Im The New Yorker steht derzeit mal wieder ein zweifelsohne gut geschriebener Text von Jonathan Franzen, der scharf Beobachtungen umreißt und unter einer unheimlich einfachen Frage steht: „What if We Stopped Pretending the Climate Apocalypse Can Be Stopped?“ – also: Was wenn wir aufhören würden, zu behaupten, dass wir die Klimaapokalypse stoppen können?
I can respect the planet, and care about the people with whom I share it, without believing that it will save me.
Was Franzen in seinem Text zunächst aufzeichnet, ist keine Antwort auf diese Frage, sondern ein Bild der menschliche Spezies, die sich, trotz dass ihr der Planet unter dem Hintern wegschmilzt und wegbrennt, einfach einmal so weitermacht. Denn natürlich funktioniert alles irgendwie weiter. Die nächste Fußball-WM kommt, das Finanzamt will immer noch Steuern, die Supermärkte sind geöffnet und Autobauer produzieren weiterhin diese übergroßen SUVs, die, wie nun scheinbar nach Jahren erkannt wurde, vollkommen irrationale Fahrzeuge sind, die in der Stadt keinen Platz haben sollten. Denn: Wo ist sie denn, die Apokalypse?
Belegbar ist sie – aber wirklich sicht- und greifbar aber eben für viele noch nicht. Die wirklich Hollywood-reifen Bilder von apokalyptischen Feuerwänden, die über Länder hinweg rollen, Mega-Twister, die in Kaskaden ganze Landstriche zerstören und Küstenstädte, die im Wasser versinken: Noch sind das Science Fiction. Und nur einige von uns, die derzeit schon leben, werden sie in der Zukunft sehen. Sie scheinen vollkommen irreal.
Immer noch existieren massig Menschen, Parteien und Institutionen, die den Klimawandel leugnen. Das ist, wie ich selbst glaube, nicht nur interessengetrieben, sondern zum Teil nur allzu menschlich. Es sind psychologische Ausprägungen des sogenannten Terror-Management, Reaktionsmuster, die einzelne Menschen aber auch riesigen Gruppen im Angesicht der Todesangst und der Bewusstwerdung des eigenen Vergehens aufzeigen. Menschen flüchten sich in Überzeugungs-, Verleugnungssysteme und kulturelle Weltsichten, die sie sich stetig gegenseitig bestätigen und die sie mit voller Inbrunst verteidigen.
Andere sehen den Klimawandel ganz klar und geben die Hoffnung nicht auf. Sie geben nicht auf, dass er „gestoppt“ werden kann. Denn, ja theoretisch besteht die handfeste Möglichkeit, die angelaufenen Prozesse so einzubremsen, dass es einem Anhalten gleichkommen könne. Und hier setzt Franzen an und sagt: Wir haben den Klimawandel für mehrere Jahrzehnte nicht in den Griff bekommen. Wird auch jetzt nichts werden! Also warum überhaupt noch behaupten, dass wir etwas tun können.
Call me a pessimist or call me a humanist, but I don’t see human nature fundamentally changing anytime soon. I can run ten thousand scenarios through my model, and in not one of them do I see the two-degree target being met
Der Text von Franzen wurde breit geteilt, rezipiert und aufgegriffen und sorgt damit, meiner Ansicht nach, für eine ziemlich falsches Bild. Denn auf seiner Gedanklichen Reise zu einigen durchaus netten „Common Sense“-Gedanken leistet sich Franzen einige unglückliche Schnitzer und Schlenker. Oder, nein, eigentlich: er schreibt ziemlichen Unfug zusammen, verzerrt und verfälscht wissenschaftlich belegte Fakten und Theorien. Denn seine Ansicht basiert mehrheitlich, wie er sagt, auf „einem Modell in meinem Gehirn.“
Einerseits macht es, anders als Franzen sagt, natürlich einen Unterschied, wie weit wir über die Gradgrenzen hinausschießen. Es macht den Unterschied zwischen dem Überleben der Spezies und dem totalen Untergang. Ebenso vermischt er auf kuriose Weise Gedanken um Investments in Projekte der alternativen Energien mit der Überfischung der Meere und unterstellt, dass nicht sowohl Vorsorgen für Feuer-, Flutkatastrophen getroffen werden und saubere Mobilits- und Energieprojekte gestemmt werden könnten.
Zwar hat er Recht, dass es unwahrscheinlich ist, dass alle Nationen an einem Seil ziehen, wenn’s darum geht, Wirtschafts- und Industriesysteme umzuwerfen und neu zudenken, um Treibhausgasausstöße zu vermindern: Aber das ist kein Grund, es nicht zu versuchen. Denn beim Kampf gegen den Klimawandel ist jeder Erfolg ein möglicherweise verhindertes Naturdesaster.
Was Franzen propagiert ist ein Stillstehen im Angesicht der kommenden Flut. Und das ist nicht nur dämlich, sondern auch unglaublich feige und verantwortungslos. Oder um das Bild aus Die Wandernde Erde heranzuziehen: Er propagiert, dass die Menschheit mit ihrem Planeten vergeht statt mit ihr gemeinsam in ein anderes Sonnensystem zu ziehen, um eine bessere und lebenswerte Zukunft zu finden – selbst wenn die Reise echt mühselig und schwer wird-
Klar, die Menschheit hat einen echt beschissenen track record , wenn es darum geht, zusammenzuarbeiten und gemeinsam Probleme anzugehen. Aber dennoch: es hat schon ein paar Mal funktioniert. FCKW wurde verboten, Seuchen und Viren ausgerottet. Natürlich hat der Klimawandel ein anderes Maß an Herausforderung und jene, die dafür auch in die Zange genommen werden müssten – Ölförderer, Reedereien, die Automobilindustrie etc. pp. – sind mit Einfluss und Ressourcen ausgestattet. Aber wenn wir es nicht tun, dann verurteilen wir Millionen Menschen zu Tode. Denn der Klimawandel wird Millionen töten. Aber nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen.
Der Klimawandel ist kein Schalter, der einfach umgelegt werden kann. Er ist ein Prozess, in dessen Maschinerie die Menschheit eingreifen kann. Sie kann Schraubenschlüssel ansetzen, um den Lauf einzubremsen oder auch hier und da ein Werkzeug in den Motor werfen. Wie viel wir damit erreichen: Das lässt sich schwer sagen. Aber jeder Eingriff ist ein Erfolg, der die Zukunft ein Stück weit lebenswerter machen kann. Es ist nötig und besser als nichts zu tun und sich dem menschgemachten Schicksal Klimaapokalypse zu ergeben.
Dennoch: Eines muss man Franzen lassen. Nach all dem Unfug den er schreibt. Bei einem Punkt hat er Recht – und vielleicht wäre es gut gewesen, wenn es der einzige Punkt gewesen wäre, den er gemacht hatte.
In this respect, any movement toward a more just and civil society can now be considered a meaningful climate action. Securing fair elections is a climate action. Combatting extreme wealth inequality is a climate action. Shutting down the hate machines on social media is a climate action. Instituting humane immigration policy, advocating for racial and gender equality, promoting respect for laws and their enforcement, supporting a free and independent press, ridding the country of assault weapons—these are all meaningful climate actions.
Der Klimawandel ist unser größtes Problem. Aber er ist nicht unser einziges Problem. Und wenn wir schon ihn anpacken, können wir gleichzeitig auch noch einige weitere Probleme stemmen. Denn auch das Beheben all dieser Probleme würden den Planeten lebenswerter machen.