Algorithmen und Künstliche Intelligenz sind tief in den Alltag vieler Menschen integriert. Über die letzten Jahre soll das Bewusstsein der Bevölkerung in Deutschland für die Nutzung dieser Technologien gewachsen sein. Eine aktuelle Studie zeigt, dass dennoch ein Großteil der Leute glaubt, dass Algorithmen und KI keinen Einfluss auf ihren Alltag haben.
Von Michael Förtsch
Es ist heute kaum mehr möglich, dem, was Künstliche Intelligenz genannt wird, aus dem Weg zu gehen. Die Filter, die Spam-Emails aus dem eigenen Postfach fernhalten, arbeiten mit KI-Modellen, die durch maschinelles Lernen trainiert werden. Die Suchmaschine Google nutzt eine Künstliche Intelligenz namens BERT, um die Suchanfragen von Menschen zu verstehen. Das Video-Social-Network TikTok setzt massiv auf die maschinelle Analyse von Nutzerdaten, um Videos zu präsentieren, die den Interessen der Nutzer entsprechen. Und natürlich sind es auch Algorithmen und KI-Modelle, die die Inhalte und Produktvorschläge von Facebook, Twitter, Netflix und Amazon kuratieren. Auch Verkehrsleitsysteme von Städten, Speditions-, Versand- und Logistikunternehmen setzen auf Algorithmen, um Prozesse zu optimieren. Außerdem werden sie eingesetzt, um die Kreditwürdigkeit von Personen oder die Kompatibilität von Menschen bei Partnerbörsen zu bewerten.
Vor diesem Hintergrund veröffentlicht die Bertelsmann Stiftung nun das Ergebnis einer von ihr beauftragten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach: Demnach ist das Wissen um Algorithmen und Künstliche Intelligenz in der deutschen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gestiegen, aber dennoch begrenzt. Für die repräsentative Erhebung wurden 1.090 Personen über 16 Jahren befragt. Vor allem „Menschen mit niedrigem Bildungsgrad sind deutlich weniger mit Algorithmen und Künstlicher Intelligenz vertraut“, heißt es in der zur Umfrage gehörenden Studie mit dem Titel Was Deutschland über Künstliche Intelligenz weiß und denkt. So gaben nur 54 Prozent der Befragten mit einem Volks- oder Hauptschulabschluss an, den Begriff „Algorithmus“ schon einmal gehört zu haben. Bei den Befragten mit Abitur oder Studium waren es hingegen 97 Prozent. Alles in allem meinen 81 Prozent, mit dem Begriff vertraut zu sein. Ein ähnliches Wissen beziehungsweise Nichtwissen bestehe beim Begriff „Künstliche Intelligenz“.
Insgesamt soll die Bekanntheit der Begrifflichkeiten Algorithmus und Künstliche Intelligenz in den vergangenen vier Jahren zugenommen haben. Zudem soll „der Anteil derer, die angeben, sie wissen ungefähr oder recht genau“, was ein Algorithmus und eine Künstliche Intelligenz tun , gewachsen sein. Von den Befragten sagten beispielsweise 44 Prozent, dass sie ein „ungefähres Wissen“ und 14 Prozent, dass sie ein „recht genaues Wissen“ davon haben, was hinter dem Begriff Algorithmus steckt. Bei der Frage nach Künstlicher Intelligenz zeigte sich ein vergleichbares Ergebnis. „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat laut Selbsteinschätzung also mindestens ein ungefähres Verständnis über Algorithmen und Künstliche Intelligenz“, so die Studienautoren. „Gleichzeitig kann aufgrund der subjektiven Einschätzungen noch lange nicht von Wissen gesprochen werden.“
Viele wissen, was Algorithmen und KIs tun
Laut der Studie sind vielen Menschen durchaus mehrere Anwendungsgebiete von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz bewusst. Über 60 Prozent können sie mit digitaler Werbung, Gesichtserkennung, Kontaktvorschlägen in Social-Media-Diensten und Online-Partnerbörsen oder auch der Rechtschreibkontrolle in Textverarbeitungsprogrammen in Verbindung bringen. Dennoch seien einem großen Teil der Befragten andere Einsatzzwecke nicht bekannt. Darunter „beispielsweise ihre Nutzung zur Beurteilung des Risikos, ob ein Straftäter rückfällig wird, oder wie groß das Risiko ist, dass Kinder in ihren Familien misshandelt werden“. Trotz eines Basiswissens um die Nutzung von Algorithmen und KI glauben viele Menschen in Deutschland, dass diese Digitaltechnologien nicht in ihr Leben eingreifen: 71 Prozent der Befragten gaben an, dass Künstliche Intelligenz ihren Alltag „kaum oder gar nicht“ beeinflusst. Bei Algorithmen waren es 43 Prozent.
Je mehr die Befragten meinten, über Algorithmen und Künstliche Intelligenz zu wissen, umso größer sei die Akzeptanz „automatisierter Entscheidungen“. Wobei die Akzeptanz je nach Einsatzgebiet drastisch variiert. „Für eine Mehrheit der Befragten ist es in Fällen von Rechtschreib- und Satzbaukontrolle, angezeigter Werbung […] oder überraschenderweise auch bei der Gesichtserkennung […] im öffentlichen Raum in Ordnung, wenn automatisiert [allein von einem Computersystem] entschieden wird“, heißt es in der Studie.
Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit, einer Vorauswahl von Bewerbern für eine Arbeitsstelle, der Diagnose von Krankheiten oder der Auswahl von Zielen für Drohnenangriffe sind die Befragten skeptischer, was die Nutzung von Algorithmen oder KI angeht. Hier möchten sie, dass Computersysteme nicht alleine, sondern nur in Kooperation mit einem Menschen entscheiden. Bei der Beurteilung, ob ein Mensch straffällig werden könnte, wem ein Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte zusteht oder bei der Überwachung von Menschen in Pflegeheimen sollen hingegen Menschen die Oberhand haben und Computersysteme außen vor bleiben.
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Der Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz wird über die kommenden Jahre wohl weiter stark steigen. Die Befragten der Studie sind insgesamt unentschieden, ob sie das als Chance oder Risiko werten sollen. Rund 21 Prozent sehen positives Potential. 36 Prozent gehen davon aus, dass die Technologien durchaus Nachteile bringen könnten. Der Rest der Befragten mochte keine eindeutige Antwort wählen und meinte, es sei „schwer zu sagen“. Vor allem Menschen, die angaben, wenig oder nichts über Algorithmen und Künstliche Intelligenz zu wissen, sehen gemäß der Umfrage ein Risiko. „Viele Menschen fürchten sich vor dem Unbekannten, dem Undurchschaubaren“, schreiben die Studienautoren.
Laut den Autoren sei es daher notwendig, die Bevölkerung in Deutschland deutlich stärker über Algorithmen und Künstliche Intelligenz aufzuklären. Es müsse eine Kompetenz geschaffen werden, die es Menschen ermöglicht, realistisch einzuschätzen, ob und wie diese Technologien arbeiten und ihr Leben beeinflussen – und das „unabhängig von Alter, Bildung oder Einkommen“. Außerdem müsse transparenter werden, wie und wo Algorithmen und Künstliche Intelligenz schon jetzt eingesetzt werden, sodass diese nicht als eine unheimliche und unsichtbare Kraft wirken.
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Titelbild: Andriy Onufriyenko / Getty