Kürzlich habe ich mich gefragt, warum Deutschland im Internet eigentlich den Anschluss verloren hat, obwohl es hier doch einen beachtlichen Track-Record im Bereich Ingenieurskunst gibt. Warum hat sich das nie auf die digitale Welt übertragen? Warum haben die USA Facebook, Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet, aber eben auch Snapchat, Pinterest und Twitter hervorgebracht und die größte deutsche Plattform ist eine gähnend langweilige Unternehmensverwaltungssoftware? Warum haben die Amerikaner und Asiaten eine riesige Spieleindustrie samt Konsolen und Deutschland ist gerade mal bekannt für ein paar measly Wirtschaftssimulationen, Fußballmanager oder epigonale Games?
Und dann bin ich letztens durch Zufall auf die „Ergebnisse der 9. Arbeitstagung ‚Mensch-Maschine-Kommunikation‘“ im Informatik-Report der Universität Bremen aus dem Jahr 1990 gestoßen, für den ein Matthias Rauterberg und ein Hansjürgen Paul den Beitrag „Computerspiele - Computerarbeit: spielerische Momente in der Arbeit“ verfasst haben, in dem sie auch ihre nicht immer einfache eigene wissenschaftliche Forschung im Bereich Computerspiele reflektieren:
„[W]er sich mit Spiel beschäftigt, spielt bestenfalls und betreibt keine ‚seriöse Wissenschaft‘. Diese Identifikation von Seriosität und Arbeit bei gleichzeitiger Geringschätzung des spielerischen Moments musste überwunden werden, um dem Spannungsfeld zwischen Spiel und Arbeit gerecht zu werden. Ein Grund für dieses Spannungsverhältnis aus der Sicht von Arbeit gegenüber dem Spiel mag darin mitbegründet sein, dass die Bedeutung von ‚Spiel‘ in einem sehr engen Zusammenhang zu ‚Freizeit‘ und ‚Muße‘ gesehen wird.“
Und wenn ich mich nun an meine eigene Kindheit erinnere, dann kommt da einiges zusammen: Bereits der Fernseher war als „Glotze“ und „Flimmerkiste“ dem deutschen Bildungsbürgertum hochgradig suspekt, TV-Konsum wurde als bloßes Entertainment gesehen und geradezu gefährlich für die Entwicklung des Kindes, während der laufende Fernseher in US-Filmen irgendwie zur Mindestausstattung in beinahe jedem Wohnraum einer „All American Family“ zu gehören schien. Und als dann der Heimcomputer Anfang der 80er nach D kam, landete er zwar schnell in fast jedem Kinderzimmer, aber eben als Hausaufgabenmaschine, mit der klaren Hoffnung verknüpft, die Sprösslinge fit zu machen für den zukünftigen Arbeitsmarkt. Als die dann aber anfingen, mit dem Computer hauptsächlich zu spielen, war die Enttäuschung der Eltern groß. So war das ja nun nicht gedacht, jetzt kommt die Kiste aber mal für ne längere Zeit weg!
Viele frühe Videospielautomaten konnte man hierzulande nur in windigen Glücksspielsalons für Erwachsene finden, des Jugendschutzes wegen. Sagt man eigentlich deswegen „zocken“?
Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Land, das bildgetriebene Medien - im Grunde noch wie die Bilderstürmer im 16. Jhd - als „stäb oder stecken für die blöden“ (Huldrych Zwingli) und gleichzeitig das Spiel als Gegenstück zur Arbeit begreift, musste im Digitalen abkacken. Denn ohne – das nun meine These – dauernde Rumspielerei samt gesellschaftlicher Struktur, die die Spielereien dankbar aufgreift und mutig Geschäftsmodelle draus macht, kommt man in der digitalen Welt nicht zu Potte.
Ist das plausibel? Oder wie denkt ihr darüber?