Solar auf dem Acker: Warum Agri-PV eine gute Idee, aber nicht so einfach umzusetzen ist

Es klingt nach einer idealen Kombination: Mit Agri-Photovoltaik können Felder und Anbauflächen mit Solaranlagen überdacht werden, unter denen Obst, Gemüse, Salat und andere Feldfrüchte wachsen. Das bringt zwar ein paar Probleme mit sich, ist aber dennoch ein vielversprechendes Zukunftskonzept.

Von Michael Förtsch

Tagtäglich werden immense Mengen an Energie einfach verschwendet, ohne dass es jemandem auffällt. Schließlich strahlt die Sonne kostenfrei und zuverlässig. Pro Jahr liefert der Fluss aus Photonen rund 1.000 Kilowattstunden pro Quadratmeter auf das deutsche Staatsgebiet. Umgewandelt in elektrischen Strom wäre das genug, um den Strombedarf in Deutschland problemlos neunzig- bis hundertmal zu decken. Daher werden die Bemühungen verstärkt, das sogenannte Solarpotential der Bundesrepublik zu erschließen – was bisher eher mäßig der Fall ist, wie der Anteil der Solarenergie am deutschen Strommix zeigt: Elektrischer Strom aus Photovoltaikanlagen trug 2023 lediglich 12,4 Prozent dazu bei. Das Gros stammte dabei von kommerziellen Sonnenkraftwerken, die auf Wiesen, Brachen und entlang von Autobahnen entstehen. Seit Jahren sorgt das für Kritik.

Energieexperten und NGOs zufolge wäre deutlich mehr machbar. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Ecofys existieren allein in den größeren deutschen Städten rund 2.344 Quadratkilometer an Dachflächen, die praktisch sofort eine „solare Nutzung zulassen würden“. Dazu gehören Dächer von Supermärkten oder Fabriken genau wie von Wohnhäusern, Bürogebäuden und Schulen. Forscher sehen jedoch noch mehr Potential in anderen Flächen: den Äckern, Feldern und Hainen in Deutschland. Deren Gesamtausbreitung lag 2023 bei 165.000 Quadratkilometern – und damit bei fast 50 Prozent des deutschen Staatsgebietes. Bereits vier Prozent davon könnten, ausgestattet mit Photovoltaikanlagen, jährlich bis zu 500 Terawattstunden elektrischen Strom erzeugen – etwas mehr als der gesamte jährliche Stromverbrauch der Bundesrepublik im Jahr 2022.

Tatsächlich werden von Solarkraftwerkbetreibern in ganz Deutschland weitläufige Ackerflächen von Gemeinden und Privatpersonen für Jahrzehnte gepachtet – und anschließend mit großen Solaranlagen bebaut. Denn die Stromunternehmen können deutlich mehr zahlen als die Landwirte. Dadurch fallen den lokalen Bauern jedoch zunehmend Anbauflächen weg. Schon jetzt sollen deutschlandweit 800 Quadratkilometer für die Erzeugung von Nahrungsmitteln fehlen, warnt der Bauernverband. Jedoch müssten die Flächen durch die Nutzung für Solarenergie eigentlich nicht wegfallen, sagen beispielsweise Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft. Es gäbe andere Möglichkeiten. Die Bauern, ihr Obst, ihr Gemüse, ihre Tiere und Solarstromerzeuger könnten sich den Platz einfach teilen. Nicht in allen, aber in vielen Fällen.

Ein guter Kompromiss?

Die Kompromisslösung heißt Agri-Photovoltaik. Dabei handelt es sich um Photovoltaiksysteme, die so konzipiert sind, dass sie auf aktiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen installiert und betrieben werden können. Neu ist diese Idee nicht. Bereits Anfang der 1980er Jahre schlug der deutsche Physiker Adolf Goetzberger in einem Artikel mit dem Titel Kartoffeln unter dem Kollektor vor, Ackerflächen mit Reihen aus Solarkollektoren zu überspannen. Die Idee fand jedoch nicht sonderlich viel Beachtung. Aber 2004 entwickelte der japanische Ingenieur Akira Nagashima das Konzept unabhängig neu. Er erdachte eine Konstruktion aus Stahlrohren, um zwei Reihen eines kleinen Ackers einzufassen und darauf Photovoltaikpaneele aufzuständern. Er plante die Anlage so, dass ausreichend Platz unter den Paneelen und zwischen deren Halterung für die Pflanzen und Traktoren vorhanden ist. Etwa gleichzeitig entstand auch die erste und ähnlich aufgebaute Agri-PV-Anlage in Deutschland.

Doch erst seit den 2010er-Jahren und vor allem im Zuge der Energiewende wird Agri-PV auch in Deutschland mit Nachdruck erforscht und weiterentwickelt. Dabei geht es bislang mehrheitlich um Versuchs- und Modellanlagen, die in Kooperation mit unabhängigen Bauern oder Bauernverbänden betrieben werden – vor allem in Baden-Württemberg, das über fünf Agri-PV-Felder verfügt. Auch in anderen Bundesländern wie Bayern stößt die Idee zunehmend auf Interesse. Dort entsteht seit 2023 auf den Ackerflächen des bayerischen Staatsgutes Grub nahe München eine Versuchsanlage für verschiedene Agri-PV-Konzepte mit mehreren Modultypen. Denn auch wenn viele Vor- und Nachteile der Agri-PV prognostiziert werden können: Ob, wie und wie gut welche Photovoltaiksysteme in Kombination mit welchen Anbauflächen wirklich eingesetzt werden könnten, ist nicht sicher. Doch die Versuche lohnen sich auf jeden Fall.

Denn Forscher, zum Beispiel am Fraunhofer ISE, sehen zahlreiche Synergiepotenziale. So könnten hitze-, licht- und trockenheitsempfindliche oder schattentolerante Kulturpflanzen wie Salat, Erdbeeren, Winterweizen, Hafer, verschiedene Kräuter, junge Apfelbäume oder auch Wein von einer Überspannung mit Solarpaneelen profitieren und sogar ressourcenschonender angebaut werden. Denn durch die Verschattung könnte der Bewässerungsbedarf reduziert werden – in manchen Fällen um bis zu 20 Prozent, rechnet das Fraunhofer ISE vor. Im Hitzesommer 2018 lieferte beispielsweise ein von Solarmodulen beschatteter Kartoffelacker im baden-württembergischen Heggelbach eine bessere Ernte als unbeschattete Vergleichsfelder. Zudem produzierte die Solaranlage insgesamt 249.857 Kilowattstunden Strom – rund 83 Prozent dessen, was eine herkömmliche PV-Anlage auf der gleichen Fläche generiert hätte.

Aufgrund des Klimawandels könnte Verschattung durch Agri-PV sogar zu einem Muss werden. „Wir gehen davon aus, dass einige einheimische Kulturen innerhalb der nächsten zehn Jahre in Deutschland nicht mehr ohne künstliche Beschattung angebaut werden können“, sagt beispielsweise Oliver Hörnle vom Fraunhofer ISE. Bei Unwettern könnten Pflanzen wiederum vor heftigem Niederschlag geschützt werden und Folienzelte könnten überflüssig gemacht werden, die ein Mikroklima erzeugen und Verdunstung beschränken. Bei motorisch nachführbaren Solarpaneelen könnte der Lichteinfall sogar automatisch basierend auf den besten Wachstumsbedingungen der jeweiligen Pflanzen reguliert werden. In der richtigen Kombination könnte diese Art Agri-PV zu dauerhaft höheren Ernteerträgen führen, so die Hoffnung.

Aber nicht in allen Fällen sind Solaranlagen über Agrarflächen ein Vorteil. Denn die Module können benötigtes Regenwasser und Licht abhalten, von Staub reinigenden Wind und kühlende Briesen blockieren, die für das Wachstum vorteilhaft sind. Daher führt Agri-PV in einigen Fällen offenbar zu massiven Ernteeinbußen, wie sich bei Versuchen gezeigt hat. Mais, Rüben und Soja sollen sich unter klassischen PV-Paneelen eher schlecht entwickeln. Die Ernteeinbußen können bis zu 40 Prozent betragen, wie einige Landwirte berichten.

Verschiedene Konzepte

Mittlerweile gibt es zahlreiche alternative, hybride und spezialisierte Agri-PV-Konzepte. Nicht hoch auf Gerüsten, sondern in unter zwei Metern Höhe installierte Solarmodule werden zum Beispiel auf Weiden installiert, wo die landwirtschaftlichen Maschinen nicht fahren müssen. Sie erzeugen vor allem in den Sommermonaten Strom, sorgen aber auch dafür, dass Gras und anderes Grün unter den Paneelen nicht so schnell verdorrt und Kühe, Kälber, Schafe und Hühner dort Schutz vor Sonne und Regen finden. Dass das gut funktioniert, zeigt seit letztem Jahr eine Testanlage der Solarfirma Sunfarming in Rathenow, Brandenburg.

PV-Anlagen können auch vertikal installiert werden, wobei die Solarpaneele auf Pfosten aufgereiht werden und wie Wände durch die Ackerflächen verlaufen. Solche Systeme sind einfacher und kostengünstiger zu installieren, aber nicht für alle Kulturen geeignet. Hochwachsende Getreidearten wie Weizen, Mais, Senf oder Sonnenblumen würden den Modulen das Licht nehmen. Flach wachsende Pflanzen wie Kartoffeln oder Erdbeeren können dagegen problemlos zwischen den Modulwänden wachsen, ohne die Energieausbeute zu beeinträchtigen. Wobei diese im Vergleich zu aufgeständerten oder gar motorisch nachgeführten Systemen grundsätzlich geringer ist, da die hochstehende Mittagssonne nur mäßig genutzt und in den Wintermonaten nur Streiflicht eingefangen werden kann.

Eine Lösung? Die Module könnten manuell oder motorisch schwenkbar installiert werden, so dass sie nach der Ernte geneigt oder horizontal ausgerichtet werden können, um die Energieausbeute zu maximieren.

Anstelle der klassischen Paneele entwickelt das deutsche Start-up Tubesolar Photovoltaikmodule, die aus einzelnen Röhren bestehen. Diese sollen die Sonneneinstrahlung gleichmäßig streuen und durchlässig für Regen und Wind sein. „Das sorgt für ein gleichmäßiges Pflanzenwachstum“, verspricht Tubesolar-Chef Jürgen Gallina. Die italienische Firma Remtec Energy wiederum bietet schmale, eher flügelartige Module an, die von Sensoren und kleinen Motoren gesteuert dem Stand der Sonne folgen können – und so auf weniger Fläche genauso viel oder sogar mehr Strom erzeugen sollen als große, fest installierte Module.

Es braucht mehr Forschung

So schlüssig das Konzept der Agri-PV klingt, so viele Fragen sind trotz Test- und Pilotanlagen offen. Denn in vielen Fällen ist es noch nicht möglich, eine bessere oder schlechtere Ernte unter den Solarzellen eindeutig bestimmten Faktoren zuzuordnen – und damit eine Anlage gezielt auf bestimmte Feldfrüchte zuzuschneiden. Hier besteht noch Forschungsbedarf. Ebenso gehen die PV-Anlagen für die Landwirte mit zusätzlichen Herausforderungen einher. Denn die Reihen von Aufständerungen oder Solarwänden bedeuten auch Flächen, die nicht bepflanzt und abgeerntet werden können. Zudem müssen Landwirte mit Traktoren und Erntemaschinen deutlich vorsichtiger fahren, um die Anlagen nicht zu beschädigen. Dies ist auch mit Hilfe der Fahrautomatisierung durch GPS-Navigation nicht ganz unproblematisch.

Ein weiteres Problem vor allem für Landwirte ist, dass sie bei der Installation von Agri-PV-Anlagen auf Kooperationen angewiesen sind. Schon der Bau einer klassischen Solarfarm auf etwa 1,5 Hektar mit einer Leistung von 1,5 bis zwei Megawatt kann bis zu einer halben Million Euro kosten. Bei Agri-PV-Systemen liegen die Kosten aufgrund der zusätzlich benötigten Technik wie Gestellen und Nachführsystemen noch höher. „Für den Aufbau braucht man mehr Leute, die Pfähle müssen tiefer in die Erde, die Paneele müssen anders befestigt werden, weil der Wind mehr Angriffsfläche hat“, erklärt ein Techniker gegenüber 1E9, der am Bau einer Anlage im Münchner Umland beteiligt ist. „Das macht es teurer.“ Deshalb braucht es professionelle Betreiber mit entsprechendem Kapital, die die Anlagen bauen, warten und den Strom verkaufen. Ob die Bauern anteilig am erzeugten Strom verdienen oder pauschal für die Nutzung ihrer Flächen entlohnt werden, hängt oft vom Vertrag ab.

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Viele Landwirte befürchten, dass die Einnahmen aus Agri-PV mögliche Ertragseinbußen nicht ausgleichen, geschweige denn ein Plus für sie erwirtschaften können. Dies würde Agri-PV unattraktiv und riskant machen. Insbesondere dann, wenn sich der Landwirt für mehrere Jahre an eine Anlage bindet. Der Bauernverband, das Fraunhofer ISE und Umweltorganisationen wie BUND fordern daher, experimentierfreudige Landwirte zu unterstützen und die Erprobung von Agri-PV regulatorisch einfacher, finanziell weniger riskant oder sogar wirtschaftlich attraktiv zu machen. Nur so kann ausreichend Forschung unter realen Bedingungen betrieben werden, um Agri-PV nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu einem sicheren Konzept zu entwickeln, das sowohl Energie als auch Nahrungsmittel liefern kann.

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Das ist ganz gut erklärt und nicht so naiv-euphorisch wie sonst oft dargestellt. Vernünftige, hochaufgeständerte Anlagen sind teuer. Wenn sie automatisch nachgeführt werden noch teurer. Sie dienen bisher vor allem der Werbung - gebaut werden sie selten (zumindest sehe ich keine in meinem Umfeld). Dafür aber viele niedrig aufgeständerte Anlagen die m.E. ein Problem darstellen, dass Michael nicht genannt hat: ich kenne keine Langzeit-Studien, die die Auswirkungen auf den Boden untersucht haben. Nicht nur die Beschattung ist enger (weniger Seitenlicht) sondern es gibt auch eine sehr ungleichmäßige Beregnung. Unter den Panelen bleibt es trocken, an den Rändern läuft das Wasser ab und schafft (je nach Bodenbeschaffenheit) einen Sumpf). Was das langfristig mit der Bodenqualität und der Bodenfauna macht, weiss anscheinend niemand. Außer ein paar Brennesseln wächst da nichts. Insektenfreundlich ist das auch nicht - eine Bienenwiese sieht anders aus. Da helfen auch nicht die bunten Photoshop-Blumen in der Werbung.
Ein weiteres Problem bei Agri-PV: die teils sehr großen Anlagen sind eingezäunt und blockieren Wildwanderwege.
Wissenschaftlich gut begleitete Pilotprojekte sind sinnvoll. Riesige Ackerfläche außer Betrieb zu nehmen und nicht zu wissen, was mit dem Boden passiert, ist nicht sehr verantwortungsvoll.

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