Belgische Forscher haben Solarpaneele entwickelt, die Wasserstoff statt Strom erzeugen

Mit Solarpaneelen lässt sich bisher vor allem Strom erzeugen. Wissenschaftler aus Belgien haben nun Paneele entwickelt, die das Sonnenlicht nutzen, um aus der Feuchtigkeit in der Luft speicherbaren Wasserstoff zu gewinnen. Bald schon sollen erste Exemplare für größere Pilotprojekte entstehen.

Von Michael Förtsch

Um den Klimawandel zu begegnen, muss sich die Art und Weise, wie Energie gewonnen wird, ändern. Viele Klimawissenschaftler sehen dabei nicht nur die Abkehr von fossilen Brennstoffen als notwendig an, sondern auch eine dezentralere Erzeugung von grünen Energien. Insbesondere von Strom, der schon jetzt mit Solarpaneelen auf zahlreichen Dächern gewonnen werden kann. Aber auch von grünem Wasserstoff, der lange gespeichert, verbrannt und mit Brennstoffzellen zuverlässig in Strom umgewandelt werden kann. Belgische Ingenieure der Katholieke Universiteit Leuven wollen sich diesem Problem stellen. Sie haben unter dem Namen The Solhyd Project Solarpaneele entwickelt, die statt elektrischem Strom an Ort und Stelle sauberen Wasserstoff erzeugen.

Vor zehn Jahren soll die Forschung an den Paneelen begonnen haben. Deren Funktionsweise ist grundsätzlich recht simpel. Die Paneele sind mit Solarzellen bestückt. Die werden jedoch nicht genutzt, um Strom zu generieren, der in ein Speichersystem oder das Stromnetz gespeist wird. Stattdessen wird die einfangen Sonnenenergie – beziehungsweise die Photonen des Lichts – genutzt, um einen Prozess namens photokatalytische Wasserspaltung zu provozieren. Bei dieser künstlichen Photosynthese wird das in der Umgebungsluft enthaltene Wasser, das durch den Unterbau der Paneele strömt, in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der gewonnene Wasserstoff wird dann direkt über eine Leitung abgeführt und in einem Tank gespeichert.

Laut den Entwicklern wird mit ihrem Prozess der Energieverlust vermieden, der entsteht, wenn Solarstrom erst erzeugt und gespeichert wird, um zu einem späteren Zeitpunkt für die Wasserstofferzeugung via Elektrolyse genutzt zu werden. Mit den Paneelen von The Solhyd Project könnten bis zu 15 Prozent des Sonnenlichts direkt für die Gewinnung von Wasserstoff genutzt werden. Je nach dem Feuchtegehalt der Luft sei es möglich pro Tag bis zu 250 Liter Wasserstoff mit einem Paneel zu produzieren. 20 Paneele sollen genug Wasserstoff hervorbringen, um einen Wasserstoff-PKW für ein Jahr zu versorgen. „Überall auf der Welt gibt es Wasserdampf in der Luft, selbst an den trockensten Orten der Welt“, so Johan Martens, einer der Entwickler.

Erste Testläufe sollen starten

Seit Anfang 2021 wurden die ersten Paneele erprobt. Unter anderem auf den Dachanlagen des Gasuternehmens Fluxys Belgium nahe Anderlecht. Der Wasserstoff konnte dann unter anderem zum Heizen, zum Betanken eines Wasserstofffahrzeugs oder zur Stromgewinnung über eine Brennstoffzelle genutzt werden. Die Entwickler sehen ihre Paneele zunächst vor allem im industriellen und gewerblichen Einsatz. Sie könnten genutzt werden, um Wasserstoff für LKWs, Schiffe oder Flugzeuge mit entsprechenden Antrieben zu erzeugen, wo diese genutzt werden – bei Speditionen, Logistikzentren, Häfen und Flughäfen. Oder sie könnten Industrieunternehmen dabei helfen, einen Teil des Wasserstoffs, den sie verbrauchen, selbst zu produzieren. Langfristig sollen die Paneele aber auch auf Wohnhäusern zu finden sein.

The Solhyd Project will bereits in Kürze erste Paneele für größere Pilotprojekte produzieren, bevor dann die Massenfertigung beginnt. Unterstützt werden die Macher unter anderem vom Horizon 2020 Programm der Europäischen Union. Ganz ohne Kritik ist das Projekt jedoch nicht. Unter anderem da Wasserstoff leicht entflammbar ist und dadurch eine Installation von mehreren Paneelen zum Sicherheitsrisiko werden könnten – insbesondere, wenn diese stetig Wind und Wetter ausgesetzt sind. Außerdem argumentieren einige Energieexperten, dass die dezentrale Produktion und Speicherung von elektrischem Strom in Batterien langfristig effektiver sei, weil dieser universeller nutzbar und einfacher speicherbar wäre.

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Einen konkreten Preis können die Entwickler von The Solhyd Project für ihre Paneele noch nicht nennen. Denn derzeit entstehe jedes davon in Handarbeit und sei damit eine Spezialanfertigung. Jedoch hoffen die Forscher, dass die Paneele irgendwann so günstig sein könnten, wie vergleichbare Solarpaneele zur Stromgewinnung. The Solhyd Project ist übrigens nicht das einzige Projekt, das für eine heimische Gewinnung von Wasserstoff wirbt. Das Fraunhofer IAP entwickelt und erprobt Mini-Windkraftanlagen, die klein, günstig, leise und sicher genug sein sollen, um in jedem Garten aufgestellt werden zu können. Hierbei soll Strom erzeugt und direkt für die Elektrolyse eingesetzt werden.

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Dies kam gerade als anonymer Leserbrief zum Thema rein:

"Um Wasserstoff zu speichern muss er auf 700 bar komprimiert werden oder auf rund -250° heruntergekühlt werden und es müssen hochdichte Behälter und Armaturen verwendet werden. Vom Dach in den Tank wird nicht funktionieren 🤔 LG Werner Hussler "

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Metallhydridspeicher gibt es auch schon einige Zeit. Massenmarkt taugliche Produkte zu entwickeln wäre hier das Ziel.

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