Wollen wir bald in virtuellen Wohlfühloasen zusammenarbeiten?

Während der Pandemie ist die virtuelle Zusammenarbeit in vielen Unternehmen der Normalfall geworden. Doch Videoanrufe und Dauerchats sind nur der Anfang. Wie könnte die digitale Arbeitswelt in ein paar Jahren aussehen? Genau das wird in einer Folge des neuen Podcasts übermorgen ergründet, deren „Drehbuch“ wir hier vorstellen.

Eine Geschichte aus der Zukunft von Till Hasbach

Wir schreiben die Zeit „Post-Corona“. Die Corona-Pandemie der 2020er-Jahre hat unsere Welt grundlegend auf den Kopf gestellt. Die schöne neue Arbeitswelt, sie ist durch Corona viel schneller da als gedacht.

Flächendeckender Netz- und Breitbandausbau sowie die Einführung des Grundrechts auf Zugang zur digitalen Infrastruktur prägen das Arbeits- und Zusammenleben maßgeblich. Digitale Medienkompetenz ist die Kernkompetenz des wirtschaftlichen Schaffens. Mit virtuellen Avataren trifft man sich in der VR anstelle von Videochats…

Die folgende Geschichte stammt von Till Hasbach, Projektkoordinator im Creative Lab COVID-19 des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Hier könnt ihr sie auch anhören:

Erholungsarbeit im Kuang-Si Work-Life-Balance-Center

Vogelgezwitscher, leiser Wind, leicht meditative Klänge, in weiter Ferne Wasserrauschen, man bekommt ein Gefühl von Urlaub.

Stefan Wiedlinger schlägt die Augen auf. Es dauert ein paar Sekunden bis er sich an die Helligkeit gewöhnt. Er blinzelt ein paarmal und schaut auf den Dschungel, der sich vor ihm erstreckt. Eine Sekunde lang hält er den Atem an, für einen Moment will er nur den Dschungel hören

Der Dschungel wird lauter.

Er setzt sich auf, seine Füße berühren den Bambusboden seines Bungalows. Sein Blick streicht die Fensterfront: Anmutig erstrecken sich vor ihm die Kuang-Si Wasserfälle, in denen sich die Morgensonne bricht.

Es klopft. Die meditativen Klänge hören abrupt auf. Eine sehr nervige Stimme ertönt.

„Herr Wiedlinger, wo sind die Anlagen für die Pressekonferenz der Monetarisierungsstrategie?!“

„Entschuldigen Sie, Frau Girmsch, ich bin gerade erst aufgestanden. Ich schicke es sofort.“

Die Tür geht wieder zu.

Stefan setzt die schwere Brille ab und begutachtet sein Schlafzimmer: die kahlen, weißen Wände, die halb verdorrten Pflanzen und das ungemachte Bett, auf dem er in einer äußerst unbequemen Position gestern eingeschlafen ist. Er geht mit schweren Schritten zum Spiegel: Um seine Augen zeichnen sich zwei rote Ringe ab – Druckstellen der Oculous-Real, der Virtual Reality Brille von MetaworkX.

Oculous-Real: Leben und Arbeiten in einer virtuellen Welt, mit Multi-Touch Effekten und hyperrealistischen Umgebungsgestaltungen. So wird arbeiten zu Urlaub.

Als Stefans CEO vor einigen Wochen mit der Idee ankam, die Arbeit an einen virtuellen Urlaubsort zu verlegen, ist Stefan direkt kritisch geworden. Auch nach drei Wochen ist er von der Idee nicht hundertprozentig überzeugt. Diese Woche ist die Testunit „Digitworld“ der Berchtle AG, also seiner Firma, virtuell an den Kuang-Si Wasserfällen in Laos. Letzte Woche waren sie auf Sizilien. Das Wetter war schön und die virtuelle Schnittstelle perfekt, das muss Stefan dem System lassen.

Wenn er die Brille aufhat, fühlt er sich wirklich in eine andere Welt transportiert, aber das bedeutet nicht, dass er mit dem Ding auf der Nase besser arbeitet. Der Chef erhofft sich eine effizientere Arbeitsweise seiner MitarbeiterInnen, wenn die Arbeit in einem virtuellen Urlaubsressort verrichtet wird.

„Mensch Wiedlinger, jetzt haben Sie sich doch nicht so. Morgens wird gearbeitet und abends treffen wir uns am Infinity Pool. Ist doch geil, oder?“, hatte sein Chef gesagt. Doch statt Erholung, wird Stefan jedes Mal aus seinen Gedanken, seiner Entspannung gerissen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin einfach so in sein „Zimmer“ platzt. Wenn ihm jemand im System eine Privatnachricht im Chat schickt, wird die durch ein Klopfen signalisiert und ohne, dass Stefan es steuern, kann direkt vorgelesen.

Sein virtueller Yoga-Kurs letzte Woche war deshalb mehr Stress als Entspannung.

Kurze Musik, die ein Flashback andeutet, meditative Musik, eine freundliche, weibliche Stimme gibt Yoga Anweisungen.

Jetzt nehmen wir die Hände neben uns, stützen uns auf, den Rücken durchstrecken und atmen. 1…2…3…“

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Klopfen, Stefan seufzt, im Hintergrund läuft weiter die Yoga Musik und Ansage, die nervige Stimme erklingt.

„Herr Wiedlinger, wie ich sehe haben sie unseren Fahrplan für das Meeting nächste Woche bereits bekommen. Ich hatte Sie darum gebeten sich zu den Punkten 1.5, 2.1, 3 und 8 zu äußern.!“

„Stopp! Nachricht anhalten. Argh! Warum geht das denn immer noch nicht?!“

„Bis jetzt ist noch keine Nachricht von Ihnen bei mir eingegangen. Sie wissen, dass der Chef diese Meetings…“

Die Stimme wird langsam ausgeblendet, der Flashback ist vorbei.

Das System hat noch eindeutige Fehler. Die Idee, Arbeit und Entspannung miteinander zu verbinden, ist ja gar nicht schlecht. Aber das System sollte schon ausreichend funktionieren oder es müsste noch einmal über die Orte nachgedacht werden, an denen sich Arbeit und Erholung sinnvoll in Einklang bringen lassen. Er ist eben noch in der Testunit in seiner Firma – und gerade macht dieser Test sein Leben manchmal stressiger als alles andere. Nur die Morgen, wenn die orangefarbene Sonne über dem Dschungel emporsteigt, die will er nicht mehr hergeben.

Aber jetzt muss der Dschungel kurz warten. Denn die Anlagen für Frau Grimsch, die verschicken sich nicht von allein.

Meditative Musik ertönt leise und wird ausgeblendet.

Über das Projekt und den Podcast übermorgen

Wie sieht sie aus, unsere Zukunft? Welche Fähigkeiten werden relevant sein, welche Werte? Mit diesen Fragen hat sich das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes im Rahmen des Creative Labs COVID-19 beschäftigt.

Gemeinsam mit Partner:innen aus Industrie, Forschung und Kultur- und Kreativwirtschaft wurde an neuen Lösungen für die Zeit nach der Corona-Krise gearbeitet. Entwickelt wurden Zukunftsszenarien, die in der fünfteiligen Audioreihe übermorgen zu hören sind. Der Podcast Übermorgen möchte zum Umdenken anregen, ermutigen und zeigen, dass eine Krise auch Chancen eröffnet, Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft anzustoßen. Jede Folge ist eine neue Geschichte aus der Zukunft. Also… worauf warten wir?

Hier könnt ihr alle Folgen des Podcasts hören. Hier könnt ihr ihn bei Apple Podcast, Deezer, RSS-Feed oder Spotify abonnieren.

Was haltet ihr von dieser Geschichte aus der Zukunft? Haltet ihr diese Art der virtuellen Zusammenarbeit für realistisch? Für erstrebenswert? Oder stellt ihr euch die Zukunft anders vor?

Titelillustration: Max Bachmeier

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Danke @tillh und @frnzk, dass wir diese schöne Geschichte aus der Zukunft hier bringen können!

Meine Gedanken zu dieser Vision zur Zukunft der Arbeit: Ich würde die sich immer weiter verbessernden digitalen Tools zur Kollaboration lieber dazu nutzen, tatsächlich von paradiesischen Orten arbeiten zu können… sei es der eigene Balkon, das Häuschen irgendwo auf dem Land oder der Traumstrand.

VR finde ich für interaktive Sessions super. Für Besprechungen, virtuelle Konferenzen, Live-Journalismus… aber nicht für den ganzen Tag. Dazu ist die heutige Hardware noch zu anstrengend, finde ich.

Die Idee, in VR Erholungsorte für Home-Office-Geplagte zu erschaffen, gefällt mir wiederum sehr gut. So ein ähnliches Konzept – inklusiver virtueller Pausenbeschäftigungen für Teams – hatten wir auch im Sommer bei einem 1E9-Workshop. Du erinnerst dich @silkeinbruessel? So sahen die Sketche dazu aus. (Illustrationen von Raimund Frey)

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Schön zu hören, wie ein möglicher nächster Schritt der Zukunft aufgezeigt wird, statt nur übernächste Schritte (die auch wichtig sind). Dabei konkrete vor/nachteile - in diesem fall von vr-arbeit - in 7min aufzuzeigen, finde ich toll.

Zum Inhalt denke ich, dass die nötige immersion schwer ohne körperlichen einsatz möglich sein wird. Ich fände diese formate spannend für break-outs und ähnliches, aber nicht für den alltag.

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