Was mich bei Wahlen immer mit am meisten umtreibt, ist die Zahl der Nichtwähler - ein Segment, das in den vielen Wahlanalysen kaum eine Rolle spielt. Bei den Landtagswahlen 2019 in Brandenburg haben - um noch weiter zu segmentieren - 43,5% der Wähler, die zum ersten Mal wählen durften, nicht gewählt.
Quelle: Zeit Online
In Sachsen waren es gar 49%. Nun ist es vermutlich normal, dass es eine große Zahl an Nichtwählern gibt, gerade auch unter jungen Leuten, die mit 18 wahrlich Besseres zu tun haben, als sich um den Stand der Civitas und die Renten zu kümmern. Aber wäre es nicht cool, angesichts der ständigen Interaktionen, die im Netz von allen Nutzern gelernt werden, auf eine bessere Art auch Datenpunkte für eine direktere Demokratie zu generieren? Könnte es nicht ein neues demokratisches, kulturelles und technologisches Ziel sein, die Conversion Rate bei Wahlberechtigten sinnvoll zu steigern - gerade bei Erstwählern, den künftigen Trägern unserer Demokratie?
Bisher gibt es zwar eine Menge Initiativen, die Nichtwähler zum Wählen animieren wollen, aber meist läuft es auf einen simplen Appell hinaus: „Bitte geh wählen, weil… blablabla“. Die Hoffnung dabei: Wer wählen geht, wählt den Status quo. Das Gegenteil ist in Sachsen und Brandenburg der Fall gewesen: Frühere Nichtwähler haben in Scharen AFD gewählt.
Müsste man also nicht versuchen, die starren Parteienkonstrukte mit ihrer ganzen PR, die ewig langen Wahlzyklen, das Parteileichenlistenwesen, ja vielleicht sogar die ganze repräsentative Demokratie aufzubrechen und durch eine bessere, schnellere und direktere zu ersetzen, um die Einstiegshürde zu senken? Oder ist das alles neumodischer Scheiß, der nur zu mehr Fragmentierung und Polarisierung führt?
Man könnte ja wirklich mal bei den Nichtwählern anfangen:
Wie kriegt man mehr Nichtwähler zum Wählen?
Vielleicht sollte man zunächst eine Analyse machen. Welche Segmente dürften bei den Nichtwählern die größten sein?
- Kein Interesse an Politik
- Interesse an Politik, aber nicht das Gefühl, etwas bewirken zu können
- Interesse an Politik, aber Wahl irgendwie verpennt
- Nichtwähler aus Protest
- …
Daraus könnten sich folgende Fragestellungen ergeben:
- Welche Mechanismen müsste man bauen, um das Interesse an Politik bei Nichtwählern für demokratische Wahlprozesse zu steigern?
- Wie gibt man den Leuten stärker das Gefühl, etwas bewirken zu können?
- Wie sorgt man dafür, dass Leute, die eigentlich wählen wollen, die Wahl nicht verpennen?
- Und warum wählen Nichtwähler aus Protest nicht? -> Interviews!
Je mehr ich mir die Debatten in der politischen und medialen Landschaft so anschaue, umso mehr glaube ich, dass vor allem unser politisches System ein Upgrade braucht. Im Digitalen werden die alten Mittelsmänner reihenweise ausgeschaltet, in der Politik werden sie kaum hinterfragt. Das sollten sie - oder doch nicht?
Meinungen?