Roboterautos und die große Frage der Autoindustrie: Wer bin ich eigentlich?

Womit sollen Hersteller in Zukunft, wenn selbstfahrende Autos kommen, noch Geld verdienen? Mit dem altmodischen, bisher erfolgreichen Verkauf von Autos? Oder mit Fahrdiensten und Carsharing, die bisher Draufzahlgeschäfte sind? Wollen die Autobauer Airbus oder Lufthansa sein? Foxconn oder Apple? Wir haben mit dem deutschen Autopapst und einem „Chief Disruptor“ aus dem Silicon Valley gesprochen. Ihre Ratschläge fallen unterschiedlich aus. Wie seht ihr das?

Von Wolfgang Kerler

Erstaunlich oft wird von der deutschen Autoindustrie geschrieben. Auch von mir. Dabei stellen sich die Konzerne ziemlich unterschiedlich für die Zukunft auf. Klar, egal ob Volkswagen, Daimler oder BMW: Alle betreiben Carsharing-Dienste, alle entwickeln und verkaufen Elektrofahrzeuge, alle forschen an selbstfahrenden Autos. Die Vehemenz, mit der sie das eine oder andere tun, unterscheidet sich aber. Zumindest war das mein Eindruck, gerade in den vergangenen Monaten. Vergleichen wir, zum Beispiel, VW und BMW.

Bei BMW , berichtete das Handelsblatt kürzlich, soll der neue Konzernchef Oliver Zipse intern die Losung vorgegeben haben: Man sei Flugzeugbauer, keine Airline. Das klingt eindeutig. Das Unternehmen will sich wieder aufs Kerngeschäft konzentrieren: Autos bauen und verkaufen. Man glaubt in München wohl nicht an den schnellen Durchbruch von Robotaxis. Die Entwicklung selbstfahrender Autos treibt BMW trotzdem zusammen mit Daimler voran. Die Lust auf Mobilitätsdienste scheint BMW aber vergangen zu sein. Für ShareNow & Co., das andere Gemeinschaftsprojekt mit Daimler, werden anscheinend externe Investoren gesucht.


Ein Video vom Anfang des Jahres, das doch schon lange her ist: Nicht nur, dass Daimler und BMW offenbar nach Investoren suchen für YourNow suchen. Sie haben dort auch schon Spitzenpersonal verloren. Und die beiden Konzernchefs im Clip, Dieter Zetsche und Harald Krüger, sind beide auch nicht mehr im Amt.

Und was macht Volkswagen ? Während bei anderen Playern, die schon länger im Carsharing-Geschäft sind, die Euphorie schwindet, steigt VW jetzt erst mit großem Marketingaufwand ein – mit dem Dienst WeShare, der im Sommer in Berlin startete und komplett auf Elektroautos setzt. Außerdem hat der weltgrößte Autohersteller gerade die Gründung einer neuen Tochter verkündet, in der die Entwicklung eines selbstfahrenden Systems gebündelt werden soll. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts soll die Arbeit der Volkswagen Autonomy GmbH, kurz: VWAT, mit Sitz in München und Wolfsburg „Mobilitätslösungen für Personen und Waren im urbanen Raum“ ermöglichen.

Was ist der richtige Kurs? Zurück zu den Wurzeln oder volles Risiko? Wir haben darüber mit zwei Experten gesprochen, einem aus Deutschland und einem aus dem Silicon Valley: Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen, und Tony Seba, Gründer eines Think Tanks im Silicon Valley und Lehrbeauftragter an der Stanford University. Wir fangen mit der deutschen Stimme an.

Ferdinand Dudenhöffer: Keine Milliarden für Robotaxis versenken!

Oft wird er „Autopapst“ genannt – und das nicht zu Unrecht. Professor Ferdinand Dudenhöffer ist Gründer und Direktor des Center Automotive Research, kurz: CAR, an der Uni Duisburg und seit Jahrzehnten ein Beobachter, Kenner und oft auch Kritiker der Automobilindustrie. Für die hat er in den 1980er und 90er Jahren auch selbst gearbeitet: Opel, Porsche, Peugeot, Citroen.

Das nächste große Ding ist für Ferdinand Dudenhöffer ganz klar die Umstellung auf batteriebetriebene Elektromotoren – und zwar für Autos, die ihren Fahrern persönlich zur Verfügung stehen. Ganz klassisch, fast zumindest. „Es wird sicher neue Vertriebsformen für Autos geben“, sagt er zu 1E9. „Ich gehe davon aus, dass Auto-Abos eine gute Chance haben, bei denen Sie eine monatliche Rate fürs Fahrzeug zahlen.“

Er ist sich aber ziemlich sicher, dass die meisten Kunden auch in 15 Jahren noch 24 Stunden am Tag Zugriff auf ihr Auto haben wollen, ohne eine vorherige Buchung oder Bestellung. „Und das ist ganz klar die Domäne der Autobauer“, sagt er. Außerdem sei der private Autobesitz allein in Deutschland in den letzten zehn Jahren um mehr als zehn Prozent beziehungsweise fünf Millionen Autos gestiegen. „Wir sehen derzeit nicht, dass morgen alle sagen: Man braucht kein eigenes Auto mehr.“

Was heißt das also für selbstfahrende Autos? Sollten nicht längst Milliardensummen in ihre Entwicklung und in Robotaxis und -Shuttles fließen? „Da wäre ich eher vorsichtig“, rät der Professor. Mit dem großen Durchbruch rechnet er in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht – und auch dann zunächst bei Nutzfahrzeugen, zum Beispiel Lastwagen auf der Autobahn. „Bei einem LKW, der 300.000 oder 400.000 Euro kostet, sind 20.000 Euro für autonomes Fahren kein großes Thema. Außerdem kann man Fahrer sparen, die knapp sind und teuer.“

Das würde aber auch für selbstfahrende Taxis oder Shuttles in den Städten gelten. Trotzdem erwartet Ferdinand Dudenhöffer hier erstmal kein Riesengeschäft, vor allem wegen des Kapazitätsrisikos. Denn wolle man Kunden nicht ewig auf die Robotaxis warten lassen, müsste man eine große Flotte im Einsatz haben. Dadurch erhöhe sich aber das Risiko von teuren Leerfahrten. „Ich sehe im Moment keinen ökonomischen Business Case“, sagt er. „Uber verbrennt schon jetzt Geld im großen Maßstab, obwohl sie noch nicht einmal eigene Fahrzeuge vorhalten müssen.“

Meinen Sie, wenn Sie ein paar tausend autonome Taxis dazustellen, die dann hoch- und runterfahren, werden die Probleme einfacher?
Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen

Ein weiterer Grund für seine Skepsis: die Großstädte seien schon jetzt an der Grenze ihrer Belastbarkeit. „Meinen Sie, wenn Sie ein paar tausend autonome Taxis dazustellen, die dann hoch- und runterfahren, werden die Probleme einfacher?“, fragt er. „Nach meiner Einschätzung eher weniger. Es geht schließlich nicht darum, nachmittags um zwei durch die Stadt zu fahren. Sie werden die Taxen morgens zwischen sieben und neun und dann wieder gegen Abend von fünf bis acht brauchen. Genau dann, wenn Sie die Verkehrsprobleme haben.“ Deswegen sieht er einen eher überschaubaren Markt für selbstfahrende Fahrdienste.

Was aber bedeutet das für die Autobauer? Was wäre aus seiner Sicht die richtige Strategie? „Die müssen jetzt erst einmal die Elektromobilität schaffen“, sagt er. Dabei spielt das vollelektrische Batterieauto die Schlüsselrolle. „Das kostet viele Milliarden. Außerdem müssen sie die Verluste schultern, die durch die Zollkriege des US-Präsidenten erzeugt werden.“

„Man sollte auf der Ebene von Tests weitermachen, um die Technologie zu verstehen. Das ist machbar und finanzierbar. Und wenn sich dann ein Markt entwickelt, können sie starten. Das ist aus meiner Sicht jetzt eine sinnvolle Strategie.“

Tony Seba: Jetzt alles auf elektrische, selbstfahrende Mobilitätsdienste setzen!

„Viele Leute haben gesagt, ich bin verrückt“, erinnert sich Tony Seba im 1E9-Interview. Das sei ihm sogar mehrmals passiert. 2010, zum Beispiel, als er prophezeite, dass der Verbrennungsmotor in 20 Jahren überflüssig sein wird. Oder 2014, als er in seinem Buch Clean Disruption vorhersagte, dass 2019 ein Elektroauto mit einer Reichweite von über 300 Kilometer für nur 35.000 Dollar auf den Markt kommen würde.

2030 haben wir zwar noch nicht. Doch mit der zweiten Behauptung lag er schon richtig. Seit Anfang des Jahres wird das Model 3 von Tesla ausgeliefert, das in der Basisversion 35.000 Dollar kostet.

Tony Seba arbeitet im Silicon Valley. Er gehört zu den Gründern des Think Tanks RethinkX und ist Lehrbeauftragter an der Stanford University. Sein großes Thema ist die Technologiekonvergenz . Ein sperriges Wort. Aber was damit gemeint ist, lässt sich einfach erklären: das Zusammenkommen oder Verschmelzen von ursprünglich getrennten Technologien zu ganz neuen Innovationen. Zum Beispiel zu selbstfahrenden Autos, die auf Bestellung, also on demand, verfügbar sind und elektrisch fahren.

Denn genau in dieser Kombination sieht Tony Seba die Zukunft der Mobilität – vor allem wegen des unschlagbaren Preises. „Sobald wir selbstfahrende, elektrische On-Demand-Fahrdienste haben – quasi Uber mit selbstfahrenden E-Autos – werden die Transportkosten im Vergleich zum Privatauto zehnmal billiger werden“, sagt er. Dafür sollen die zehnmal höhere Auslastung der Fahrzeuge und die im Vergleich zum Verbrenner deutlich niedrigeren Wartungskosten der ohnehin langlebigen Elektroautos sorgen. „Wenn etwas zehnmal billiger wurde, führte das immer zu schnellen und massiven Disruptionen“, sagt Tony Seba.

Doch was heißt das für die Autoindustrie? „Sie wird schrumpfen. Denn die Leute werden aufhören Autos zu kaufen, da es für sie ökonomisch keinen Sinn mehr ergibt.“ Anstelle der Neuwagen könnten Mobilitäts-Abos für etwa 100 Dollar pro Monat den Markt aufrollen, erwartet er. „Wer würde schon 50.000 Dollar für ein eigenes Auto zahlen, wenn er für 100 Dollar im Monat mobil sein kann?“

Sie sollten sich auf keinen Fall einbilden, den Umbruch stoppen oder kontrollieren zu können.
Tony Seba, RethinkX

Und wann wird es soweit sein? „Wenn wir die Entwicklung aller Technologien, die man für ein selbstfahrendes, elektrisches On-Demand-Fahrzeug braucht, und die dazugehörigen Kostenkurven betrachten, dann denke ich, dass es 2021 passieren wird. Dann haben wir die Technologiekonvergenz.“ Das wäre in nur zwei Jahren.

Trotzdem glaubt Tony Seba, dass die traditionellen Hersteller noch Chancen haben gegen Tesla, Waymo, Didi und die vielen anderen neuen Player. Natürlich nur, wenn sie die richtige Strategie verfolgen. „Sie sollten sich auf keinen Fall einbilden, den Umbruch stoppen oder kontrollieren zu können“, rät er. „Das wird nicht funktionieren. Sie müssen komplett auf selbstfahrende, elektrische On-Demand-Fahrdienste setzen.“

Deshalb sollten sie aus seiner Sicht auch alle Investitionen in alte Technologien stoppen, zum Beispiel in Verbrennungsmotoren. „Damit lässt sich zwar noch Geld verdienen, aber man sollte kein neues Kapital opfern.“ Zusätzlich rät er dazu, sich Verstärkung zu holen. Junge Verstärkung. „Wenn ich einer dieser Hersteller wäre, würde ich Firmen aufkaufen, die Technologie für autonomes Fahren entwickeln und für die Talente arbeiten.“

Der Schlüssel zu künftigen Milliardengewinnen liegt für ihn vor allem in der Software, also dem Betriebssystem der Roboterautos. „Beim Betriebssystem, da gibt es die großen Gewinnspannen“, sagt Tony Seba. „Natürlich wird man auch in Zukunft mit dem Bau von Autos, also der Hardware, Geld verdienen können – aber nur mit kleinen Margen.“ Für ihn ist also klar, was die Volkswagens, BMWs und Daimlers dieser Welt versuchen sollten: Die Microsofts, Googles und Apples der Zukunftsmobilität werden. Nicht die HPs oder Foxconns.

Kleiner Servicehinweis: Das Buch von Tony Seba ist inzwischen auch in deutscher Übersetzung erschienen.

Wie seht ihr den Mobilitätsmarkt 2035? Werden Autobauer nur noch Dienstleister sein – oder gar nur noch „Zulieferer“ für die Waymo, Uber & Co.? Oder wird ihr Kerngeschäft – der Verkauf von Autos – weiter funktionieren? Was würdet ihr als Automanager tun? Diskutiert mit uns unter dem Artikel!

Titelbild: Monty Rakusen / Getty Images

Dieser Artikel ist Teil des 1E9-Themenspecials: Fahren 2035. Wir und die Roboterautos. Alle Texte und Diskussionen und Mobilitäts-Expertinnen und -Experten aus unserer Community findest du hier!

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Das ist eines der großen Probleme in Europa. Solche Käufe finden kaum statt. Oder wann hat beispielsweise BMW zuletzt (im großen Stil) eine Tech-Akquisition begangen?

Auf der anderen Seite werden gigantische Budgets ausgegeben für eigen Leute und Riesenabteilung fürs hochautomatisierte Fahren - wohl auch eher auf Forschungslevel. Hier bin ich bei Herrn Duddenhöffer. Man verbrennt Geld in großem Stile (nicht nur Uber). Bei solchen Abteilungen frage ich mich wie je etwas in diesem komplexen Produkt Auto und in den herrschenden Zyklen productized und integriert werden soll…

Kleinere und fokussierte Units die spezielle Anwendungsprobleme lösen und darüber stetig im hochautomatisierten Fahren vorwärts kommen, während sie „Geld“ verdienen, wäre doch ein super Lösung. Beispielsweise wie mit kleinen autonomen shuttles am Firmengelände, wie in Bad Birnbach, wie in der Logistik, etc.

Denke auch, dass die beiden Meinungen gar nicht so gegensätzlich sind, sonder sich gut kombinieren lassen.

Am meisten Freude jedoch hab ich momentan ans Sixt :slight_smile:
Bin gespannt wer hier als Gewinner hervorgeht.

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Wenn in Zukunft verstärkt autonome Taxis und Shuttles genutzt werden, wird das gravierende Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben. Individueller PKW Besitz wird zurückgehen, durch ein kosteneffizientes, immer verfügbares on-demand Angebot. Der Absatz wird automatisch sinken durch reduzierte Nachfrage in Privathaushalten.

Die Frage ob die Automobilhersteller nun in den Bereich Mobilitätsdienstleistung gehen sollen, hat sich in den letzten Jahren durch verschiedene Carsharing Anbieter eigentlich schon beantwortet. Sicherlich sehr erfolgreiche Marken und innovative Geschäftsmodelle. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass Carsharing als Stand-alone Produkt langfristig nicht funktioniert und nicht skalierbar ist – man betrachtet z.B. den suburbanen oder ländlichen Raum. Darüber hinaus liegen Kernkompetenzen wie Netzwerk, Operations und IT Lösungen, weniger bei heutigen Automobilherstellern.

Dafür wird sich die Art und Weise wie wir in Zukunft reisen, massiv verändern. Denn was tut ein Fahrer, wenn er auf einmal nicht mehr fahren muss? Neugewonnene Zeit durch autonome Fahrzeuge lässt uns die in-Car Experience komplett neu denken. Somit entstehen ganz neue Möglichkeiten, wie z.B. Unterhaltungsangebote, Einkaufsmöglichkeiten, oder vielleicht sogar Fitnessangebote. Somit haben Automobilhersteller auch in Zukunft die Möglichkeit, die Leidenschaft des Deutschen zum Automobil zu erhalten, auch wenn die Beziehung eine ganz andere sein wird, und durch neue, digitale Möglichkeiten während der Fahrt, den Premium Anspruch und die Exklusivität an das Auto noch weiter zu steigern.

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Wenn es um die Mobilitätsbranche geht, geht in der Debatte häufig unter, dass Mobilität nicht gleich Autofahren ist. Leider ist das Auto in vielen Regionen in Deutschland eine Notwendigkeit um überhaupt einen Alltag bestreiten zu können. Ziel eines Mobilitätsanbieters der Zukunft sollte sein, Mobilität zu ermöglichen ohne jedem ein privates Auto verkaufen zu müssen. Rufbusse, die bestellt werden können und zu deutlich günstigeren Preisen als Taxis funktionieren sind ein wichtiges Element. Aber auch der Ausbau des klassischen öffentlichen Nahverkehrs sowie der Infrastrukturen für den interkommunalen Radverkehr spielen eine wichtige Rolle.

Mobilitätsanbieter sind gut beraten, sich mit Kommunen und Landkreisen zusammenzutun und gemeinsam Konzepte zu entwickeln. So können diese Unternehmen Geschäftsmodelle entwickeln und Kommunen ihren Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten. Gerade damit die neuen Mobilitäts-Angebote keine Nische bleiben, sind Kooperationen notwendig. Wir brauchen diese Konzepte auch und gerade um sowohl soziale Gerechtigkeit durch die Anbindung von ländlichen Räumen als auch Klimaschutz zu erreichen.

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Ich bin etwas hin-und hergerissen zwischen den beiden Meinungen. Ich sehe mich argumentativ eher auf der Seite von Tony Seba, sehe allerdings den Zeithorizont von Prof. Dudenhöffer als realistischer an. Ich glaube jedoch, dass es für die Shuttleservices auf jeden Fall funktionierende Geschäftsmodelle geben wird.
Es wird meines Erachtens für die OEMs nicht ausreichen, das Thema Autonome Fahren mit Experimenten weiter zu begleiten (Dudenhöffer). Die Abhängigkeit zu Lieferanten bzw. auch den Waymos dieser Welt wird zu groß sein um das aufzuholen. Außerdem werden die Eintrittshürden dort größer sein als beim reinen Fahrzeugbau. Die Wertschöpfung wird hin zur Software gehen und die OEMs werden Probleme bekommen (man braucht auch nicht mehr die High-end Fahrzeuge, die 200+ kmh fahren).

Zur Thematik Flugzeugbauer vs. Airline:
Vorweg, sehr interessante Aussagen des neuen BMW CEOs, der einen Strategieschwenk hin zum „Flugzeugbauer“ vorantreibt. Der Vergleich ist zwar sehr anschaulich, aber es gibt mE schon Unterschiede zwischen den Industrien:

Das Geschäft mit Services und Daten wird glaube ich deutlich größer sein im Automotive-Bereich (Ein Grund ist, dass Autofahren eben deutlich integrierter im Alltag der Menschen ist). Das beutetet wiederum, dass es besonders wichtig ist „Customer-facing“ zu sein, also direkten Kontakt/Zugriff auf den Endkonsumenten zu haben. Da sehe ich schon eine wirtschaftliche Gefahr für reine Autobauer. Das heutige Geschäftsmodell mit Services etc. funktioniert ja nur, weil noch an Endkunden verkauft wird.

Trotz großer Konsolidierungen in der Automobilbranche ist es trotzdem wahrscheinlich, dass es deutlich mehr OEMs geben wird als in der Luftfahrtindustrie, wo es ja mit Airbus und Boeing eigentlich nur zwei relevante Anbieter gibt. Das hat Einfluss auf die Verhandlungspositionen und Margen zwischen Airline und Flugzeugbauer.

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Es gibt heute kein Unternehmen, das gleichzeitig in Hardware und Services groß und gut ist. Auch Apple und Microsoft würde ich nicht ausnehmen, weil sich Mobilitätsdienste lokal stark unterscheiden und die Erbringung viel mehr von Menschen abhängig sind als die Produkte und Dienste von IT-Firmen.

Bei automatisiertem Fahren verschwimmt die Grenze zwar ein bisschen, aber grundsätzlich liegen die benötigten Skills und Kultur für Automobilbau und Mobilitätsdienste-Betrieb weit auseinander. Die Separierung von ShareNow, WeShare oder MOIA aus dem Hauptgeschäft der Autobauer macht also Sinn. Ob sie erfolgreich sein kann, hängt davon ab ob der Autobauer dem Mobilitätsdienstleister ausreichend Freiheit einräumt. Mobilitätsdienste folgen besonders im urbanen Raum auch nicht unbedingt marktwirtschaftlichen Geschäftsmodellen. Das muss man erstmal verstehen.

Ich glaube wie Oliver Zipse, dass man als Fahrzeughersteller auch künftig gutes Geschäft machen kann wenn man Fahrzeuge baut die nachgefragt werden (da wird sich ja auch was verändern - also: Konzentration).

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Sehe den Vergleich Auto - Flughzeug auch etwas differenzierter.

Zumal das Auto sehr nah, wie du schon sagst, am Menschen und dem Alltag ist und zu einer neuen signifikanten Alltags-Computing Plattform wird. Diese zu bauen, also im full-stack zu kontrollieren ist signifikant und gibt den Autobauern Macht. Allerdings muss man auch in der Lage sein so ein Produkt zu bauen. Dazu braucht es denke ich ganz andere Organisationen und die Zuliefernetzwerke- und beziehungen werden sich drastisch ändern. Es muss mehr in-house kontrolliert werden um Dynamik und Agilität, aber auch Qualität zu garantieren und Komplexität zu reduzieren. Das Beispiel Boing mit dem outsourced flight-control code macht deutlich welche Gefahren sich verbergen. Aber auch die Tatsache, dass die heutige Elektronik- und Software Architektur in üblichen Autos unüberschaubar geworden ist und rigide. Not Future-Proof!

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Das glaube ich auch, wie schon im Kommentar zu @nicolaskillian beschrieben.
Zudem wird das Problem, wie auch @kathrin.risom sagt aufkommen, dass mit sich änderndem Produkt auch die user experience eine andere wird.

Schon heute (gar nicht weit in die autonome Auto Zukunft gedacht) sieht man, dass das Auto, das als Software-Produkt gedacht ist eine andere Form der Wahrnehmung und Interaktion erzeugen kann - die Rolle des Fahrers und Beifahrers ändert sich, wie @assadollahi es kürzlich sehr passend und faszinierend beschrieben hat:

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Hallo zusammen!
Ich bin auch der Meinung, dass es zukünftig – trotz günstiger Robotaxis - noch private Autokäufe geben wird. Denn der Autokauf und -besitz ist eben nicht immer rein rational und von Kosten-Nutzen-Kalkulationen bestimmt. Schon heute wird das deutsche Durchschnittsauto nur 5% des Tages gefahren und viele Menschen benutzen ihr Auto nur wenige Tage im Monat. Die Nutzung von Car Sharing wäre für diese Gruppe bereits jetzt günstiger. Der Autobesitz ist eben stark von Gewohnheiten geprägt.

Wir haben in einem Online-Experiment über 2.000 deutsche Konsumenten zu ihrem zukünftigen Mobilitätsverhalten in einer Welt mit Robotaxis befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass viele Bürger das Robotaxi als willkommene Ergänzung, aber nicht als vollständigen Ersatz für den eigenen PKW ansehen. Nur jeder vierte Deutsche war bereit auf das eigene Auto zu verzichten - obwohl die Fahrt mit einem Robotaxi rund 25% billiger (!) sein könnte. Vor allem Menschen, die schon lange Zeit ein eigenes Auto besitzen, sind nur wenig bereit ihr Verhalten zu ändern und auf ein eigenes Auto zu verzichten. Es gilt also weiterhin „besitzen statt nutzen“ anstelle von „nutzen statt besitzen“.

NIchtsdestotrotz, auch wenn die Mehrheit nicht auf ein eigenes Auto verzichten möchte, werden autonome Fahrzeugflotten meiner Meinung nach der Wachstumstreiber der Mobilitätsbranche. Denn zumindest in den Städten könnte laut unserer Studie jeder dritte Weg zukünftig durch autonome Fahrdienste erfolgen und eröffnet so einen neuen, großen Markt. Sich diese Wachstumsmöglichkeiten entgehen zu lassen halte ich aus Sicht der Automobilhersteller für gefährlich. Denn zum einen büßt man Wachstumschancen ein und zum anderen wird sich der Nutzen des Automobils in den Städten zunehmend auf den Transport von A nach B reduzieren. Dadurch verliert das Auto als Statussymbol weiter an Strahlkraft und insbesondere für Premiumhersteller ist der Bedeutungsverlust der Marke eine echte Herausforderung. Sie werden sich definitiv neu aufstellen müssen, natürlich auch was die user experience angeht.

Dazu stellt sich mir die Frage, ob sich ein Premiumanbieter als reiner Zulieferer für autonome Flottenbetreiber durchsetzen kann. Wenn man sich als Betreiber auf den kostengünstigen Transport fokussiert, kauft man dann ein Volumen- oder Premiumprodukt? Sind heutige hochmotorisierte Premiummarken dann noch langfristig wettbewerbsfähig oder ein Nischenprodukt für eine wohlhabende Kundschaft? Aktuell sind die meisten Taxis ja noch eine Premiummarke…

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Da bin ich mit dir einer Meinung. Ich glaube auch, dass Autos weiterhin gekauft werden. Allerdings weit seltener und weniger. Und dass die Wagen, die gekauft werden, wohl viel öfter Luxusfahrzeuge sein werden.

Dass heute viele Menschen ein Auto besitzen, das nur 5 Prozent des Tages oder nur wenige Tage im Monat genutzt wird, das hat auch damit zu schaffen, dass natürlich vielerorts noch kein Zugang zu Alternativen besteht. Vor allem auf dem Land oder in Kleinstädten, wo kaum ein ÖPNV existiert, Car-Sharing- und Taxidienste vorhanden sind – und damit ein eigenes Auto, selbst wenn man es nur selten nutzt, vorhanden sein muss, wenn man irgendwie mobil sein möchte. Das trifft vor allem auf viele Regionen in im Osten, Baden Württemberg und Hessen zu.

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Da frage ich mich noch, wie das aussehen könnte. Klar: Entertainment an Bord, wegen mir sogar irgendwelche VR- oder AR-Experiences. Aber brauche ich das bei einer doch relativ kurzen Fahrt durch die Stadt? Im Zweifel habe ich meine Musik, meine Filme etc. ohnehin auf meinem Smartphone. Wenn ich das connecten kann: gut! Aber das ist im Prinzip die günstigste Lösung für Flottenbetreiber, d.h. dafür brauche ich nicht zwingend einen Premiumhersteller, oder?

Man sieht ja, wie schnell die Automarke an Bedeutung verliert, wenn es um Fahrdienste geht. Ich nehme mir ja ein Taxi, Uber oder Lyft… und nicht einen Mercedes oder Prius. Bequemer als dreimal umsteigen und in der Kälte warten ist auch der VW Caddy (mit dem die MVG in München gerade ihren Shuttle-Service IsarTiger testet - für unschlagbare Kamp-Testpreise von etwa 15 Cent pro Fahrt :slight_smile: )

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@Wolfgang: Da bin ich absolut bei dir! Der Betreiber und dessen Serviceangebot werden bei der Wahl eines autonomen Fahrdienstes wohl immer mehr in den Vordergrund rücken, während die Automarke tendenziell unwichtiger wird.

Bei der Auswahl von Fahrzeugen für die Flottenberteiber könnten Premiumanbieter dennoch einen Vorteil haben. Aufgrund längerer Lebenszeiten und geringerer Wartungskosten ggü Volumenanbietern, könnten sich die erhöhten Anschaffungspreise für Premiumfahrzeuge wieder ausgleichen.

Aber zurück zur Experience, denn die wird sich sowieso ändern. :slight_smile:
Das wird schon bei der Erscheinung des Fahrzeugs anfangen. Die ersten Autos sahen auch noch wie Kutschen aus, wurden dann aber an die neuen Bedarfe angepasst. Das könnte jetzt wieder passieren. Die autonomen Testfahrzeuge in den USA sind ja zum Teil noch Standard-SUVs. Das zukünftige Aussehen könnte sich aber deutlich vom heutigen Auto unterscheiden. Denn wenn man selbst nicht mehr fährt und der „Fahrspaß“ unwichtiger wird, dann wird auch ein sportliches, windschnittiges Design nicht mehr nötig sein. Stattdessen entwickelt sich das Auto zu einer großen Rückbank und die wird mehr Platz benötigen. Die Fahrzeuge könnten also deutlich höher und breiter sein und eine Kastenform annehmen. Das Auto kann ich mir gut mit viel Glas vorstellen, da man nun während der Fahrt mehr Zeit hat um aus dem Fenster zu schauen.

Dazu kommt dann die veränderte Innenausstattung. Die wird deutlich technischer. Ob es AR- oder VR-Erfahrungen sind, da bin ich mir noch unsicher, aber bestimmt wird es mehr mediale Angebote mit entsprechend großen Screens geben. Streamingdienste, die sich direkt connecten sind wahrscheinlich schnell umsetzbar. Was zudem noch wichtig wird, ist eine Wohlfühlatmosphäre. In einer von uns durchgeführten Umfrage gab jeder zweite Nutzer an, sich während einer Robotaxi-Fahrt ausruhen zu wollen. Das Design sollte diesen Bedürfnissen gerecht werden. Es wird also nicht jeder die freiwerdende Zeit zum Arbeiten nutzen :wink:

Wie könntet ihr euch denn das Fahrzeug vorstellen? Welche Elemente wären euch wichtig? Würdet ihr zB zu unterschiedlichen Fahrzeugtypen, für unterschiedliche Nutzergruppen tendieren? Pendler-Shuttle vs. Einkaufstaxi?

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Ich glaube, dass in dieser Nische der Durchbruch liegen muss. (auch was autonomes Fahren, Elektromobilität etc. angeht) In einer Stadt etwas implementieren ist zu simpel und fast überflüssig. Da ist „Flugzeugbauer“ oder „Airline“ egal.

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Sicher wird sich das Design verändern und mehr mediale Angebote geben, aber sonst wird die Fahrt genauso erholend sein wie eine Taxifahrt jetzt, oder?

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Sehr ähnlich zum Taxi aber möglicherweise noch erholsamer! Da ruckhaftes Fahren bei einem Robotaxi wegfällt und die autonomen Taxis mehr Platz für größere Sitze haben :slight_smile:

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Hoffen wir das mal :slight_smile: Ich meine, bei The Information gelesen zu haben, dass die Waymo Testfahrer sich immer wieder über Ruckeln beschweren. Aber bis 2035 sollte das zu schaffen sein…

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An Differenzierung durch User Experience kann ich mir einiges vorstellen. Schaut Euch mal die Bandbreite und Moeglichkeiten bei den Wohnmobilen an. Wie waere es mit einem Fahrzeug mit Queen-Size Matratze, Kuehlschrank, Sonos-Soundsystem und genug Stauraum fuer Ski und Snowboard? Dusche gefaellig? Ein Sofa von Rolf Benz?

Die Autonomie wird doch da zur Nebensache.

Ich wuerde bei so einer Fahrt auch hinnehmen, dass sie wegen eingeschraenkter Geschwindigkeit moeglicherweise etwas laenger dauert. Hauptsache ich kann unterwegs Sportschau schauen, mit einem kuehlen Bier.

AR/VR wird da natuerlich auch drin sein zum Shoppen, Zocken und Sightseeing. Aber es sind nicht nur die digitalen Dinge die Spass machen, Leute :slight_smile:

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Das stimmt mit den Taxis prinzipiell, aber wenn Du auf typische Ride-Hailing Dienste schaust regiert klar der Prius. Es wird auch in Zukunft Niedrig- und Hoch-Preissegmente geben.

Und auch mit der Wahl eines Ride-Hailing Dienstes kann man seinen Status ausdruecken (faehrst Du mit Uber Pool oder Uber Black, bzw. Isartiger oder mydriver) … Sicher zum Ziel kommst Du ja mit allen.

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Ich glaube, dass man im Auto als sehr privater, abgeschlossenen Räumlichkeit abgefahrene neue Dinge tun wird und dass VR auch eine wichtige Rolle spielen kann.

Denke dabei an ganz neue Entertainment und Experience-Formen, in denen multi-modal die Sinneserfahrungen angesprochen werden, wie sie von @Michael hier beschrieben wurden: Mit Synästhesie könnten wir von Herz zu Herz kommunizieren

Streaming von Audio / Video allein finde ich zu „old-school“.

Aus technischer Sicht und für den Fall das Konnektivität in 10-15 Jahren immer noch nicht so flächendeckend gegeben ist wir wir das gerne hätte müssten Autos auch neben rollenden Computern, auch rollende CDNs und fette Buffer werden, um eine Abstraktion der Geräte und der Information die im Auto konsumiert wird vom Netz zu schaffen und somit dafür zu sorgen, dass „drinnen“ immer alles smooth läuft auch wenns von außen grad nicht läuft…

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Das finde ich eine sehr wichtige Aussage. Wer in Diskussionen um Batterieelektrische Mobilität, Wasserstoff und vor dem Hintergrund der Klimakrise in Verbrennungsmotoren investiert, hat aus meiner Sicht ein gestriges Unternehmenskonzept. Selbst wenn viele Autobauer auf Synthetische Kraftstoffe („Nachhaltig“) setzen, so ist dieses Vertrauen unbegründet. Wir werden die Mengen an Bio- oder Strombasiertem Kraftstoff nicht unter den notwendigen Nachhaltigkeitskriterien herstellen können. Die geringen Mengen, die ohne massive negative Konsequenzen (Abholzungen, Monokulturen …) erzeugt werden können, sollten stattdessen z.B. im Flugzeug Einsatz finden - denn dort kann (noch) nicht elektrisch geflogen werden.