Derzeit sorgt ein Animationsvideo für Kopfschütteln, Lacher und Vorwürfe. Es bewirbt Cryptoland, ein Projekt, das auf einem Eiland der Fidschi-Inseln ein Urlaubs- und Wohnparadies für die Kryptowährungsgemeinde aufbauen will. 1E9 hat mit den Planern gesprochen. Dennoch bleiben viele Fragen.
Von Michael Förtsch
Seit dem Start von Bitcoin und Ethereum hat sich viel getan. In den vergangenen Jahren sind Kryptowährungen von einem kuriosen Technologieexperiment zu digitalen Werten geworden, in die Großbanken und Firmen investieren, die in Milliarden Euro schwere Fonds aufgenommen werden und die selbst das Interesse von alteingesessenen Börsen wecken. Mit NFTs auf Blockchain-Ökosystemen werden Digitalkünstler plötzlich reich. Einfache Affenbilder verkaufen sich zu Preisen von Supersportwagen und Unternehmen wie Nike übernehmen Start-ups, die dafür bekannt sind, digitale Turnschuhe zu entwerfen. Es geschieht also unglaublich viel, das Außenstehenden kurios und bizarr erscheint. Ein Projekt namens Cryptoland sorgt aber nun selbst in der Kryptoszene für Verwunderung und Spekulationen. Denn die Planer wollen eine kleine Insel in ein Urlaubs- und Wohnparadies für Krypto-Enthusiasten verwandeln – zumindest angeblich.
In einem rund zehn Minuten langen Animationsfilm wird das Projekt angekündigt und beworben. Es zeigt, wie ein junger Mann namens Christopher auf dem „world’s first physical crypto island“ ankommt und von einer anthropomorphen Kryptomünze namens Connie umher geführt wird. Zu sehen gibt es Häuser in den Blockchain Hills und die Cryptoland Bay, ein Areal mit Veranstaltungs- und Büroplätzen sowie Bars. Dazu kommt das House of DAO, ein Inkubator für Krypto-Start-ups. Aber auch sprechende Lamborghinis, Krypto-Wallet-stehlende Möwen, eine Shitcoin-Toilette oder ein De-Stress-Room, der mit Plüschmünzen gefüllt ist, sind zu sehen. Die eigenwillige und dazu mit Szene-Memes und Witzen wie „To the Moon“ und „Hey Hey Heeeey“ aufgeladene Inszenierung sorgt für viel Spott, und ließ manche spekulieren, ob Cryptoland nicht vielleicht eine geniale Satire darstellt – oder einen Betrug.
Aber, wie die Macher von Cryptoland in einem kurzen Email-Interview gegenüber 1E9 versichern, sei Cryptoland keineswegs ein Scherz. „Das Projekt ist sehr echt“, heißt es vom von Max Oliver und Helena Lopez gestarteten Team. „Wir haben die Idee von Cryptoland entwickelt, weil wir uns als Krypto-Enthusiasten mit Gleichgesinnten in einer kryptofreundlichen und coolen Umgebung treffen wollten.“ Als die Arbeit an dem Plan für einen solchen Ort begann, habe es zwar eine Szene, aber nur wenige Konferenzen oder Treffpunkte gegeben. „Also dachten wir, dass es großartig wäre, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen, die Krypto lieben, ihren Urlaub verbringen, von dort aus arbeiten, Networking betreiben und Veranstaltungen besuchen können“, so die Cryptoland-Planer.
Keine Satire, sondern alles echt?
Bei der Insel, die im Video zu sehen ist, handelt es sich um Nananu-i-Cake, die zu den Fidschi Inseln gehört und nördlich von Viti Levu gelegen ist. Die 242 Hektar kleine Insel diente einst dem britischen Geschäftsmagnaten Harold Mitchell als Rückzugsort, ist aber weitestgehend unerschlossen und steht derzeit für acht bis zwölf Millionen US-Dollar zum Kauf. Das Team von Cryptoland habe sich die Insel über eine Absichtserklärung gesichert und will sie in den kommenden Jahren zu dem im Video zu sehenden Krypto-Rückzugsort verwandeln. Wobei die Insel weiterhin bei zwei Agenturen als „zum Verkauf“ gelistet ist.
Lasse man die Kryptothematik außer Acht, sei die Idee „gar nicht so schräg“, meinen die Cryptoland-Planer. „Es gibt viele Hotelketten, die eine private Insel kaufen, um dort ihre Resorts zu bauen. Wir wollen etwas Ähnliches machen, aber mit einem Kryptothema und einem Co-Working- und Inkubationsbereich für Projekte, um Produkte zu entwickeln, einem Bereich für Partys und einem kleinen Bereich für diejenigen, die dort ein festes Haus haben wollen, anstatt in der Ferienanlage zu wohnen.“
Finanziert werden soll die Unternehmung nicht durch klassische Investments, sondern auf Krypto-typische Weise. Insgesamt sollen auf der Insel auf 60 Parzellen kleine Bungalows gebaut werden, die sich wohlhabende Krypto-Enthusiasten als NFT kaufen können. Jeweils zu einem Preis von 319 ETH – gegenwärtig also rund 950.000 Euro. Ob sich ein derartiges Projekt mit diesen Summen umsetzen lässt, ist fraglich und aus rechtlichen Gründen dürfen nur Nicht-US-Bürger eine Parzelle erstehen.
Das hinsichtlich der Umsetzungsplanung und rechtlichen Situation durchaus wage Projekt hat zu Spekulationen geführt. Cryptoland sei womöglich nur ein Luftschloss oder sogar eine Betrugsmasche, wurde etwa auf Twitter gemutmaßt – oder es werde enden, wie das berühmt berüchtigte Fyre Festival. Ebenso merkt beispielsweise Callum Booth von The Next Web an, dass die Insel „nicht groß genug für all die Bereiche zu sein scheint, die das Cryptoland-Team da plant“. Wobei die Insel jedoch rund 40 Hektar mehr an theoretisch bebaubarer Fläche bietet als das 18.000-Einwohner-Fürstentum von Monaco.
Ein Traumprojekt
Laut dem Cryptoland-Team kamen die Spekulationen und Vorwürfe „aus heiterem Himmel“ und die Debatte sei dann schnell eskaliert. Die Interaktion mit den Kritikern sei „unglücklich“ abgelaufen. „Cryptoland ist ein neues Projekt, das sich stark von allen bisherigen Projekten in diesem Bereich unterscheidet, daher ist es normal, dass einige Leute misstrauisch werden“, so eine Email von Cryptoland. Das Animationsvideo habe da nicht geholfen, bei dem einige 3D-Künstler nun Vorwürfe erheben, es würden 3D-Modelle verwendet, für deren Verwendung sie nicht bezahlt wurden.
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Jetzt Mitglied werden!„Das Video war als Spaß gedacht, um Aufmerksamkeit zu erregen“, erläutert das Cryptoland-Team. „Es fanden einige Leute wohl nicht sonderlich lustig oder haben [die Memes und Witze] nicht verstanden, also wurde es falsch interpretiert.“ Die Cryptoland-Planer beteuern, dass bereits mehrere Jahre an Vorarbeit in das Konzept geflossen wären und es „ein Traumprojekt“ darstelle. Das Team hoffe, dass Cryptoland eine Chance gegeben wird.
Bislang lässt sich aber dennoch nicht mit Sicherheit sagen, ob Cryptoland nicht vielleicht doch nur eine sehr elaborierte Parodie der eigenwilligen Kultur der Krypto-Enthusiasten darstellt oder allzu eiffrige Spekulanten über das Ohr gehauen werden sollen. Wie Jemima Kelly von der Financial Times anmerkt, sei die für Cryptoland geplante Kryptowährung $CON – was auch die englische Abkürzung für einen Betrug ist. Andererseits ist Cryptoland bei weitem nicht die einzige derartige Idee. Mit Satoshi Island existiert ein weiterer Plan für ein Inselparadies, das vermögenden CryptoBros und CryptoSis eine Heimat mit Gleichgesinnten verspricht.
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Titelbild: Cryptoland