Von Bayern in die NBA: Ein LED-Hallenboden erobert die Welt des Basketballs

Glas, Stahl, Aluminium und LEDs: Das sind die Bestandteile eines außergewöhnlichen Sportbodens aus Bayern, der es bis in die amerikanische NBA geschafft hat. Was ein Squash Court auf offener See mit der Entwicklung dieser Technologie zu tun hat, was die Basketballer des FC Bayern München dazu sagen und wie die Zukunft des Hallensports mit futuristischen Böden aussehen könnte, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Von Joanne Arkless

Das Telefon klingelt in den geschäftigen Räumen von ASB GlassFloor, einem mittelständischen Unternehmen in Stein an der Traun, nicht weit vom Chiemsee. Am anderen Ende der Leitung: die NBA. Ein überraschender Anruf, der den bisherigen Höhepunkt einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte markiert: Die amerikanische Profi-Basketballliga möchte für das anstehende NBA All-Star-Wochenende im Februar 2024 den digitalen Glasboden von ASB GlassFloor nutzen. Denn unter dem gläsernen Sportboden verbirgt sich eine Vielzahl von LED-Lichtern, die den Boden zum Leuchten bringen und ihn in eine dynamische Leinwand verwandeln. Stein, ein kleines bayerisches Dorf, wird plötzlich zum Pionier einer aufregenden Symbiose von Technologie und Sport.

Im Interview mit 1E9 erzählt Jan Weber von ASB GlassFloor, wie die Firma darauf kam, einen Sportboden aus Glas herzustellen, was den Boden in Verbindung mit verschiedenen Technologien so besonders macht und was in Zukunft damit möglich sein wird.

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, einen Sportboden aus Glas herzustellen?

Jan Weber: Die Idee, einen Sportboden aus Glas zu bauen, entstand im Jahr 2005 und aus einer Anfrage aus dem Bereich Squash. Damals war Squash noch populärer als heute und ein Kreuzfahrtunternehmen hat bei uns angefragt, ob man nicht einen Squash Court auf einem Schiff bauen könnte, und zwar auf dem Deck, also oben im Freien.

Squash ist eigentlich ein Indoorsport und dementsprechend waren alle Böden, die für Squash verwendet wurden, auch nur für drinnen konzipiert. Seit den 1970er Jahren bauen wir bei ASB Squash Courts und sind in diesem Bereich Weltmarktführer, aber diese Herausforderung war neu für uns. Wir haben trotzdem Ja zu der Anfrage gesagt. Dafür müsste natürlich der Boden anders sein. Die herkömmlichen Holzböden wären auf so einem Schiff schnell hinüber - durch Sonneneinstrahlung, das salzige Wasser und so weiter. Squash Courts haben Wände aus Glas und da haben wir uns überlegt: Warum nicht auch den Boden aus Glas probieren?

So ist die Idee entstanden - und es hat sich herausgestellt, dass der Squash Court auf dem Schiff wunderbar funktioniert. Nicht nur für das Spiel, sondern auch in Sachen Haltbarkeit, Vibrationen durch das Schiff, konstante UV-Sonneneinstrahlung, Regen und Salz hat der Boden alle Anforderungen erfüllt. Und dann haben wir gedacht: Okay, was in einem Squash Court funktionieren kann, kann ja bestimmt auch im größeren Format funktionieren. Und so ging damals die Entwicklung los, einen Sportboden mit den Werkstoffen Glas, Aluminium und Stahl zu bauen.

Und wie seid ihr dann von Squash zu Basketball gekommen?

Jan Weber: Wir sind zunächst gar nicht auf Basketball eingeschwenkt, das hat sich jetzt so ergeben. Generell sind wir erstmal auf Indoorsport gegangen. Der Gedanke war: Wenn wir einen Glasboden für Squash machen, dann kann er auch für Badminton gut funktionieren. Und wenn man darauf Badminton spielen kann, sind in der gleichen Halle auch Handballer, also kann man darauf bestimmt auch gut Handball spielen. Und wenn man gut Handball spielen kann, kann man auch gut Basketball drauf spielen und alles, was es im Indoor-Bereich noch so gibt.

Der Weltbasketballverband FIBA hat schließlich sogar ein 90-jähriges Regelwerk für uns geändert. Er hat in sein Regelwerk aufgenommen, dass ein Spitzen-Event im Basketball auch auf einem Glasboden stattfinden darf. Das war die letzte Hürde für unseren Boden. Dann führte der Weg über eine U19 Damen-WM hin zu einem Spiel des FC Bayern München in der Basketball-Bundesliga. Und nachdem das erfolgreich absolviert war, klingelte bei uns das Telefon. Wir hatten die NBA dran und sie haben gesagt: Lasst uns mal was zusammen machen. Das Ganze wurde ermöglicht durch den Prozess, den wir durchlaufen haben.

Dabei hieß es am Anfang: Guckt euch mal die Spinner aus Bayern an, die tatsächlich denken, dass man auf Glas Sport treiben kann.

Diese Zweifel klingen erstmal nicht ganz unberechtigt. Ist Glas nicht viel zu starr, um darauf Sport zu machen?

Jan Weber: Genau dagegen reden wir täglich an. Wenn man an Glas denkt, dann denkt man sich: hart und rutschig. Wie kann das überhaupt gehen? Aber wenn du es jemals irgendwie eilig hattest und in eine Behörde musstest, die eine Glas-Drehtüre hatte, weißt du: Die Tür verwindet sich etwas, wenn du sie schneller als sonst aufschwingst. Das zeigt schon, dass Glas an sich ein sehr flexibler Werkstoff ist.

Und wir nutzen ja keine einfache Glasplatte, sondern zwei Sicherheitsglasplatten, die miteinander verlaminiert sind. Damit erzielen wir eine Glasscheibe, die tatsächlich sehr flexibel ist.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung eures Glasbodens?

Jan Weber: Um einen offiziellen Sportboden zu erhalten, musst du gewisse Normen erfüllen, welche von Prüflaboren nach europäischen Normen und DIN-Normen getestet werden. Die erste Schwierigkeit war, eine Oberfläche zu bekommen, die in Sachen Grip, also Rutschhemmung, den richtigen Wert liefert. Das andere war der Kraftabbau. Das heißt: Wenn ein Sportler auf dem Boden springt und er wiegt 100 Kilo, wie viel von diesem Gewicht schluckt der Boden und wie viel geht zurück in den Bewegungsapparat? Je härter ein Boden ist, desto ungesünder ist es für die Gelenke. Die Herausforderung war dann, die Kombination aus Glas und Unterkonstruktion so zu gestalten, dass wir im Gesamtprodukt ein sehr gutes Verhältnis zwischen Grip, Haltbarkeit und Kraftabbau haben, um uns sauber in diesen Normen zu bewegen.

Jetzt wird’s technisch: Wie funktioniert der Glasboden konkret?

Jan Weber: Wir haben zwei Sicherheitsglasplatten, die fünf Millimeter dick und miteinander verlaminiert sind. Sie haben eine Spanne von zwei auf drei Meter, sind also relativ groß und sehr flexibel. Um die Oberflächenbehandlung richtig hinzubekommen, haben wir dann etwas länger gebraucht. Sie besteht zum einen aus einer sehr tiefen Ätzung, die Lichtreflexionen verhindert, und zum anderen aus einer Körnung aus Keramikpunkten, die aufgebrannt werden. Diese sorgen für den richtigen Grip, für die richtige Haftreibung.

Die Glasplatten kombinieren wir dann mit einer Unterkonstruktion. Wenn wir die Glasplatten einfach so in eine Halle legen würden, wäre das tatsächlich zu weich. Da könnte keiner drauf Sport treiben, sondern man würde einfach nur herumhüpfen wie auf einem Trampolin. Also müssen wir diesen Flex managen. Das heißt, wir haben eine Unterkonstruktion aus Aluminium und Stahl, worauf die Glasplatte gelegt wird. Dann findet alle 40 Zentimeter die Aufnahme der Kräfte statt, die von oben wirken, und das wird dann über die Unterkonstruktion in den Boden abgeleitet. Dadurch erzielen wir einen sehr homogenen Kraftabbau über die ganze Fläche des Bodens.

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Unter dem speziellen Glasboden befinden sich unzählige LED-Lichter. Welche Vorteile bietet diese Kombination?

Jan Weber: Der Boden ist zugleich eine Leinwand und bietet dem Publikum zahlreiche Vorteile, insbesondere durch das Storytelling mit Hilfe von Echtzeitdaten. Besondere Momente im Spiel können hervorgehoben werden und außergewöhnliche Leistungen werden nochmal verdeutlicht. Auch Emotionen lassen sich über den Boden besser transportieren und binden die Zuschauer direkter in das Geschehen ein.

Der Glasboden bietet zudem völlig neue Möglichkeiten der Vermarktung. Bisher fand Bodenwerbung bei einem Basketballspiel in Form von Flächen statt, die mit Aufklebern versehen wurden oder lackiert sind. Das heißt, ein Mittelkreis oder eine Freiwurfzone wurde einem einzelnen Sponsor zugewiesen. Diese Flächen lassen sich jetzt vervielfältigen. Wir können den Boden komplett wechseln lassen, in einem Timeout zum Beispiel. So etwas war bisher einfach nicht möglich. Das ist zu vergleichen mit der Entwicklung bei Werbebanden, die vorher statisch waren und jetzt mit LEDs versehen sind, wodurch viel mehr Werbepartner aufgenommen werden können.

Welchen praktischen Nutzen hat der Boden für den Hallenbetreiber?

Jan Weber: Der Vorteil für Betreiber von Arenen ist, dass Umrüstzeiten, also Schließzeiten verringert werden können. Wenn ich heute ein Volleyball-Event und ein Basketball-Event habe, brauche ich jetzt keine Böden mehr tauschen, sondern drücke einfach einen Knopf. So kann ich die Nutzung meiner Arena etwas enger takten.

Und hat der Boden auch sportliche Vorteile?

Jan Weber: Ja, wir sehen auch sportliche Vorteile. Im Vergleich zu einem Parkettboden ist unser Boden haltbarer. Auch in Bezug auf den Grip für den Sportler, zum Beispiel unter feuchten oder nassen Bedingungen, bietet er Vorteile. Wenn Schweiß runter tropft, performt unser Boden besser als herkömmliche Parkettböden.

Kommen wir noch auf andere Aspekte zu sprechen: Wie langlebig ist der Boden eigentlich und was passiert, wenn er an einer Stelle kaputt geht?

Jan Weber: Die Haltbarkeit des Bodens an sich, sprich Unterkonstruktion und Belag, ist von der Materialprüfanstalt in Stuttgart mit einer Haltbarkeit von 70 Jahren berechnet worden. Die LEDs im Boden haben eine Halbwertszeit von 100.000 Betriebsstunden, was aber nicht bedeutet, dass sie danach ausgehen, sondern danach verringert sich nur die Helligkeit dieser LEDs. Der Boden leuchtet nicht permanent grell weiß für 24 Stunden, sieben Tage die Woche, sondern es gibt gewisse Anforderungsprofile. Wir gehen daher von einer Haltbarkeit der LED-Technik von 15 Jahren aus. Die LEDs können dann auch jederzeit ausgetauscht werden. Der Wechsel der einzelnen technischen Elemente ist sehr einfach. Darauf haben wir beim Design sehr großen Wert gelegt. Das Ganze muss ja so gestaltet sein, dass es in der Live-Umgebung - sollte es mal zu einem Ausfall kommen - sehr schnell ersetzt und repariert werden kann.

Und wie sieht die Ökobilanz des Bodens aus?

Jan Weber: Der Boden produziert natürlich Abwärme. Wir haben erste Tests gemacht, wie man diese zum Beispiel in das Heizungssystem der Räumlichkeiten einbinden kann. Der Strombedarf für die LED-Technik ist nicht so groß, wie man es vielleicht vermuten würde. Was die Ökobilanz betrifft, sind wir da natürlich ein bisschen abhängig davon, was der Veranstalter für einen Strommix in seiner Halle hat. In der Herstellung selbst mit Glas und Aluminium: It is what it is. Aber wir schauen uns mit unseren Lieferanten an, wie wir auch dort die Ökobilanz verbessern können.

Was sind eure Perspektiven für die nächsten Jahre?

Jan Weber: Perspektivisch wollen wir das Konzept des Bodens weiter in die Ligen tragen und vom Basketball auch auf andere Sportarten umschwenken. Wenn sich eine Multifunktionsarena einen solchen Boden einbaut, könnte sie für viele verschiedene Sportarten genutzt werden. Außerdem denken wir an eSports-Events oder daran, so etwas wie Rollerdiskos mit unserem Boden neu aufleben zu lassen.

Der Boden kann auch interaktiv werden, man könnte live Pacman oder Mario Kart zusammen spielen.

Außerdem wollen wir den Boden zu einem Werkzeug weiterentwickeln, das auch Mehrwert für Trainings bringt. Ein Trainer müsste keine Zeit mehr verlieren, weil er für ein Training irgendwelche Hütchen aufstellen muss, sondern könnte seine Trainingsabläufe auf einem iPad vorzeichnen und einfach auf den Boden schicken. Sportler könnten per Lichtpunkt angezeigt bekommen, wo sie zu welchem Zeitpunkt sein müssen, wenn der Trainer einen neuen Spielzug entwirft.

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