Vor fast 80 Jahren begann Isaac Asimov mit der Arbeit an der Science-Fiction-Saga Foundation. Ohne sie gäbe es wohl weder Star Trek noch Star Wars. Dennoch schaffte sie es nie auf die Leinwand oder den Fernseher – bis jetzt. Doch was macht Foundation besonders, so aktuell und zu so eine Herausforderung für Filme- und Serienmacher?
Von Michael Förtsch
Das Galaktische Imperium wird fallen. Das sagt ein Wissenschaftler. Das sagt die Mathematik. Die Zahlen lügen nicht. Aber keiner will es wahrhaben, weil es einfach nicht sein darf. Dann geschieht es tatsächlich – das Imperium kollabiert. Das ist die Essenz von Der Tausendjahresplan , dem ersten Band der Reihe, die heute als Foundation bekannt ist. Es ist eine Prämisse , die heute sehr typisch für Isaac Asimov erscheint. Denn der 1920 im sowjetischen Smolensk geborene, aber nach dem Wegzug seiner Eltern im US-amerikanischen New York City aufgewachsene Schriftsteller war selbst Wissenschaftler; einer, der die Wissenschaft liebte und lebte. Er promovierte in Biochemie, arbeitete als Assistenz-Professor an der Universität Boston und als wissenschaftlicher Berater für Film und Fernsehen – unter anderem half er den Autoren und Designern von Star Trek: Der Film . Er schrieb nicht nur Romane, sondern auch zahlreiche Sachwerke, erfand Worte wie Robotik und Positronik, die heute mit totalem Selbstverständnis genutzt werden.
Asimov galt selbst bei seinen Berufskollegen als Ausnahmetalent. Der 2001-Autor Arthur C. Clarke und der Starship-Troopers-Verfasser Robert A. Heinlein staunten immer wieder über den Detailreichtum und die Referenzen in Asimovs Geschichten, die sich auf reale Erkenntnisse in der Physik, Chemie und Materialwissenschaft zurückverfolgen lassen. Er war ein Universalgelehrter, der die Science in die Science Fiction brachte und futuristische Geschichten nutzte, um Hypothesen durchzuspielen. Und das mit einer enormen Passion. Bis zu seinem Tod im Jahr 1992 verfasste er über 380 Kurzgeschichten (einige gelten als verschollen), wirkte an über 500 Büchern mit und schrieb ganze 1.600 Essays. Arthur C. Clarke scherzte, dass Asimov ein Roboter sein müsse. Nur auf diese Weise lasse sich seine enorme Produktivität und all das fundierte Wissen erklären, das er in seine Geschichten einwebte.
Viele von Isaac Asimovs Romanen und Kurzgeschichten gelten heute als Meilensteine – und prägend für die Science Fiction. Darunter Einbruch der Nacht , Der Zweihundertjährige und die sogenannten Roboter-Geschichten. Aber es ist eben vor allem die Foundation-Saga, die einen Eindruck hinterließ. Sie begann als eine Kurzgeschichte, die inspiriert war vom Fall des Römischen Reiches, mit dem sich Asimov geradezu obsessiv befasst hatte, und die im Mai 1942 in der Zeitschrift Astounding Stories erschien. Über die folgenden Jahre wurde daraus ein Epos, dessen Handlung 20.000 Jahre, eine komplette Galaxis, drei Kernromane und insgesamt 15 Bücher überspannt: Foundation erzählt vom galaktischen Imperium der Menschheit, das Millionen von Welten umfasst und seit 12.000 Jahren in Frieden existiert. Es hat großartige Technologien hervorgebracht und immenses Wissen angesammelt.
Das Herz des Imperiums ist der Planet Trantor. Dort forscht der geniale Mathematiker Hari Seldon, der die Wissenschaft der Psychohistorik entwickelt hat. Mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen, Soziologie und Statistik kann er die Zukunft eines Volkes, eines Planten oder eben einer ganzen Zivilisation berechnen. Und seine letzte Berechnung ergibt eben, dass das galaktische Imperium zerfallen wird. Der Imperator wird seine Macht nicht länger halten können und das einstige Imperium für 30.000 Jahre in eine Art galaktisches Mittelalter fallen – bevor dann wieder ein neues Imperium emporsteigen kann. Doch Seldon entwickelt einen Plan, um dieses Schicksal abzuwenden: Es soll eine Organisation gegründet werden, die das Wissen des Imperiums sammelt und auf einem einsamen Planeten bewahrt, um die finstere Ära auf nur 1.000 Jahre oder vielleicht sogar nur wenige Jahrhunderte zu verkürzen: die Foundation.
Eine soziologische und politische Fiktion
Die Geschichte von Foundation ist monumental und die Ideen, Motive und Konzepte, die Asimov ausgelegt hat, außergewöhnlich. Daher bedienten sich die Schöpfer von so ziemlich jedem erfolgreichen Science-Fiction-Kosmos daran. Angefangen bei Star Trek über Star Wars und Per Anhalter durch die Galaxis bis hin zu Kampfstern Galactica , Mass Effect und Stellaris . Aus diesem Grund gab es immer wieder Anläufe und Versuche, Foundation zu verfilmen. Aber allesamt scheiterten.
Ende der 1998 investierte New Line Cinema über eine Million US-Dollar, um dann festzustellen, dass eine Verfilmung nicht möglich sei. Zu aufwendig und teuer wäre das. Zehn Jahre darauf versuchte sich Warner Brothers daran, gab aber ebenfalls auf. Dann kam Columbia Pictures und engagierte den mit Monumentalproduktionen und Science Fiction erfahrenen Roland Emmerich, der die Vorproduktion des geplanten Filmepos energisch vorantrieb, dabei fantastische Konzeptbilder der Welt zeichnen, aber das Projekt dann fallen ließ. Selbst Pläne vom Game-of-Thrones-Sender HBO liefen ins Leere.
Der Grund? Die Romane von Asimov erschienen einfach nicht verfilmbar. Oder zumindest als unheimlich schwer verfilmbar. Nicht oder nicht nur, weil sie quer durch titanische Kulissen springen und Dutzende von Charakteren auffahren. Sondern, weil Foundation eine Geschichte ist, die zuvorderst in Dialogen abläuft. Die Romane bestehen aus unzähligen und seitenfüllenden Gesprächen – über die aktuellen Geschehnisse, über die historischen Hintergründe und auch die wichtigen Figuren dieser Welt. Große Schlachten und selbst weltenzerreissende Katastrophen finden so statt. Aber insbesondere zeichnet sich in Gesprächen neben einer futuristischen auch eine politische, soziale und kulturelle Fiktion ab.
Was Asimov in Foundation versuchte, war nicht nur eine Tausende Jahre in die Zukunft verlegte Nacherzählung des Zerfalls des Imperium Romanum. Er betrieb auch ein Was-wäre-wenn-Spiel, das mit Splittern von Gedanken, Überlegungen und Anregungen zur Bewahrung des Wissens, zur Schaffung einer modernen Gesellschaft und zur Position der Wissenschaft in der Welt durchsetzt ist. Für Aismov bedeutete Science Fiction, wie er selbst einst schrieb, dass er und seine Leser sich „mit den Reaktionen der Menschen auf Veränderungen in Wissenschaft und Technologie befassen“. Und Technologie war für ihn nicht nur ein Raumschiff oder ein Computer, sondern auch eine Regierungsform und ein Prozess zum Erkenntnisgewinn.
Als geschriebene Worte ist all das packend; vor dem inneren Auge werden die Gespräche und Erklärungen zu Bildern. Es lässt sich innehalten und über die Überlegungen sinnieren, die Asimov da auf den Buchseiten ausgelegt hat. Nach und nach formt sich das Universum aus, das der Autor da ersonnen hat. Aber als Film oder Serie wäre das in dieser Form langweilig und kaum anzuschauen.
Dennoch ist Foundation jetzt als Serie gestartet. Mit einem Millionen-Budget auf Apples Streaming-Service Apple Plus. Und das dank David S. Goyer, der gemeinsam mit Christopher Nolan die The-Dark-Knight-Trilogie gestemmt hat, und Josh Friedman, der Steven Spielberg half, in Rekordzeit Krieg der Welten zu filmen. Was beide taten und in den ersten Folgen der Serie zu sehen ist: Sie haben es geschafft, die in oft sehr steifen Dialogen vermittelte Welt in Bilder und Sequenzen zu übersetzen. Und die Jahrzehnte alte Science-Fiction-Geschichte sachte, respektvoll und zeitgemäß zu modernisieren – und das ohne das Erbe und Gedankengebäude von Asimov einzureißen.
Die Umsetzung der Foundation
Hari Seldon (gespielt von Jared Harris) ist in der Foundation-Serie, anders als in der Buchvorlage, eher Katalysator als Hauptfigur. Die ist stattdessen Gaal Dornick, in der Vorlage eine vergleichsweise blasse männliche Randfigur, die die Serienmacher zu einer genialen Mathematikerin (gespielt von Lou Llobel) machten. Sie stammt vom Planeten Synnax, auf dem Wissenschaftler gewöhnlich ertränkt werden, gewann einen Mathematikwettbewerb und wird für den kühl-rationalen Seldon zunächst zur Schülerin und dann zur Vertrauten. Zusammen müssen sie den dank der Klon-Technik seit Jahrtausenden gleichzeitig als genetisch identisches Brüder-Trio – als Heranwachsenden (gespielt von Cooper Carter), Erwachsenen (gespielt von Lee Pace) und Greis (gespielt von Terrence Mann) – regierenden Imperator Cleon davon überzeugen, dass die apokalyptischen Berechnungen wahr sind.
Der Imperator ist arrogant, egomanisch, machtbesessen, aber auch auf Frieden und Kontinuität bedacht – und plant die Mathematiker als ketzerische Unruhestifter hinzurichten, da die Prophezeiungen verständlicherweise für Angst und Aufruhr sorgen. Erst nach einem Terror-Anschlag auf den Weltraumaufzug von Trantor, der Hundert Millionen Tote fordert, lässt Cleon den Mathematiker Saldon und seine Novizin gewähren und das Foundation-Projekt anschieben – aber entsendet sie damit gleichzeitig ins Exil auf den kargen und schneeverwehten Planeten Terminus.
Die Terror-Attacke lässt sich als Riss in der bisherigen und unangezweifelten Allmacht des Imperators verstehen, der nicht nur seine Regentschaft, sondern auch seinen Nachruhm bewahren will. Die Serie springt ab diesem Punkt immer wieder durch die Zeit. Mal in die Ära, als die Foundation ihre gewaltige Mission plant. Dann in die Zukunft, in der das Projekt läuft und Salvador Hardin (gespielt von Leah Harvey) – in der Vorlage ebenfalls männlich, in der Serie weiblich – als Mayor die Foundation auf Terminus gegen Angriffe zu verteidigen und dabei selbst versuchen muss, wie einst Saldon, die Zukunft vorherzusagen. So zumindest in den bisher zu sehenden Folgen.
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Jetzt Mitglied werden!Bei ihrer Erzählung überspringen David S. Goyer und Josh Friedman viele Kapitel und Figuren, aber schaffen es, mit Bildern und Kulissen die Welt zu vervollständigen. Der Hauptstadtplanet Trantor ist etwa ein wunderschöner und ehrfurchtgebietender Moloch mit einer Architektur, die Elemente römischer, byzantinischer und babylonischer Prachtbauten aufzeigt. Ebenso finden sich elegant-pompöse Art-déco-Einschläge. Das Schiff von Seldon und seiner Truppe ist dagegen karg; es ist ein Rettungsboot , bei dem schwer zu glauben ist, dass es jene Menschen transportiert, die das Wissen eines gesamten Reiches sammeln und der Zivilisation eine zweite Chance geben wollen.
Eine Serie, die gut in die Zeit passt
Foundation ist keine aufregende oder Action-geladene, aber dennoch mitreißende und visuell überwältigende Serienproduktion, die derzeit erstaunlich und fast schon erschreckend aktuell wirkt. Die warnenden Protagonisten Hari Seldon und Gaal Dornick lassen an jene Wissenschaftler und Forscherinnen denken, die seit Jahren immer wieder an die Politik appellieren, den Klimawandel ernst zu nehmen, der unseren Planeten und unsere Zukunft bedroht. Zwar werden die keineswegs ins Exil geschickt, aber ihre Warnungen stoßen auf taube Ohren. Oder sie werden mit Relativierungen und Maßnahmenpaketen beantwortet, die der Gefahr nicht gerecht werden.
Dazu kommt, dass eine Foundation kein fiktives Konzept mehr ist, sondern mittlerweile durchaus reale Gegenstücke hat. Die Wissenschaft sieht durchaus die Möglichkeit, dass unsere Zivilisation durch Kriege und Katastrophen an den Rand des Untergangs getrieben werden könne. In einem Bunker auf der Insel Spitzbergen wurde daher bereits vor Jahren der Svalbard Global Seed Vault angelegt, in dem Samen für Nutzpflanzen lagern – so, dass sie, falls sie aussterben oder vernichtet werden, wieder neu ausgebracht und gezüchtet werden können. Direkt in der Nachbarschaft der Saatgutbibliothek liegt in einer ehemaligen Kohlemine das Arctic World Archive, in dem auf speziellen Filmspulen sowohl Kulturschätze als auch Computerprogramme gesichert werden. Museen, Unicef und die Software-Plattform Github unterstützen das Projekt. Dadurch wirkt Foundation heute weniger wie Science Fiction, sondern eher wie eine Parabel, die sich einer futuristischen Kulisse bedient, aber ganz aktuelle Missstände und Probleme adressiert.
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