Zwei Astronauten haben eine ausführliche Führung durch die Internationale Raumstation aufgenommen. Sie zeigen, wo die Raumfahrer forschen, Sport treiben und auf die Toilette gehen. Damit haben sie ein wichtiges Zeitdokument geschaffen – denn die Zukunft der ISS ist ungewiss.
Von Michael Förtsch
Die Internationale Raumstation schwebt rund 408 Kilometer über dem Erdboden und rast dabei mit 28.800 Kilometern pro Stunde um unseren Planeten. Wie es den Astronauten da oben ergeht und wie sie in den aneinander gesteckten Modulen tatsächlich leben, das ist für viele sehr schwer vorstellbar. Das wollten der ESA-Astronaut Luca Parmitano und sein NASA-Kamerad Drew Morgan nun ändern. Dafür nahmen sie eine einstündige Tour durch die ISS auf. Sie erkunden dabei nahezu jeden Winkel der Raumstation und erklären, was in jedem Modul geschieht und wozu es nützlich ist. Beginnend in einer angedockten Sojus-Kapsel filmten die beiden Astronauten mit zwei Kameras gleichzeitig, die in entgegengesetzte Richtungen schauten - um durch ein Bild-im-Bild-Video „einen fast 360-Rundum-Blick“ zu erhalten, wie Drew Morgan erklärt.
Bei der Führung ist stets eine kleine Karte der Internationalen Raumstation eingeblendet, auf der ein roter Punkt anzeigt, wo sich die Astronauten gerade befinden. Das soll den Zuschauern zusätzlich helfen, sich in der verwinkelten Konstruktion zurecht zu finden, die die Astronauten selbst nach ihrem mehrmonatigen Aufenthalten auf der Station in- und auswendig kennen. Parmitano war bereits 2013 auf der ISS und startete im Juli 2019 einen weiteren Aufenthalt. Seit dem 2. Oktober hat er sogar das Kommando über die Raumstation. Morgan wiederum ist seit Juli 2019 als Bordingenieur auf der Station und dafür zuständig, dass alle technischen Anlagen korrekt funktionieren.
Während die Astronauten durch die Raumstation schweben, bleiben sie immer wieder bei einzelnen Abschnitten und Gerätschaften stehen, um näher darauf einzugehen. Unter anderem erklären sie, wo die Luft gefiltert und aufbereitet wird. Sie besprechen die unterschiedlichen Formen der Module, zeigen, wo die Raumanzüge für Außenmissionen lagern, wo Sport getrieben wird und natürlich auch die Toiletten, die gerne mal für Probleme sorgen. Sie schweben auch durch den Functional Cargo Block, den ältesten und engsten Teil der ISS, der nahe am jetzigen Mittelteil des zentralen Ankerstücks liegt. „Das ist ein bisschen, wie in ein lebendes Museum zu kommen“, sagt Luca Parmitano. „Es ist wohl das älteste menschengemachte Stück Technik, das die Erde umkreist.“
Die Privatisierung der ISS läuft schon
Mit ihrer Führung durch die Internationale Raumstation haben die beiden Astronauten auch ein wichtiges Zeitdokument geschaffen. Denn seit mehreren Jahren wird über die Zukunft der ISS debattiert, die in ihrer bisherigen Betriebszeit über 230 Astronauten aus rund 20 Nationen begrüßt hat. Die US-Regierung will die staatliche Finanzierung für das teure Projekt nur noch bis 2024 laufen lassen. Das NASA-Budget für den Betrieb beträgt nämlich zwischen drei bis vier Milliarden US-Dollar pro Jahr. Geht es nach der Regierung unter Donald Trump soll die Internationale Raumstation anschließend privatisiert werden – und das trotz Einsprüchen von Partnern wie Kanada, der EU und Japan.
Erste Schritte in Richtung Privatisierung werden schon jetzt unternommen –mit der Erlaubnis kommerzieller Aktivitäten auf der ISS. Der Firma Axiom Space wurde erst vor wenigen Tagen als erstes Privatunternehmen überhaupt gestattet, ein rein kommerzielles Modul an die Internationale Raumstation anzudocken. Dort sollen in den kommenden Jahren zahlende Gäste arbeiten können. Unter anderem soll dort Forschung für Pharma- und Tech-Unternehmen stattfinden. Beispielsweise könnten Herstellungsprozesse während der Schwerelosigkeit erprobt und technische Systeme für den Mond und Mars austestet werden. Auch Weltraumtouristen könnten dort wohnen, wenn sie bereit sind, zu zahlen. Ein extra großes Fenster soll schon einmal eine gute Aussicht garantieren.
Andocken soll das Privatmodul womöglich im zweiten Halbjahr 2024. Langfristig will Axiom Space eine ganz eigene Raumstation aufbauen. Dafür sollen später weitere Module folgen, die Stromversorgungs-, Luftaufbereitungs- und Kommunikationsanlagen enthalten. Dann könnte der ganze Bereich von der ISS abgekoppelt und unabhängig weiter ausgebaut werden. Diese Anlage soll dann stückweise an zahlungskräftige Kunden vermietet werden. Die Axiom-Station, glaubt die Firma aus Houston, könne die ISS langfristig ersetzen.
Erst muss die ISS den Technik-Check bestehen
Touristen sollen in den kommenden Jahren auf der Internationalen Raumstation zunehmend willkommen sein. Bislang waren die zumindest offiziell nicht an Bord gestattet. Russland will in Kooperation mit dem Unternehmen Space Adventures im Jahr 2021 gleich zwei Touristen auf die ISS fliegen. Die Einnahmen sollen weitere Raumfahrtmissionen finanzieren. Auch die NASA selbst will Touristen auf die Internationale Raumstation mitnehmen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass deren Aktivitäten irgendeinen Bezug zur Mission der Raumfahrtagentur haben. Heißt: Sie müssen sich beispielsweise an Forschungsprogrammen beteiligen oder eigene Experimente mitbringen, die der NASA nützlich sein könnten.
Ob die Internationale Raumstation aber nun tatsächlich vermietet wird, das bleibt abzuwarten. Unter anderem muss zunächst ermittelt werden, wie fit der immerhin schon 20 Jahre alte Außenposten der Menschheit ist – und ob er über das Jahr 2024 hinaus sicher weiterbetrieben werden kann. Dafür überprüfen derzeit russische Kosmonauten die Raumstation auf strukturelle und technische Mängel. Zuletzt wurden Spuren entdeckt, die Rost darstellen könnten. Aber auch Kollisionen mit Millimeter großen Partikeln könnten Schäden verursacht haben, die einen Weiterbetrieb zumindest schwierig und teuer machen. Die russischen Ingenieure wollen ihre Beurteilung bis zum Sommer abschließen. Danach soll feststehen, ob die ISS zunächst bis 2030 weiter unterhalten wird.