild: Yves Béhar/Fuseproject