Ein Start-up aus Florida forscht an einer ungewöhnlichen Methode, um den Mars zu besiedeln. Es will Paneele aus Algen konstruieren, die sich wiederum zu Bioplastik verwandeln lassen. Damit will es Dächer für Canyons auf dem Mars bauen – und letztlich den Planeten terraformieren.
Von Michael Förtsch
Ziemlich rot, echt wüst und irgendwie eintönig, so lässt sich der Mars wohl ganz gut beschreiben. Wirklich willkommen heißt er all die Menschen damit nicht, die irgendwann dorthin wollen, um dort eine zweite Außenstelle der Menschheit aufzubauen. Etwas mehr Grün, das sagen auch Psychologen, wäre ganz gut, um es den kommenden Siedlern einfacher zu machen – und depressiven Stimmungen vorzubeugen. Ein kleines und noch recht junges Start-up aus Tampa, Florida, glaubt nun, dass es das hinkriegen könnte. Denn es will nicht nur eine clevere Idee entwickelt haben, um effektiv Wohnraum auf dem Mars zu schaffen, sondern auch eine natürliche, lebendige und grüne Umgebung.
Ansiedeln will es die Siedler nämlich in den Canyons, die die Oberfläche des Mars wie lange Adern durchziehen. Die würden die besten Voraussetzungen bieten, um eine erdähnliche Welt nachzuahmen. Zumindest wenn man es schafft, sie in abgeschlossene Habitate zu verwandeln. Und genau dafür wollen GrowMars-Gründer Daniel Tompkins und seine Mitstreiter eine Lösung gefunden haben: Sie wollen Algenzucht und 3D-Druck miteinander kombinieren.
„Ich lebe in Florida“, sagt Tompkins. „Deswegen habe ich wohl seit jeher eine Begeisterung für natürliche Ressourcen, Biologie und Agrarwissenschaft.“ In seinem lokalen Hackerspace, einem Ort an dem sich Tech- und Wissenschaftsbegeisterte treffen und gemeinsam Projekte angehen, sei er als „der Pflanzenkerl“ verschrien und werde immer wieder gerufen, um bei entsprechenden Projekten zu assistieren. Darunter sei auch ein kleines Projekt gewesen, das einen Bioreaktor zur Zucht von Algen zum Ziel hatte: ein Gerät aus Wasserbehältern und Pumpen, das mit der kontrollierten Zufuhr von Nährstoffen, Licht und CO2 die möglichst effektive Aufzucht der Wasserpflanzen ermöglichen soll.
Tatsächlich sind Algen ziemliche Alleskönner. Sie schmecken, wenn richtig verarbeitet, nicht nur fantastisch, sondern lassen sich auch in ein biologisch abbaubares aber trotzdem robustes Plastik verwandeln. Da habe es Klick gemacht: „Mir kam die Idee von Solarpaneelen-artigen Behältern, die jedoch mit Algen gefüllt sind – und aus deren Inhalt du weitere Paneele machen kannst, in denen du weitere Algen heranzüchtest“, erklärt Tompkins seinen Gedankengang. Es wäre also ein flacher Bioreaktor, der sich durch den Einsatz von Robotern und 3D-Druckern in eine ganze Bioplastikfabrik verwandeln könnte. Die einfache Struktur und vor allem Reproduzierbarkeit machen, so Tompkins, seine Idee perfekt für eine Besiedlung des Mars.
Ein Gewächshaus aus Algen-Paneelen und Bioplastik
Es soll nämlich nicht bei den Algen-Paneelen bleiben. Das Bioplastik ließe sich ebenso nutzen, um daraus transparente und für das harsche Mars-Wetter gewappenete Gewächshäuser zu drucken, in denen dann auch andere Pflanzen gezüchtet werden könnten: als Nahrungsquelle und Produzenten von Sauerstoff und damit atembarer Luft nämlich. „Stell dir vor: Ein Meter Algen-Paneele oben und unten – und der Mittelteil funktioniert als Gewächshaus“, fährt Daniel Tompkins fort. Damit sollte eine ideale Wachstumsfunktionalität gewährleistet sein – und gleichzeitig ein Schild gegen die gefährliche Strahlung auf dem Mars, die sich besonders gut durch Wasser blocken lässt.
Warum daher nicht diese Pflanzenfabriken dann auch ebenso nutzen? Nämlich als durchgehendes und weitläufiges Dach, das über eben jene Canyons auf dem Mars gestülpt wird. Wie eine durch die Algenmasse getönte Glasscheibe würden sie diese überspannen. Dadurch würden mit recht einfachen Konstruktionen dennoch sehr weitläufige Habitate mit dem einer vollkommen natürlichen Topographie entstehen. Welche, die gleichzeitig auch der Enge und Platzangst vorbeugen, die Experten bei bisherigen Plänen für Mars-Basen stets befürchten. Denn die können so breit wie eine mehrspurige Autobahn als auch Klein- und Großstädte oder sogar ein ganzes Land sein.
In ihnen ließen sich damit leicht Arbeits- und Wohnstätten, Parks oder sogar Wälder anlegen. Ganze Städte und Megastruktur-Projekte, die weit über die Dimensionen einer Metropole hinausgehen, könnten sich laut Tompkins schaffen lassen – und das ziemlich umweltfreundlich und sogar energiesparend. Denn die Pflanzen selbst würden nicht nur für stetig neue Werkstoffe und Sauerstoff, sondern auch für eine gewisse Grundwärme sorgen. Zwar wären bevor solch ein erstes Habitat auf dem Mars konstruiert werden kann, noch Probleme zu lösen, wie beispielsweise der Umgang mit Perchloraten und anderen sauren Salzen im Marsboden, die gesundheitlich nicht unbedenklich sind. „Aber hier sind Bodensanierungen möglich und andere Lösungen im Gespräch“, glaubt Tompkins.
Eine Umweltfabrik für den Mars?
Langfristig sollen die Gewächshäuser nicht nur als Grundlage für Habitate herhalten, sondern auch genutzt werden, um als Klimafabrik für den Mars zu fungieren, als Produzent einer menschenverträglichen Atmosphäre. Sie sollen ein Terraforming möglich machen – also die Umwandlung des Mars in einen erdähnlichen Planeten, auf dem Menschen atmen und leben können. Mit den richtigen Voraussetzungen und genügend Ausgangs- und Produktionsmaterial für seine Algen-Paneele und Gewächshäuser könne binnen „84 Jahren ein Drittel des Mars terraformiert werden“, behauptet Tompkins. Nur 20 bis 30 Jahren nach Start des Terraformings könnten erste Menschen dort nahezu unabhängig von der Erde existieren und die Umformung des Planeten ohne Hilfe weiter vorantreiben.
Bislang sind das aber nur Visionen und Ideen. Jedoch habe das kleine Start-up schon Kontakt mit mehreren Luft- und Raumfahrtunternehmen, sagt der Gründer. Mit Tony Muscatello konnte etwa ein ehemaliger NASA-Chemiker als Unterstützer gewonnen werden, der über die Umwandlung des Mars in eine zweite Erde forscht. Auch an die europäische Raumfahrtagentur will das Unternehmen noch herantreten. Aber momentan gehe es mehrheitlich darum, die Idee zu verbreiten und Experten zu finden, die sich mit ihrer Machbarkeit auseinandersetzen.
Aber um die zu beweisen braucht es natürlich auch Geld – und das will das Start-up derzeit auf Kickstarter auftreiben. Damit soll ein erster großer Prototyp des Algen-Bioreaktors konstruiert werden, den Unterstützer dann mit einem 3D-Drucker gerne in verschiedenen Größendimensionen nachbauen könnten. Kommt das nötige Geld zusammen – rund 400.000 Euro – könne in sechs Monaten ein fertiges Gerät stehen. Das könnte zeigen, ob das Konzept funktioniert. Nochmal zwei bis drei Jahre später, ist der GrowMars-Gründer überzeugt, würde die Technik für den Mars bereit sein.