Schlafend zu anderen Planeten: Forscher haben Mäuse in eine künstliche Stase versetzt

In Science-Fiction-Filmen überwinden Weltraumreisende gigantische Strecken während sie in Tiefschlafkammern schlummern. Forscher haben diesen Zustand nun künstlich bei Mäusen hervorgerufen. Das könnte auch beim Menschen möglich sein.

Von Michael Förtsch

Immer wieder melden Forschergruppen und Astronomen neue und spannende Entdeckungen. Darunter sind immer wieder auch Funde von Planeten, die der Erde sehr ähnlich scheinen und möglicherweise sogar bewohnbar sein könnten. Darunter ist Gliese 667Cc, ein Planet 22,18 Lichtjahre weit weg, den sich Wissenschaftler als wasserreiches Paradies vorstellen, das Leben beherbergen könnte. Weitaus näher ist Proxima Centauri b, der erdnächste Exoplanet, der sein Zentralgestirn in einer sogenannten habitablen Zone umkreist und nur wenig massereicher ist als unser Heimatplanet. Er ist nur 4,2 Lichtjahre entfernt. Dass wir einen dieser Himmelskörper allzu bald mit menschlichen Astronauten erreichen und erforschen werden, ist aber eher ausgeschlossen.

Das liegt jedoch nicht daran, dass uns Antriebs- oder Navigationstechnologien fehlen. Die größte Hürde ist die Zeit. Selbst wenn es beispielsweise mit atomaren Antriebssystemen gelingt rund 12 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen, wäre die Besatzung im Fall von Gliese 667Cc ganze 184 Jahre unterwegs. Die Reise nach Proxima Centauri b wäre hingegen in 35 Jahren zu bewältigen. Auch nicht gerade eine kurzer Trip. In der Science Fiction gibt es dafür eine Lösung. Menschen begeben sich in speziellen Kammern in eine künstliche Stase – einen Schlafzustand, in dem die Körperfunktionen und die Alterung verlangsamt werden. In Filmen wie der Alien-Reihe, 2001: Odyssee im Weltraum und Interstellar überstehen die Protagonisten so Jahre und Jahrzehnte – ganz ohne den Lauf der Zeit wahrzunehmen.

Forschern der Harvard Universität ist nun ein Schritt gelungen, diese Sience-Fiction-Vision näher an die Realität heranzurücken. Sie haben es geschafft, Mäuse in einen künstlichen Winterschlaf zu versetzen. Sie haben dafür eine Ansammlung von Neuronen im Hypothalamus identifiziert, die offenkundig für die Auslösung eines solchen Zustandes verantwortlich ist. In dem sie diese Ansammlung von Neuronen gezielt stimulierten, versetzten sie die Mäuse in den Schlafzustand – und konnten sie für Tage in dieser Stase halten. Wie sie in einer von Nature veröffentlichten Studie schreiben, verringerte sich in diesem Topor „die Stoffwechselrate“ und die Körpertemperatur fällt auf bis zu 20 Grad Celsius – rund 16 Grad unter der normalen Körpertemperatur.

Auch beim Menschen machbar?

„Bei warmblütigen Wesen wird die Körpertemperatur streng reguliert“, sagt Senmiao Sun, Co-Autor der Studie, zur The Harvard Gazette. „Ein Abfall von ein paar Grad beim Menschen führt zum Beispiel zu Unterkühlung und kann tödlich sein. Der Winterschlaf umgeht jedoch diese Regulierung und lässt die Körpertemperatur dramatisch sinken.“

Was die Erkenntnis der Harvard-Forscher noch bemerkenswerter macht: In einer ebenso gerade erst von Nature veröffentlichten Studie der University of Tsukuba in Japan beschreiben Wissenschaftler eine nahezu identische Entdeckung von Neuronen. Wie die japanischen Forscher meinen, könnte diese die „Entwicklung einer Methode zur Herbeiführung eines Winterschlaf-ähnlichen Zustands ermöglichen“, und zwar auch bei Säugetieren, die eigentlich keinen Winterschlaf halten – „einschließlich des Menschen.“ Grundsätzlich könnte vielleicht auch der menschliche Körper eine Stase erlauben, in der Körperfunktionen dramatisch reduziert werden, ohne dass ein bleibender Schaden entsteht.

„Die Phantasie spielt verrückt, wenn wir über das Potenzial von Winterschlaf-ähnlichen Zuständen beim Menschen nachdenken. Könnten wir wirklich die Lebensspanne verlängern? Ist dies der Weg, um Menschen auf den Mars zu schicken“, sagt Sinisa Hrvatin, Mit-Autor der Harvard-Studie. „Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir zunächst die grundlegende Biologie der Starre und des Winterschlafs bei Tieren untersuchen.“

Tatsächlich warnen die Harvard-Forscher vor zu viel Euphorie. Es müsse noch viel geforscht und experimentiert werden. Und ob sich Menschen wirklich in eine Winterschlaf-ähnlichen Stase versetzen lassen, darauf könne jetzt noch keine konkrete Antwort gegeben werden. Aber: „Wir können jetzt genau untersuchen, wie Tiere in diese Zustände eintreten und sie ihn wieder verlassen, die zugrundeliegende Biologie identifizieren und über Anwendungen beim Menschen nachdenken“, sagt Hrvatin. „Diese Studie stellt einen der wichtigsten Schritte auf diesem Weg dar.“

Teaser-Bild: MGM

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