In mehreren Jahren sollen Menschen dauerhaft auf dem Mond wohnen und arbeiten. Aber wie eine Mondbasis gebaut werden soll, ist bisher noch fraglich. ESA-Forscher haben nun ein Mittel gefunden, das die Konstruktion vereinfachen könnte. Nämlich menschlichen Urin.
Von Michael Förtsch
Sowohl die NASA, die ESA als auch die chinesische CSA wollen eine Basis auf dem Mond. Aber eine Forschungs-, Arbeits- und Wohnstätte auf dem Erdtrabanten aufzubauen, stellt die Raumfahrtagenturen vor etliche Herausforderungen, da die geplanten Habitate mit extremen Temperaturschwankungen, kosmischer Strahlung und dem Beschuss von Meteoriten klarkommen müssen. Das erfordert besonders widerstandsfähiges und zugleich möglichst flexibles Baumaterial, das auch vor Ort für Reparaturen und Ausbesserungen hergestellt werden können muss. Beton und Stahl von der Erde heranzuschaffen, wäre ein finanzieller und logistischer Kraftakt.
Deutlich effektiver und günstiger wäre es, mit Ausgangsmaterialien zu arbeiten, die auf dem Mond zu finden sind. Beispielsweise Mondgestein. Das ist zu Genüge vorhanden und zudem reich an Mineralen wie Armalcolit, Tranquillityit und Pyroxferroit, die es fest und langlebig machen. Daraus lassen sich Geopolymere gewinnen – also anorganische Materialien, die sich zu einer Art Beton verarbeiten lassen. Der könnte mit speziellen 3D-Druckern zu durchaus komplexen Habitaten aufgeschichtet werden, die sowohl robust als auch perfekt für die Oberfläche des Mondes geeignet sind.
Ein Problem ist allerdings, dass das verarbeitete Mondgestein zunächst einmal „weich gemacht“ werden müsste, um möglichst gut aufgeschichtet und zu einer zusammenhängenden Struktur verarbeitet werden zu können. Denn sonst wäre der Mondbeton möglicherweise zu zäh, könnte die 3D-Drucker verstopfen oder sogar zerstören. Und die Mondbasis selbst könnte beim Aushärten spröde werden und schlichtweg zerfallen. Aber: Eine recht einfache Lösung könnten die Astronauten bieten, die am Bau der Mondbasis beteiligt wären. Das hat nun ein Team aus ESA-Wissenschaftlern um Shima Pilehvar herausgefunden. Der Urin der Raumfahrer könnte, schreiben sie im Fachmagazin Journal of Cleaner Production , zu einem essentiellen Bauelement der zukünftigen Mondbehausungen werden.
Mit Astronauten-Pipi läuft es!
Dabei ist es nicht der Urin der Astronauten selbst, der das eigentliche Wundermittel darstellt, sondern der darin enthaltene Harnstoff. Der kann Wasserstoffmoleküle aufbrechen und dickflüssige Stoffe geschmeidiger machen. Dass das auch für den Mondbasen-Bau funktionieren kann, haben die Wissenschaftler im Labor getestet. Dafür nutzten sie mehrheitlich ein von der ESA entwickeltes Kunstmaterial, das in seiner Zusammensetzung und damit auch in den Eigenschaften dem Mondgestein nachempfunden ist. Das haben sie in mehreren Testreihen sowohl unbelassen, mit Harnstoff als auch mit anderen Weichmachern wie Polycarboxylat und Naphthalin kombiniert. Aus den verschiedenen Betonvarianten haben sie dann kleine Zylinder hergestellt, die mit einem 3D-Drucker aus mehreren Lagen aufgeschichtet wurden.
Ohne Weichmacher ließ sich das Material nur schwer in Form und zu einer homogenen Struktur verarbeiten. Die aufgeschichteten Wände zeigten zudem kleine Risse und waren nach dem Aushärten nicht sonderlich belastbar. Die mit Weichmachern aufgeschichteten Zylinder waren ungleich besser. Die einzelnen Schichten waren miteinander verflossen und die kleinen Mondbasis-Modelle stabil. Auch Kälte und Tau hielten sie stand. Dabei war der Harnstoff fast ebenso effektiv wie die anderen, auf dem Mond deutlich schwerer zu bekommenden Weichmacher. Daher wollen die Forscher nun weiter untersuchen, wie sich der Urin der Astronauten verwenden lässt. Denn eventuell müsste der Harnstoff nicht einmal gesondert extrahiert werden. Stattdessen könnte der Urin als solches zum Anmischen des Mondbetons verwendet werden.
Teaser-Bild: ESA