Viele Unternehmen rutschen durch den Ausbruch und die Ausbreitung des Coronavirus in die Krise. Eine Branche erlebt jedoch einen Aufschwung – zumindest in China. Dort verzeichnet ein Start-up zahlreiche Bestellungen für autonom fahrende Lieferbusse. Die kann es jedoch gar nicht alle bedienen.
Von Michael Förtsch
Weltweit haben sich über 114.000 Menschen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert, das die Erkrankung COVID-19 verursacht. Die Zahl der Toten ist auf über 4.000 gestiegen. Das bedeutet nicht nur eine medizinische Herausforderung, sondern auch eine wirtschaftliche. Firmenlenker und Ökonomen fürchten, dass zahlreiche Unternehmen durch die Krise Schaden nehmen könnten, weil die Produktion in chinesischen Fabriken heruntergefahren wird, Lieferketten unterbrochen werden, Bestellungen ausbleiben und Mitarbeiter ausfallen. Einige Firmen allerdings scheinen durch das Coronavirus zu gewinnen – und zwar nicht nur Produzenten von medizinischen Masken, Desinfektionsmitteln und Toilettenpapier oder Anbieter von Videokonferenz-Lösungen. Auch Start-ups, die an selbstfahrenden Fahrzeugen arbeiten, profitieren. Das berichtet zumindest Bloomberg.
Unter anderem soll das chinesische Unternehmen Neolix seit dem Ausbruch des Virus zahlreiche Aufträge angesammelt haben. Allein in den letzten zwei Monaten seien 200 Exemplare der kleinen autonomen Lieferfahrzeuge geordert worden, die Neolix produziert. Unter den Kunden sind dem Bericht zufolge die Versand- und Tech-Unternehmen Alibaba und JD.com oder auch der Liefer- und Bringdienst Meituan-Dianping. Im ganzen vorherigen Jahr habe Neolix dagegen nicht einmal 125 seiner Fahrzeuge absetzen können.
Der Grund für den steigenden Bedarf? Durch die autonomen Lieferfahrzeuge, die von Neolix als rollende Mini-Märkte, Paketboxen und Fastfood-Zustellwagen angeboten werden, wird die Interaktion mit anderen Menschen reduziert – und dadurch die Ansteckungsgefahr. Gleichzeitig versprechen die kleinen Lieferwagen, ausgefallenes Personal zu kompensieren. Dadurch können die Unternehmen weiterhin ihre Waren ausliefern und sich in Quarantäne befindliche Menschen mit dem nötigsten versorgen lassen.
Ein Chance für US- und EU-Unternehmen?
„Der Bedarf steigt seit dem Virusausbruch enorm“, sagt Yu Enyuan, Chef von Neolix. „Wichtiger jedoch: Die Wahrnehmung von fahrerlosen Fahrzeugen hat sich seitdem um 180 Grad gedreht.“ Um den Bestellungen nachzukommen werden bei Neolix derzeit Extraschichten geschoben. Denn nahezu alle bisherigen Bestandsfahrzeuge werden momentan eingesetzt, um medizinisches Gerät, Medikamente und Nahrungsmitteln zwischen Versorgungsstellen, Krankenhäusern und medizinischem Außenpersonal zu transportieren. Andere Fahrzeuge wurden umgerüstet, um Desinfektionsmittel in den Straßen zu verteilen. Unter anderem auch im Corona-Epizentrum Wuhan.
Dass das überhaupt möglich ist, hat ebenso mit der Ausnahmesituation zu tun. Selbst wenn in China selbstfahrende Fahrzeuge schneller und unter weniger scharfen Bedingungen erprobt werden dürfen, bestehen doch Regularien, die aufgrund der mancherorts menschenleeren Straßen aufgehoben wurden. Zusätzlich wollen chinesische Lokalregierung nun Pläne auflegen, um den Kauf von autonomen Fahrzeugen zu subventionieren. Bis zu 60 Prozent des Kaufpreises könnten zugeschossen werden. Das könnte möglicherweise auch ausländischen Unternehmen zugutekommen.
Start-ups wie Neolix haben mit mit Kapazitäts-, Fertigungs- und Lieferengpässen zu kämpfen. Nur 1.000 Fahrzeuge, glaubt Yu Enyuan, wären derzeit für das Unternehmen pro Jahr zu stemmen. Das eröffnet daher erfahrenen Start-ups wie beispielsweise dem französischen Navya und EasyMile oder auch den US-Unternehmen Nuro und Local Motors große Möglichkeiten. Die haben ihre selbstfahrenden Kleinbusse und Lieferfahrzeuge schon unter Realbedingungen auf befahrenen Straßen erprobt, ohne große allzu große Zwischenfälle zu verursachen. Die selbstfahrenden Busse Olli und Arma waren unter anderem auch schon in Deutschland unterwegs. Die könnten daher für chinesische Kunden sehr interessant werden.