Wer bietet mehr Datenschutz? Apple oder Google? Die Giganten des Internets haben inzwischen erkannt, dass sich viele Menschen Privatsphäre und Sicherheit wünschen. Google hat deshalb das weltweit erste Google Safety Engineering Center in München eröffnet. Dort sollen Produkte für Milliarden von Nutzern entstehen.
Von Wolfgang Kerler
Persönlich angereist ist Google-Chef Sundar Pichai nicht. Doch er schickt eine Videobotschaft an die rund 200 Journalisten, die nach München gekommen sind. Offenbar will er keinen Zweifel daran lassen, wie ernst es Google meint. „Wir finden, dass jeder auf der Welt Zugang zu Privatsphäre und Sicherheit haben sollte“, sagt Pichai. „Deswegen eröffnen wir das Google Safety Engineering Center in München.“
Pichai erklärt in diplomatischen Worten, dass es kein „Unfall“ sei, diese Themen in Deutschland anzusiedeln – „in einem Land, das auf vielfältige Weise widerspiegelt, wie Europäer über Sicherheit, Privatsphäre und Datenschutz denken“. Er hätte auch sagen können: Das Land, in dem ganze Dörfer gegen Street View mobil machten und Google oft als Datenkrake abgestempelt wird, ist genau der richtige Ort, um Produkte für mehr Privatsphäre zu entwickeln.
Privatsphäre-Einstellungen sind besser erreichbar
„Wer es hier schafft mit Privatsphäre, der schafft es überall“, bringt es Stephan Micklitz ein paar Minuten später auf den Punkt. Er arbeitet seit über zehn Jahren bei Google in München. Als Director of Engineering verantwortet er die Entwicklung des zentralen Werkzeugs, um Privatsphäre-Einstellungen anzupassen oder gespeicherte Daten zu verwalten.
Euch passt nicht, dass sich Google den Standort eures Smartphones merkt? Ihr wollt euren YouTube-Suchverlauf löschen? Oder ihr möchtet keine personalisierte Werbung mehr sehen? Dann solltet ihr euer Google-Konto aufrufen und eure Präferenzen festlegen. Wie schon sein Vorgänger, das Dashboard, wurde das Konto vom Team um Stephan Micklitz in München entwickelt. Nach Angaben des Unternehmens greifen täglich 20 Millionen Menschen darauf zu.
Das Dashboard hatte noch seine Macken, als es 2009 auf den Markt kam. Nutzer mussten es gezielt suchen. Allzu einsteigerfreundlich war es auch nicht gestaltet. Hier hat Google nachgebessert. Das Konto ist übersichtlicher – und seit Kurzem deutlich schneller erreichbar. Aus den Apps, von der Onlinesuche, Maps, YouTube und Gmail gelangt man jetzt mit nur einem Klick dorthin. Der Chrome-Browser folgt.
Und das ist noch nicht alles. Auf der Entwicklerkonferenz I/O kündigte Google vergangene Woche eine regelrechte Datenschutz-Offensive an. Dazu gehört auch, dass Maps und YouTube einen Inkognito-Modus bekommen. In diesem hinterlässt man weniger Spuren im Netz. Er verhindert, dass Nutzungsdaten gespeichert und mit dem eigenen Google-Account verknüpft werden. Der Chrome verfügt seit Jahren über dieses Feature.
Google und Apple liefern sich einen Wettstreit
Warum legt Google gerade jetzt diesen Fokus auf Privatsphäre? Ein Grund könnte ein riesiges Werbeplakat sein, das Apple im Januar quer über eine Hausfassade in Las Vegas spannen ließ. „Was auf deinem iPhone passiert, bleibt auf deinem iPhone“, stand darauf. Ein unverhohlener Seitenhieb auf den Konkurrenten Google. Der stand häufig in der Kritik, weil er Daten von Smartphones verwertet, die mit dem firmeneigenen Betriebssystem Android laufen.
Die Anzeige war so platziert, dass sie jeder Besucher der Consumer Electronics Show zu sehen bekam, einer der wichtigsten Tech-Messen des Jahres. Der iPhone-Hersteller, dessen Privatsphäre-Bilanz übrigens auch nicht makellos ist, hatte dort gar keinen Stand. Google dagegen war präsent wie nie.
Vergangene Woche revanchierte sich Google-Chef Pichai dafür – und spielte auf die hohen Preise für Apple-Produkte an. In einem Gastbeitrag für die New York Times schrieb er: „Privatsphäre sollte kein Luxusgut sein, dass nur Menschen angeboten wird, die sich Premium-Produkte und Dienste leisten können.“ Mit den verbesserten Datenschutz-Features und dem Ausbau des Standorts München will Google wohl beweisen, dass diesen Worten auch Taten folgen.
Bald über 1000 Googler in München
Google hat seit 2007 einen Standort in München. Sein starkes Wachstum wird durch die Aufwertung zum Google Safety Engineering Center weiter beschleunigt. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Mitarbeiter dort auf über 1000 anwachsen, die der Spezialisten für Datenschutz und Privatsphäre von 100 auf 200 verdoppelt werden. Neben den Entwicklern des Google-Kontos zählt dazu auch das Team, das an der Sicherheitsarchitektur des Chrome-Browsers arbeitet. Aus München stammt zum Beispiel der Passwort-Manager.
Die Datenschutz-Charme-Offensive von Google wird von anhaltendem Ärger in Frankreich überschattet. Die dortige Datenschutzbehörde verhängte Anfang des Jahres ein Bußgeld von 50 Millionen Euro. Der Vorwurf dahinter: Google informiere seine Nutzer nicht verständlich genug, was es mit deren Daten anstelle. Google wollte das nicht hinnehmen und ging in Berufung.
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